Im März überschüttete ein Mann seine Freundin mit Benzin, im April starb sie an ihren Verletzungen.

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Vier Monate dauert das Jahr 2021 an, und wie jedes Jahr sind auch heuer wieder dutzende Frauenmorde zu erwarten. Acht Frauen wurden seit Jahresbeginn bereits ermordet, gemeinsam haben alle, dass sie durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners und oft auf sehr brutale Weise getötet wurden. Der aktuellste Frauenmord geschah vor knapp einer Woche im niederösterreichischen Neulengbach. Das 64-jähre Opfer starb durch "massive Gewalteinwirkung gegen Kopf und Verbluten", so die Staatsanwaltschaft. Der Lebensgefährte soll die Frau durch Hammerschläge auf ihren Kopf und durch Messerstiche und Schnitte im Halsbereich umgebracht haben.

Der Tod einer 35-jährigen Trafikantin rückte das Thema Femizide wieder stärker in den Vordergrund, weil es einmal mehr ein besonders brutaler Fall ist: Ihr Freund geht in die Trafik der Frau, schlägt und würgt sie, übergießt sie schließlich mit Benzin und zündet sie an. Einen Monat später, am 3. April, stirbt sie an ihren Verletzungen.

Österreich gilt noch immer europaweit als Vorbild in Sachen Gewaltschutz. Gleichzeitig ist Österreich das einzige Land innerhalb der EU, in dem es mehr weibliche als männliche Mordopfer gibt. Jedem Femizid folgen Forderungen von Gewaltschutzeinrichtungen und Opposition. Die zentralen Forderungen lauten: mehr Prävention, Maßnahmen gegen "tiefgehende patriarchale Strukturen", wie es etwa der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser fordert, und der Österreichische Frauenring will die sofortige Umsetzung der gesetzlich verankerten Fallkonferenzen. Insgesamt wären 228 Millionen Euro pro Jahr für einen wirkungsvollen Gewaltschutz und Gleichstellungspolitik nötig, sind sich Frauenvereine und Gewaltschutzeinrichtungen einig.

Problem Männergewalt

Neos-Frauensprecherin Henrike Brandstötter fordert Gewaltprävention bereits ab dem Kindergarten und Ressourcen für eine umfassende Bewusstseinsbildung und Schulung der Erstanlaufstellen in Medizin, Exekutive und Judikative sowie in Betrieben. Die SPÖ will einen Ausbau der Frauenberatungsstellen und Hilfseinrichtungen und ebenso bundesweite Hochrisikofallkonferenzen. Die Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski, betont einerseits, die türkis-grüne Regierung habe "zahlreiche Maßnahmen im Regierungsprogramm vereinbart", um die Gewaltprävention in Österreich zu stärken. Andererseits sei dem "massiven Problem Männergewalt" in Österreich in der Vergangenheit nicht mit der "notwendigen Entschlossenheit begegnet" worden, so Disoski in einer Aussendung.

Die türkis-blaue Vorgängerregierung hat die sogenannten Fallkonferenzen und damit einen quantitativen Status quo in der Gewaltprävention abgeschafft, der jetzt wieder eingeführt werden muss. 2018 stoppte das Innenministerium ein Projekt zu Fallkonferenzen, bei denen Hochrisikogewaltfälle gegen Frauen von Polizei, Justiz und Interventionsstellen untersucht wurden. Die Begründung lautete, die Evaluation des Pilotprojekts habe gezeigt, dass der erhoffte Nutzen nicht erzielt worden sei. Mit dem 2020 geschnürten Gewaltschutzpaket wurde die Wiedereinführung von Fallkonferenzen beschlossen.

Neue Maßnahmen

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) betont stets, Österreich habe ein gut ausgebautes Netz an Hilfseinrichtungen in allen Bezirken – mit mehr als 170 Frauen- und Mädchenberatungsstellen und neun Gewaltschutzzentren, die betroffenen Frauen und ihren Kindern Hilfe und Schutz bieten. Das Frauenbudget konnte sie seit einem stagnierenden Budget von zehn Millionen Euro auf 14,65 Millionen für das Jahr 2021 erhöhen.

Im Zuge des jüngsten Femizids verwies Justizministerin Alam Zadić auf einige neue Maßnahmen im Gewaltschutz: eine finanzielle Stärkung der Prozessbegleitung und dass Opfer von häuslicher Gewalt vor Gericht auch von Opferschutzeinrichtungen vertreten werden. Außerdem wurde Mitte April beschlossen, dass bei der Ausbildung von Richter*innen und Staatsanwält*innen ein Schwerpunkt auf Gewalt gegen Frauen gelegt werden soll.

Gewaltschutzexpertin Maria Rösslhumer vom Verein der Autonomen Frauenhäuser begrüßt diese Maßnahmen. Das genaue Konzept der geplanten Vertretung von Gewaltbetroffenen durch Opferschutzeinrichtungen kennt sie zwar noch nicht, aber das sei "grundsätzlich eine sehr gute und wichtige Maßnahme", so Rösslhumer auf Nachfrage des STANDARD. Die Opferschutzeinrichtungen kennen die betroffenen Frauen gut, haben sie lange betreut – und deshalb wäre es sinnvoll, sie auch direkt bei Gerichtsverhandlungen vertreten zu können. Frauen müssten so nicht zum x-ten Mal alles erzählen und hätten eine Vertrauensperson bei sich. Zur belastenden Situation vor Gericht erleben Frauen dort manchmal auch noch Schuldzuweisungen an sie als Betroffene, also Victim-Blaming.

Stärkung der Prozessbegleitung

Die kürzlich beschlossene Sensibilisierung bei der Ausbildung von Richter*innen und Staatsanwält*innen sei deshalb extrem wichtig. "Alle Justizbeamt*innen müssen endlich wissen, was Gewalt ist, was sich abspielt in einer Gewaltbeziehung", sagt Rösslhumer. Frauen bekämen hier zu wenig Unterstützung durch die Justiz. Voraussetzung sei aber, dass die Sensibilisierungsmaßnahmen in der Ausbildung verpflichtend für die angehenden Richter*innen und Staatsanwält*innen sind.

Zur finanziellen Stärkung der Prozessbegleitung sagt Rösslhumer, dass es das "gerade jetzt" brauche. In Corona-Zeiten sei es noch viel schwieriger für Frauen geworden, Anwaltskosten oder Gutachten zu finanzieren. Nicht zuletzt deshalb brauche es viel mehr Investition in den Gewaltschutz, denn "Corona vermehrt und steigert die Gewalt enorm", sagt Rösslhumer. Ob und wie schnell die bisher getroffenen Maßnahmen wirken, wird sich erst zeigen. Fest steht, dass indessen mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zahlreiche Frauen die an ihnen ausgeübte Gewalt nicht überleben werden. (Ana Grujić, Beate Hausbichler, 27.4.2021)