21 Prozent Mindeststeuer für Digitalkonzerne oder doch nur 15 Prozent? Experten halten den höheren Satz ebenso für unrealistisch wie maßgebliche Regierungskreise in Berlin.

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Berlin/Paris – Deutschland und Frankreich wollen die von der US-Regierung ins Spiel gebrachte weltweite Mindeststeuer für Unternehmen von 21 Prozent mittragen. "Persönlich hätte ich nichts gegen den US-Vorschlag einzuwenden", sagte Finanzminister Olaf Scholz in Interviews mit Zeit Online und Le Figaro. "Sollte das das Ergebnis der Verhandlungen sein, wären auch wir damit einverstanden", pflichtete ihm sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire bei.

Beide zeigten sich zuversichtlich, dass es im Sommer zu einer Verständigung in der Debatte über eine Reform des internationalen Steuerwesens kommen könnte. Diese wird im Rahmen der Industriestaatenorganisation OECD für 140 Länder geführt. Ziel ist eine gerechtere Besteuerung großer Konzerne, allen voran Digitalunternehmen wie Google, Apple, Facebook und Amazon.

Gemeinsam statt Alleingang

In dem Fall würde Frankreich die bereits verabschiedete Digitalsteuer wieder streichen, kündigte Le Maire an: "Sobald es ein internationales Abkommen sowohl zur Digitalsteuer als auch zur Mindestbesteuerung geben wird, werden wir unsere nationale Digitalsteuer zurückziehen. Aber lassen Sie mich hier sehr deutlich sein: Für den Fall, dass es keine Einigung auf internationaler Ebene gibt, werden wir sie beibehalten."

Der deutsche Wirtschaftsweise Volker Wieland hält es grundsätzlich für sinnvoll, Prinzipien der internationalen Besteuerung zu koordinieren und einheitlich umzusetzen: "Damit kann schädliches Steuervermeidungsverhalten etwa durch extreme Gewinnverlagerungen effektiv begrenzt werden."

Ort des Konsums

Eine Möglichkeit wäre, statt nach dem Ort der Unternehmensgewinne nach dem Ort des Konsums zu besteuern, also ein Bestimmungslandprinzip anzuwenden. "Mindeststeuersätze allerdings, insbesondere solch hohe Sätze, würden einen ökonomisch sinnvollen Steuerwettbewerb unnötig einschränken", warnte Wieland. "Sie sind natürlich auch gegen schwächere und kleinere Länder gerichtet, die oft niedrigere Unternehmenssteuersätze haben und noch lange nicht wirtschaftlich zu den führenden Industriestaaten aufgeholt haben." Sie unterbänden dort Möglichkeiten, über Steueranreize Industrie anzusiedeln.

Es sei durchaus im deutschen und europäischen Interesse, wenn Entwicklungs- und Schwellenländer arbeitssuchenden Menschen Beschäftigungsmöglichkeiten böten, statt dass diese versuchen, illegal in Industriestaaten einzuwandern. "Dazu sind Unternehmenssteuersätze unter 21 Prozent ein Instrument", sagte Wieland.

Zwischen Irland und Washington

Experten halten 15 Prozent für realistisch als Kompromiss zwischen der irischen Körperschaftssteuer (12,5 Prozent) und den vorgeschlagenen 21 Prozent, skizzierte Daniel Bunn von der in Washington ansässigen Stiftung Tax Foundation die Bandbreite. In Deutschland liegt die Belastung für viele Firmen bei mindestens 30 Prozent, die österreichische Körperschaftssteuer beträgt 25 Prozent, soll im Rahmen der Steuerreform aber stufenweise gesenkt werden.

Positive Signale auch aus Österreich

Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) signalisierte Zustimmung. Ein weltweiter Mindeststeuersatz von 21 Prozent sei "ein konstruktiver Zugang". Mehr Steuergerechtigkeit zwischen digitalen und analogen Geschäftsmodellen sowie faire Rahmenbedingungen würden auch heimischen Betrieben helfen, "daher begrüßen wir den US-Vorschlag grundsätzlich", auch wenn die Höhe des Mindeststeuersatzes noch offen sei. Der Alleingang mit der im Vorjahr eingeführten Steuer auf Onlinewerbeerlöse sei stets als Ersatz gedacht gewesen – bis zu einer Lösung auf internationaler Ebene, betonte Blümel.

Biden will den US-Körperschaftssteuersatz auf 28 Prozent anheben – auch deshalb der Vorstoß für 21 Prozent und nicht 15. (Reuters, red, 27.4.2021)