Es wirkt ein wenig wie ein altes Ritual aus finstersten rot-schwarzen Koalitionszeiten: Wollte die ÖVP da eine Initiative des Koalitionspartners verhindern, lancierte sie erst, sehr zugespitzt, ihre schlimmsten Bedenken über bestimmte Medien, die diese weitertrugen. War die Sache erst einmal öffentlich, traten verlässlich ÖVP-nahe Interessenvertreter auf, die dagegen wetterten. Irgendwann sagte dann auch die ÖVP-Spitze Nein – und die SPÖ konnte ihr Anliegen, um des lieben Koalitionsfriedens willen, vergessen.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler (Grüne).
Foto: imago/SEPA.Media/Martin Juen

Der Verdacht drängt sich nun auf: Beim Entwurf von Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) zum Klimagesetz könnte es ähnlich gelaufen sein. Erst sickerte dessen mutmaßlich größter Aufreger durch: Werden die Klimaziele verfehlt, soll die Mineralölsteuer automatisch erhöht werden – um bis zu 50 Prozent. Da mochte Gewessler sogleichbeteuern, dies sei doch nur als "allerallerletztes Mittel" gedacht, egal. Die böse Botschaft setzte die ÖVP in Gang. Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf geißelte Gewesslers "ideologiegetriebene Bestrafungsfantasie" in der ZiB 2 . Man darf gespannt sein, was als Nächstes kommt.

Ähnliches spielte sich Anfang September des Vorjahres beim Thema "Pfand für Einwegflaschen" ab: Kaum lag der Entwurf der Grünen dafür auf der Tischkante, lehnten Wirtschaftskammer, Handelsvertreter und Wirtschaftsbund diesen brüsk ab: Dies sei nur ein "Belastungspaket im ökologischen Mäntelchen", sagte, wiederum, Kopf. Seither ruht die Sache offenbar. Das kann natürlich drängenderen Problemen in der Coronavirus-Krise geschuldet sein – aber klar ist auch: Die Zeit des Stillhaltens aus pandemischen Gründen neigt sich für die Grünen dem Ende zu.

Kernproblem

Bisher hatte man ja noch einigermaßen plausible Erklärungen für die eigene Wählerschaft, warum die "beste beider Welten" in der Koalition stark türkis leuchtet. Die Einmischungen in den Impfplan des Gesundheitsministeriums und in die Reformpläne der Justizministerin (beide grün), die Härte gegenüber Kindern im Flüchtlingslager von Moria – stets beruhigte die grüne Parteispitze. In einer ÖVP-FPÖ-Koalition wäre alles noch schlimmer; die Pandemiebekämpfung steht über allen anderen Problemen; beim Klimaschutz werdet ihr erkennen, warum diese Koalition Sinn hat.

Und hier beginnt auch das Kernproblem für die Grünen: Nachzugeben in diesem, ihrem Leibthema kommt schlicht nicht infrage. Zu vollmundig waren die Ankündigungen, zu stark ist auch mittlerweile der Druck von außen, zumindest was die Ankündigungspolitik anderer Länder betrifft: Die USA wollen neuen Schwung in den Klimaschutz bringen, die EU erhöht die Vorgaben, sogar China gelobt Besserung. Und Österreich? Die Grünen haben das ehrgeizige Ziel ins Koalitionspaket geschrieben, Österreich wolle und werde 2040 in Sachen CO2-Emissionen "klimaneutral" sein – zehn Jahre früher als der Rest Europas. Wenn sie sich hier nicht durchsetzen, fällt aus Sicht der Grünen auch der letzte inhaltliche Grund weg, mit der ÖVP weiter zu koalieren.

Andererseits kann der Klimaschutz, als gemeinsame Anstrengung verstanden, ja auch zum Neubeginn dieser Koalition werden – mit mutigen, zukunftsweisenden Projekten zum Erreichen eines ambitionierten Zieles. Oder er wird zum Fanal dieser Koalition – es liegt ganz bei der ÖVP. (Petra Stuiber, 26.4.2021)