Der Randring-Perlmuttfalter ist ein Verlierer der agrarischen Intensivierung. Dieser Schmetterling braucht Feuchtwiesen, die es im Salzburger Land kaum noch gibt.

Foto: Jan Habel

Sie sind kurzlebig und fragil und reagieren schnell und sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraums: Schmetterlinge sind ein Sinnbild für Verwandlung. Weil viele Schmetterlingsarten ganz bestimmte Lebensräume benötigen und als Raupen spezielle Pflanzen fressen, zeigen sie auch einen Wandel in unserer Umwelt an. "Sie sind ein Frühwarnsystem für den Zustand ihrer Lebensräume – und der Landschaft, in der wir leben", sagt der Biologe Jan Christian Habel.

Diese Veränderungen hat ein Team von Wissenschaftern rund um Habel an der Uni Salzburg zusammen mit dem Haus der Natur in einer Langzeitstudie untersucht. Die Ergebnisse sind erschreckend: In den letzten 40 Jahren ist ein Drittel der Tagfalterarten aus dem Alpenvorland und dem Salzburger Becken verschwunden. Gut die Hälfte der noch vorhandenen Schmetterlinge im Salzburger Land befindet sich in einem kritischen Erhaltungszustand.

Almen als wertvolle Lebensräume

Die Vielfalt der Schmetterlinge ging besonders in den tieferen Lagen drastisch zurück, die besonders von Zersiedelung und intensiver Landwirtschaft betroffen sind. In höheren Lagen, wo die Hänge steil sind und eine agrarische Intensivierung nicht möglich ist, geht es den Faltern noch vergleichsweise gut.

Doch auch das Aufgeben ehemals extensiv bewirtschafteter Flächen führe zu einem Rückgang der Artenvielfalt, sagt Habel. Denn die Landwirtschaft auf den Almen in höheren Lagen schaffe wertvolle Lebensräume. Wird dort nichts mehr gemacht, wachsen die Wiesen zu und verbuschen.

Der Seewaldsee südlich der Osterhorngruppe im Salzburger Tennengau etwa sei ein Ort mit einer unglaublichen Artenvielfalt gewesen. Die Auswertung der Luftbilder habe gezeigt, dass alles zuwachse und der Wald zurückkomme. Die Bewaldung habe um 50 Prozent zugenommen, früher gab es dort ein Mosaik aus Offenland, Wald und Wiesen.

Auch auf den Salzburger Stadtbergen, dem Gaisberg und dem Heuberg, würden die wertvollen Übergänge zwischen Wald und Wiese heute fehlen. Der Maivogel, auch Eschen-Scheckenfalter genannt, habe sich an diese Übergänge angepasst, deshalb gebe es ihn fast nicht mehr, sagt Habel.

Datenschatz im Haus der Natur

Für die Studie wurden die Schmetterlingsfauna und die Landnutzung der letzten 40 Jahre untersucht. Dazu konnten Habel und sein Team auf die große Datensammlung des Salzburger Naturkundemuseums Haus der Natur zurückgreifen. Tausende Schmetterlingsfundorte seien darin verzeichnet. "Das ist wirklich ein Schatz", sagt Habel.

Der Insektenforscher und Leiter der Abteilung für Entomologie, Patrick Gros, habe die Datenbank über die Jahre gepflegt. Diese Schmetterlingserhebungen aus den letzten 40 Jahren wurden mit hochauflösenden Landnutzungsparametern sowie Klimadaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) zusammengebracht und analysiert.

Nicht nur Schmetterlingsarten seien verschwunden, auch bei den Individuen gebe es einen Rückgang. "Wo früher 20 Schmetterlinge bei einem Flieder flogen, sind es heuer fünf", nennt Habel ein Beispiel. Die Schmetterlinge seien ein Modellorganismus, erläutert der Professor für Zoologische Evolutionsbiologie. Ihr Rückgang bedeute auch, dass die Insekten generell und mit ihnen die Artenvielfalt zurückgehe.

Effekte auf andere Tierarten

Das habe wiederum Effekte auf Vögel, Fledermäuse und andere Arten, denen eine Nahrungsgrundlage wegfalle, sowie bestimmte Pflanzen, die sie zur Bestäubung brauchen. Fallen die Insekten als Bestäuber in der Masse weg, funktioniert diese Dienstleitung der Natur nicht mehr. "Es kann zum Kollaps kommen wie in China, wo bereits handbestäubt wird", sagt Habel.

Doch der Zoologe will nicht nur schwarzmalen. Denn es könne noch viel gegen das Sterben der Schmetterlinge getan werden, betont Habel. "Dafür müssen ihre Lebensräume wieder hergestellt werden und große Felder eine Durchlässigkeit bekommen."

Haupttreiber des Rückgangs war die Intensivierung der Landwirtschaft. Setzte man mehr auf Qualität statt auf Quantität, biologische und extensive Landwirtschaft mit weniger Mahd, könne viel erreicht werden.

Blühangebot im Garten

Einige kommunale und städtische Grünflächen sollten nur einmal oder gar nicht gemäht werden. "Dass muss man beschildern mit einer Infotafel, dass es nicht unordentlich ist, sondern ein Lebensraum", sagt der Zoologe.

Auch einzelne Personen mit Garten könnten etwas tun: ein Blühangebot schaffen, um Insekten anzulocken, und bestimmte Bereiche im Garten einfach nicht mähen. "Das Wichtigste ist Ruhe und keine Störung", sagt Habel.

Auch in Naturschutzgebieten existiere ein Großteil des ursprünglichen Artenreservats nicht mehr, obwohl sie gemanagt würden. "Sie sind viel zu klein und zu isoliert. Schmetterlinge können sich nur für einen begrenzten Zeitraum in diesen kleinen Lebensräumen halten", sagt Habel. Es brauche einen effizienten Biodiversitätsschutz, bei dem die ganze Landschaft betrachtet werden müsse.

Falter als Bergsteiger

Und welchen Einfluss hat der Klimawandel? Er lasse Schmetterlinge zwar wandern, sei aber kein treibender Faktor, der zum Verlust der Arten führe, wie die Landwirtschaft, erläutert der Biologe.

Besonders im Salzburger Land, wo es viele Berge gibt, zeige sich der Effekt, dass sämtliche Gebirgsarten um rund 300 bis 400 Meter in die Höhe gewandert sind. Sie wandern also mit ihren Lebensräumen nach oben.

"Das können sie aber nur eine begrenzte Zeit lang, denn irgendwann sind sie auf dem Gipfel angelangt und können nicht mehr ausweichen", sagt Habel. Dann sei die Frage, ob sie sich anpassen können oder aussterben. Aber immerhin: Es gebe auch Schmetterlingsarten, die nun aus dem mediterranen Raum zu uns wandern. (Stefanie Ruep, 28.4.2021)