Erna und Helmut bei ihrer Hochzeit im Jahr 1932.

Foto: sagamedia Film- und Fernsehproduktion

München/Münster – Als Erna und Helmut einander treffen, ist es die große Liebe. Es ist das Jahr 1929 und die Zukunft scheint rosig. 1932 erfährt die Medizinstudentin, dass ihre Mutter Jüdin ist. Ein Problem im Deutschland an der Schwelle zum Nationalsozialismus. Wie sollen sie sich und ihre Kinder durch diese schlimme Zeit bringen? Davon erzählt der Dokumentarfilm "Eine Familie unterm Hakenkreuz" am Donnerstag (29. April) um 20.15 Uhr auf Arte. Bis Ende Juli ist er in der Mediathek verfügbar.

Hunderte Briefe und mehr als neun Stunden privates Filmmaterial hat die Familie zur Verfügung gestellt. Das Filmporträt von Jutta Pinzler zeichnet die Geschichte der Familie aus dem Münsterland nach. Von ersten Liebesschwüren über die Widerstände gegen ihre Heirat, die Geburt der drei Söhne und den Beginn des Zweiten Weltkrieges, als sich Helmut freiwillig als Soldat meldet. Denn der Mediziner will sich in den Kämpfen als besonders tapfer erweisen in der Hoffnung, dass Adolf Hitler seine Kinder dann für "deutschblütig" erklärt, also zu Ariern.

Briefe über Fortschritte der Wehrmacht

Der Film zeigt die Kompromisse, die Helmut Machemer dafür einging. Zweifel am Nazi-Regime hatte er wohl nicht und schrieb begeisterte Feldpostbriefe über die Fortschritte der Wehrmacht. Er habe eine "naive Vorstellung" von Hitler gehabt, sagt Hans Machemer, der mittlere Sohn des Paares. Sein Vater unterstützte die Macht- und Eroberungsfantasien und schrieb im September 1941 aus der Ukraine, wo die Wehrmacht grausame Verbrechen beging, man werde dieses Land nicht dem Volk dort überlassen, "sondern es durch Deutsche bebauen lassen".

Gleichzeitig gehen Risse quer durch die Familie. Ernas Vater etwa hatte seine Ehefrau unter Druck gesetzt, ihr Judentum der Tochter gegenüber zu verschweigen. Erna selbst habe gelitten unter der Vorstellung, nicht deutschblütig zu sein. "Wohin gehört dann Blut, Gefühl, Sinn und Geist?", notierte sie.

Helmut Machemer setzt sich aus Liebe über sämtliche Widerstände hinweg und heiratet Erna 1933 trotzdem. Seinen Job als Augenarzt an der Universität Münster verliert er und praktiziert fortan in Stadtlohn. Auch hier wird die Lage wegen seiner Ehefrau schwieriger, die Patienten weniger. Bald darf er nur noch privat behandeln.

Moralisches Dilemma

Der Film wirft eine komplizierte Frage auf. Darf man mit einem verbrecherischen Regime wie dem der Nazis kooperieren, um sich selbst zu retten? Auch Hans Machemer, der so wie seine Mutter und seine zwei Brüder der Deportation entging, sucht nach Antworten. "Was hätte ich getan? Das ist eine sehr schmerzende Frage, ich weiß nicht ob ich besser gehandelt hätte." Schweigen sei aber keine Lösung. So wie seine Mutter, die den Söhnen nichts erzählte. Erst als sie später die Briefe fanden, erfuhren sie alles. Doch das sei gefährlich. Wenn so etwas nicht aufgearbeitet werde, gehe nach zwei Generationen alles wieder von vorne los, sagt Machemer im Film. (APA, dpa, 27.4.2021)