Das Kino Beltrade in Mailand war gestern, Montag, das erste, das seine Türen nach Monaten wieder geöffnet hat – und zwar schon um sechs Uhr in der Früh. Etwa hundert Personen wollten denn auch den Klassiker Caro diario (1993) von Nanni Moretti sehen. Aufgrund der Platzbeschränkungen erhielten aber nur 84 ein Ticket.

Bild nicht mehr verfügbar.

Geht es nach der Regierung, so soll der Tourismus vorerst innerhalb Italiens reanimiert werden. In Rom probiert man das schon vorsichtig aus.
Foto: Reuters / Mangiapane

Rund 50 Millionen der 60 Millionen Einwohner Italiens leben seit Montag wieder in einer gelben Zone. Orange bleiben Basilicata, Kalabrien, Apulien, Sizilien und das Aosta-Tal. Als einzige rot ist nun Sardinien, die Insel war noch vor wenigen Wochen die einzige weiße Region. Die weitgehende Öffnung, gepaart mit übertrieben gelebter Sorglosigkeit, hat der Insel nicht gutgetan.

Der prompte Anstieg der Fallzahlen in Sardinien hat der Regierung von Mario Draghi als Warnung gedient: Die neuen Lockerungen sind daher sehr vorsichtig, im Alltag oft kaum wahrnehmbar. Die teilweise Öffnung der Kinos ist noch die am weitestengehende.

In den gelben Zonen dürfen nun die Restaurants auch abends Gäste bedienen (vorher nur zu Mittag), aber lediglich im Freien. Und man darf auch wieder von einer gelben Region in eine andere gelbe fahren. De facto konnte man das aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen und spärlicher Kontrollen schon vorher. Man durfte sogar in rote Zonen fahren – wenn man dort eine Ferienwohnung besitzt.

"Kalkuliertes Risiko"

Was bei aller Umfärberei seit Monaten gleich bleibt: die nächtliche Ausgangssperre von 22.00 bis 5.00 Uhr. Auch die Maskenpflicht im Freien sowie die Distanzregelungen bleiben in Kraft – genau so wie der Ausnahmezustand, den die Regierung bis Juli verlängert hat und der es der Exekutive erlauben würde, umgehend auf eventuell wieder ansteigende Fallzahlen zu reagieren.

"Wir gehen ein kalkuliertes Risiko ein", sagte Draghi. Tatsächlich sind die Fallzahlen seit fünf Wochen rückläufig, allerdings langsam und immer noch auf hohem Niveau. Etwa eine halbe Million Italienerinnen und Italiener sind derzeit als infiziert registriert, täglich kommen um die 15.000 Neuinfektionen hinzu. Mit 17 Millionen verabreichten Dosen relativ weit gediehen ist die Impfkampagne; hinzu kommen vier Millionen Genesene. 81 Prozent der über 80-Jährigen haben ihre erste Impfdosis erhalten; bei den 70- bis 80-Jährigen beträgt der Anteil 45 Prozent.

"Zahlen werden wieder steigen"

Viele Virologen und Ärzte bleiben skeptisch, fürchten den psychologischen Effekt, den die neuen Freiheiten mit sich bringen könnten, vor allem bei jungen Menschen. "Wir werden für diese Lockerungen einen Preis bezahlen: Die Fallzahlen werden zwangsläufig wieder ansteigen", prophezeit der Virologe Fabrizio Pregliasco. Wenig zur Beruhigung trug am Montag bei, dass in der Region Venetien die ersten zwei Fälle der "indischen" Mutation gemeldet wurden.

Die Regierung in Rom will an ihrer Linie festhalten und hat für Mitte Mai die nächsten Lockerungen in Aussicht gestellt. Die Bewegungsfreiheit soll weiter vergrößert werden. Vorgesehen ist dafür ein nationaler Impfpass für Geimpfte und Genesene, er gilt dann für sechs Monate. Einen 48-Stunden-Pass erhält man, wenn man ein negatives Testresultat vorweisen kann. Damit will die Regierung insbesondere den Regionen entgegenkommen, die stark auf den inneritalienischen Tourismus angewiesen sind und vorerst noch orange oder rot sind.

Bozen geht wieder einmal einen Sonderweg

Die autonome Provinz Südtirol prescht wieder einmal vor und will den Impfpass sofort einführen. Außerdem will die Landesregierung in Bozen es Restaurants erlauben, auch ihre Innenbereiche wieder zu öffnen. Die Regierung in Rom will sich den erneuten Sonderweg Südtirols freilich nicht bieten lassen: Die für die Regionen zuständige Ministerin Mariastella Gelmini hat angekündigt, gegen den Erlass eine Klage vor den Verwaltungsgerichten einzulegen.

Mit Blick auf die Sommersaison setzt die Regierung in Rom vor allem auf den geplanten europäischen Impfpass. Wann dieser kommen wird, ist freilich noch ungewiss – vorerst bleibt daher für alle ausländischen Gäste die Pflicht, sich nach der Einreise in Italien für fünf Tage in Quarantäne zu begeben. (Dominik Straub, 26.4.2021)