Obwohl globale Katastrophen durch Asteroideneinschläge auf der Erde extrem selten auftreten, kommen weniger dramatische Treffer relativ regelmäßig vor. Verschiedene Untersuchungen haben unter anderem auf Basis der datierbaren Impaktstrukturen auf dem Mond entsprechende Wahrscheinlichkeiten errechnet. Einschläge von Zehn-Kilometer-Brocken wie jener, der vor 66 Millionen Jahren den Chicxulub Krater in Mexiko schuf und den Dinosauriern und vielen anderen Arten ein Ende bereitet hat, kommen demnach etwa alle 100 Millionen Jahre vor.

Ein-Kilometer-Felsen alle fünf Millionen Jahre

Rund einen Kilometer durchmessende Asteroiden treffen die Erde alle ein bis fünf Millionen Jahre. Und mit Ereignissen wie jener von einem 50-Meter Objekt verursachten Katastrophe, bei der 1908 nahe des Steinigen Tunguska-Flusses in Sibirien tausende Quadratkilometer Wald niedergemäht wurden, kann man alle 100 bis 1.000 Jahre rechnen.

Video: Die Animation zeigt einen Asteroiden, der sich der Erde nähert und sie glücklicherweise verpasst. Die rot aufleuchtenden Punkte verdeutlichen, von wo aus die beiden Teleskope TBT1 und TBT2 nach Gefahren aus dem All Ausschau halten.
European Southern Observatory (ESO)

Der Meteor von Tscheljabinsk im Jahr 2013, bei dem etwa 1.600 Menschen verletzt wurden, die meisten durch umherfliegende Splitter und Glasscherben, gehört in die selbe Kategorie und hat das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Bedrohung durch erdnahe Objekte weiter geschärft. Die Bahnen der bekannten großen Asteroiden sind bereits gründlich untersucht – und von keinem sind wir unmittelbar bedroht. Selbst der Asteroid Apophis, der lange Zeit als riskanter Brocken beurteilt wurde, ist vor wenigen Wochen erst von der Esa-Liste für gefährliche Objekte gestrichen worden.

Unerkannte Killerbrocken

Problematisch sind also in Wahrheit nicht die bekannten erdnahe Asteroiden, sondern jene, die noch unerkannt ihre Kreise um die Sonne ziehen. Viele Experten sind davon überzeugt, dass es Tausende solcher Asteroiden gibt, die zwar klein genug sind, um sie leicht zu übersehen, aber groß genug, um bei einem Treffer auf der Erde fürchterliche Schäden zu verursachen, insbesondere, wenn sie über einem bewohnten Gebiet herunter kommen. Umso wichtiger sei daher die fortwährende Beobachtung des Nachthimmels, so die Experten.

Der Standort des neuen Teleskops (gelbes Quadrat) auf dem 2.400 Berg La Silla in der chilenischen Atacama-Wüste.
Foto: I. Saviane/ESO

Neues Teleskop zur Asteroidenbeobachtung

Als Teil dieser weltweiten Anstrengungen, erdnahe Objekte zu erfassen und zu identifizieren, hat das Test-Bed Telescope 2 (TBT2) der Europäischen Weltraumorganisation ESA einen Technologieprototypen am La Silla-Observatorium der ESO in Chile in Betrieb genommen. Zusammen mit seinem Partnerteleskop der nördlichen Hemisphäre wird TBT2 den Himmel nach Asteroiden absuchen, die eine Gefahr für die Erde darstellen könnten, und dabei Hard- und Software für ein zukünftiges Teleskopnetzwerk testen.

"Um das Risiko von potenziell gefährlichen Objekten im Sonnensystem berechnen zu können, müssen wir zunächst eine Zählung dieser Objekte durchführen. Das TBT-Projekt ist ein Schritt in diese Richtung", sagt Ivo Saviane, der Standortleiter des La Silla-Observatoriums der ESO in Chile.

Das Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen der ESO und der ESA, "ist ein Prüfstand, um die Fähigkeiten zu erproben, die erforderlich sind, um erdnahe Objekte mit demselben Teleskopsystem zu entdecken und zu verfolgen", sagt Clemens Heese, Leiter der Sektion Optische Technologien der ESA, der dieses Projekt verantwortet.

Das neue Test-Bed Telescope 2 befindet sich in der glänzenden weißen Kuppel am La Silla Observatorium der ESO in Chile.
Foto: I. Saviane/ESO

Robotisches Himmelsauge

Das 56-cm-Teleskop am ESO-Standort La Silla und sein baugleiches Gegenstück TBT1 an der ESA-Bodenstation Cebreros in Spanien werden als Vorläufer des geplanten "Flyeye"-Teleskopnetzwerks fungieren, einem eigenständigen Projekt, das die ESA zur Durchmusterung und Verfolgung sich schnell bewegender Objekte am Himmel entwickelt.

Dieses zukünftige Netzwerk wird vollständig robotergesteuert sein. Eine Software wird die Planung der Beobachtungen in Echtzeit durchführen und schließlich die Positionen und weitere Informationen über die entdeckten Objekte melden. Das TBT-Projekt soll zeigen, dass die Software und die Hardware wie erwartet funktionieren.

"Mit dem Beginn der Beobachtungen von TBT2 auf La Silla wird das Beobachtungssystem in der vorgesehenen Zwei-Teleskop-Konfiguration arbeiten und damit endlich die Ziele des Projekts erfüllen", ergänzt Heese. Sobald das geplante Netzwerk voll einsatzfähig ist, wird es den Nachthimmel nach sich schnell bewegenden Objekten absuchen können und stellt damit einen bedeutenden Fortschritt in der Fähigkeit Europas dar, potenziell gefährliche erdnahe Objekte zu erkennen. (red, 27.4.2021)