Clemens Martin Auer wurde am Dienstag im Parlament befragt.

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Wien – Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, das Protokoll noch nicht angefertigt – also muss man sich bei den Sitzungen des "kleinen Untersuchungsausschusses" im Parlament auf die Schilderungen von Teilnehmern verlassen. Das lohnt sich bei der Auskunftsperson, die am Dienstag im ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses Platz nahm: Clemens Martin Auer, Spitzenbeamter im Gesundheitsministerium – und bis Mitte März Impfkoordinator.

Die Umstände, unter denen er diesen Posten räumen musste, dürften bei Auer Narben hinterlassen haben. Anfang März empörte sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ja auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz darüber, dass rund um die Impfstoffverteilung in der Europäischen Union ein "Basar" aufgebaut worden sei, weil sich Mitgliedsstaaten untereinander Impfstoffdosen abkaufen konnten.

"Das hat ihm sehr wehgetan"

Dass die ÖVP deswegen öffentlich Auers Suspendierung forderte, kränkte den eigentlich VP-nahen Beamten erheblich – zumindest hat er das laut mehreren Sitzungsteilnehmern so erzählt: Denn für die Suspendierung eines Beamten müssen in der Regel straf- oder dienstrechtliche Verfehlungen nachgewiesen werden. "Das hat ihm sehr wehgetan", sagt ein Mandatar.

Nach der offiziellen Erzählweise der Regierung habe Auer im März ja selbst seinen Rückzug angeboten. An dieser Darstellung sind nach der Schilderung von Anwesenden Zweifel angebracht; Auer habe sich "sehr betroffen" und "hochemotional" gezeigt.

Widerspruch zu Kurz?

Keine eindeutige Einschätzung gibt es von den Beobachtern zur Frage, wie stark Auer dem Kanzler in seiner Befragung widersprochen hat. Einige wollen Zweifel herausgehört haben, ob Kurz im Vorfeld tatsächlich nichts vom "Basar" gewusst haben kann. Nach wie vor dürfte Auer bei seiner Darstellung bleiben, dass die bestellten Impfdosen ausreichend gewesen seien.

Die Opposition war sich in ihrer Interpretation von Auers Aussagen jedenfalls einig. In einem gemeinsamen Pressestatement nach der Sitzung verwiesen die jeweiligen Fraktionsführer von SPÖ, FPÖ und Neos auf angebliche Widersprüche zwischen Kurz und Auer.

Impfkostendeckel "fatal"

Die budgetäre Begrenzung von 200 Millionen Euro für die Beschaffung von Impfstoffen sei ein "fataler Fehler" gewesen, das sei nun klar, sagte Karin Greiner (SPÖ). "Hätte Österreich die vollen Kontingente ausgeschöpft, die zur Verfügung gestanden sind, dann hätten wir dieses Desaster jetzt nicht", sagt die Abgeordnete. Die ÖVP bestreitet freilich, dass der "Impfkostendeckel" eine tatsächliche Begrenzung dargestellt hätte.

"Der Bundeskanzler sagt hier offensichtlich die Unwahrheit", glaubt auch Wolfgang Zanger von der FPÖ. Auer sei ein "Bauernopfer" gewesen. Dass der Kanzler nichts von den zusätzlichen Beschaffungsmöglichkeiten auf EU-Ebene gewusst haben soll, hält er für "nicht nachvollziehbar". Immerhin habe Auer sein Ministerium darüber informiert.

Auch Douglas Hoyos (Neos) sieht erwiesen, "dass die öffentliche Darstellung von Sebastian Kurz" in der Impfstoffdebatte "sehr klar nicht so stattgefunden hat". Das Bild, "dass der Herr Auer alles allein entschieden hat", entspreche nicht der Realität und sei weltfremd. "Wenn Sebastian Kurz sagt, er ist ahnungslos, was die Impfungen betrifft, dann ist er ganz allein selbst für seine Ahnungslosigkeit verantwortlich." (Sebastian Fellner, 27.4.2021)