Über das interdisziplinäre Projekt, bei dem metallische Selbstklinger, ihre Funktion und ihr akustischer Einfluss auf das tägliche Leben der Menschen in Mitteleuropa von 800 v. Chr. bis 800 n. Chr. im Mittelpunkt stehen, haben wir bereits berichtet. Dabei liegt der Fokus vor allem auf den psychischen Auswirkungen von Klängen, weshalb auch eng mit der Musikpsychologie zusammengearbeitet wird. Dies ist ein noch relativ neues Forschungsfeld, in dem die psychoakustische Wirkung an Probanden beobachtet wird. Doch diese Wirkung zeigt sich auch in der eng mit der Musik zusammenhängenden Bewegung, dem Tanz.

Dazu erfuhr das bisher vor allem akustische Erlebnis des Projektes nun eine optische Erweiterung durch das Video "Imagination of Dance in Hallstatt Culture", in dem anhand von urgeschichtlichen Funden und Befunden Musik und Tanz der Eisenzeit rekonstruiert und miteinander verbunden werden. Wie kann so etwas Lebensnahes wie Musik und Tanz aus der Ur- und Frühgeschichte in unsere Zeit transportiert werden? Deshalb habe ich Projektleiterin Beate Maria Pomberger im Naturhistorischen Museum Wien, wo das Projekt verhaftet ist, zum Gespräch getroffen und sie über Tanzschritte, Melodien und Kostüme ausgefragt.

ArchäoMusik Vienna

Auf der Suche nach einer Melodie

Das Video "Imagination of Dance in Hallstatt Culture" verbindet gekonnt die akustische Rekonstruktion urgeschichtlicher Klänge mit Darstellungen hallstattzeitlicher Tänze. Doch woher weiß man das alles? Die Musikarchäologin Beate Maria Pomberger beschäftigt sich seit Jahren mit dem experimentalarchäologischen Nachbau urgeschichtlicher Instrumente und spielt sie auch gemeinsam mit ihrem Ensemble ArchäoMusik Vienna. Dabei wird darauf geachtet, dass die Nachbauten in allen aus Funden bekannten Parametern so genau wie möglich rekonstruiert sind. Das betrifft zum Beispiel die Größe, das verwendete Holz als auch die genaue Legierung der Metallteile. Doch woher nimmt man die Melodie, wenn man die Musik einer schriftlosen Zeit nachstellen möchte?

"Diese ist modern, es handelt sich um den 'Lahnsattler Holzknecht', ein altes Volkslied", so Pomberger, "wir wollten melodisch weg von den keltischen Liedern aus dem irisch-schottischen Raum, die normalerweise für solche Instrumente gern herangezogen werden." Damit war die akustische Seite klar und mit einem Dreierschritt/Wechselschritt die erste Grundlage für die tänzerische Seite geschaffen.

Das Ensemble ArchäoMusik Vienna spielt zum Tanz auf, die Ausstattung der Tänzerinnen ist textilarchäologisch rekonstruiert.
Foto: ArchäoMusik Vienna

Bewegte Bilder und klingende Tracht

Als Bildquellen für die Bewegungen wurden Gefäßfunde aus den eisenzeitlichen Grabhügeln von Sopron-Várhely (Ungarn), Frög (Österreich) und Basarabi (Rumänien) herangezogen. Aus diesen insgesamt neun Abbildungen stellte Pomberger ein Grundgerüst zusammen und verband sie durch Bewegungen, mit denen sich diese Einzelposen erreichen ließen. Die Choreografie kreierte sie zu einer ersten Aufnahme des gewählten Liedes der ArchäoMusik Vienna

Die Bewegungen sind zudem abgestimmt auf die eisenzeitlichen Trachten: "Wer genau hinhört, kann die Tänzerinnen am Klang unterscheiden, den die jeweiligen Schmuckstücke erzeugen. Die Klänge der Klapperbleche wiederum ergänzen die Melodie und verändern diese." Der Schmuck wird durch Schulter- beziehungsweise Hüftbewegungen bewegt und ist in seiner Zusammenstellung, wie auch die Trachten der Tänzerinnen, von der Textilarchäologin Karina Grömer nach Originalfunden und -abbildungen rekonstruiert. Dabei handelt es sich Trachtausstattungen nach Funden aus der Höhle von Býčí skála (Tschechien) und dem Gräberfeld Hallstatt (Österreich). Die Wechselwirkung zwischen Melodie, Bewegung, Tracht und erzeugten Klängen zeigen, wie komplex das Gesamtkonstrukt Musik und Tanz ist.

Die Verbindung von Klang und Bewegung

Die Tänzerinnen Georgina Babinszki und Theresa Prem rekrutierte Pomberger aus dem Künsterinnenkreis, sie suchte gezielt nach Frauen mit guter Körperhaltung und Freude am Tanz. Das Video wurde nach zwei Probedurchläufen direkt mit zwei Kameras simultan aufgenommen, um die Musiker und Musikerinnen auch bildlich beim Spielen in das Video mit einzubeziehen. Es spielt das Ensemble ArchäoMusik Vienna mit Pomberger an der Osthallstatt-Leier, Ingrid Wagner-Kraft an der Schirndorf-Leier und Bernhard Winkler an der Rahmentrommel. Für die Projektleiterin war der Dreh eine anspruchsvolle Aufgabe. "Die Herausforderung war, alles gleichzeitig im Auge zu behalten", berichtet Pomberger. "Trotz allem war das Video in nur drei Stunden abgedreht."

Die auf den urgeschichtlichen Gefäßen abgebildeten Positionen wurden in der Choreografie zum Leben erweckt.
Foto: A. Schumacher - NHM Wien/ Archaeological Sounds
Auf den Gefäßverzierungen sieht man die beiden Tänzerinnen, eine mit erhobenen Armen, eine klatschend und die spielenden Musikerinnen und Musiker.
Foto: A. Schumacher - NHM Wien/ Archaeological Sounds
Eine weitere Tanzposition.
Foto: A. Schumacher - NHM Wien/ Archaeological Sounds

In den Projektkontext fügt sich das Endergebnis ein, indem es die Brücke schlägt zwischen urgeschichtlichen Instrumenten und ihren Klängen, der Mode dieser Zeit und der Wirkung von Klang und Bewegung auf die Psyche des Menschen, damals wie heute. Aus den statischen Abbildungen von Bewegungen und Kleidung, den stummen Funden und Darstellungen von Instrumenten entsteht ein bewegtes und hörbares Gesamtbild, das einen erlebbaren Eindruck vom Alltag einer eisenzeitlichen Gesellschaft erzeugt und ein durch alle Zeiten für den Menschen wichtiges Thema aufgreift. (Fiona Poppenwimmer, Beate Maria Pomberger, 29.4.2021)