Der Klimawandel ist eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung unserer Zeit. Das sich rasch verändernde Weltklima hat der Menschheit vor Augen geführt, wie komplex die Vorgänge auf unserem Heimatplaneten miteinander verschränkt sind. Veränderungen auf der einen Seite der Erde können zu drastischen Ereignissen auf der anderen führen.

Doch das Klima der Erde war immer wieder durch massive Veränderungen geprägt. Manchmal sorgte wohl ein außerirdischer Impaktor blitzartig für völlig neue Bedingungen, wie vor 66 Millionen Jahren an der Grenze zwischen Kreidezeit und Paläogen. Andere Veränderungen liefen gradueller ab, vernichteten aber kaum weniger effektiv ganze Ökosysteme. Eine dieser globalen Umweltkatastrophen, die Karnische Krise in der Obertrias, hat ihre Spuren auch mitten in Österreich hinterlassen: in der Nähe von Lunz am See in Niederösterreich. Der Paläontologe Alexander Lukeneder vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) will nun im Rahmen von durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften und das Land Niederösterreich geförderten Projekten erforschen, welche Mechanismen zu dem Massensterben in den mesozoischen Ozeanen geführt haben.

Treibhausklima

Die Karnische Krise ist nach der geostratigrafischen Stufe des Karnium benannt und dauerte zwei Millionen Jahre. Ihr fiel vor rund 233 Millionen Jahren etwa ein Drittel aller marinen Arten zum Opfer. Gleichzeitig markiert der auch als "Karnische Feuchtphase" bekannte Zeitraum auch den Beginn des Siegeszugs der Dinosaurier – auch an Land führten die klimatischen Veränderungen also zu einer Revolution.

Vor 233 Millionen Jahren befanden sich in der Gegend von Lunz am See ausgedehnte Sumpfwälder und ein tropisches Meeresbecken.
Illustration: NHM

Auslöser der Katastrophe dürfte massiver Vulkanismus im Gebiet der heutigen Pazifikküste Kanadas und der USA gewesen sein. Hier lagerten sich in einem geologisch kurzen Zeitraum gewaltige Mengen Basalt ab: Über einen Kilometer dick und mehr als 2000 Kilometer lang ist die Schicht, die den Wrangellia-Terran bildete. Durch die vulkanische Aktivität erhöhte sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre drastisch, globale Erwärmung war die Folge. Während die Trias über weite Strecken ein von Trockenheit geprägtes Erdzeitalter war, kam es nun zu einem sprunghaften Anstieg der Niederschlagsmengen. Monsunartige Regenfälle spülten über Jahrtausende Sedimente in die Ozeane. Die Korallenriffe erstickten im eingebrachten Schlamm, und anoxische Meereswüsten breiteten sich am Grund aus.

Die Lunz-Formation bietet einen Blick in eine reiche mesozoische Flora.
Foto: NHM/Lukeneder

Konservatlagerstätte

Im Zentrum von Lukeneders Untersuchungen stehen Gesteine der Reingraben-Formation nördlich des Lunzer Sees. Hier sind kohleführende Sandsteine, die Lunz-Formation, aufgeschlossen, die für die darin enthaltenen Pflanzenfossilien berühmt sind. Unter den kohlehaltigen Ablagerungen liegen die tonigen Reingrabener Schichten. Diese sind fein geschichtet wie die Nougatkonfektwürfel eines bekannten Wiener Süßwarenherstellers und beinhalten eine Konservatlagerstätte von Weltrang. An dieser Stelle befand sich im Karnium ein Nebenbecken des Tethys-Meers.

Ein Aufschluss der Reingrabener Schichten. Die einzelnen Lagen werden zur Dokumentation markiert.
Foto: NHM/Lukeneder
Die Detailaufnahme zeigt ungefähr einen halben Meter der Reingrabener Schichten. Erkennbar ist die feine Schichtung der einzelnen Sedimentlagen.
Foto: NHM/Lukeneder

Das sogenannte Reiflinger Becken bot ideale Bedingungen für die Entstehung von Fossilien: Geringe Strömung und ein hoher Sedimenteintrag sorgten für eine optimale Einbettung, der Mangel an Sauerstoff im Wasser verhinderte die Zersetzung. Hier liegen Fossilien höchster Qualität in großer Zahl: Neben Ammoniten, Muscheln, Schnecken, Tintenfischen und Krebsen sind auch Borstenwürmer, Meerasseln und verschiedenste Fische mit allen Details erhalten. Sogar ein Lungenfisch wurde gefunden, der offenbar aus einem Fluss in das Meeresbecken eingespült wurde.

Ammoniten aus den Reingrabener Schichten.
Foto: NHM/Lukeneder

Kohlebergbau

Seit mehr als 140 Jahren sind die Schichten für ihren Fossilreichtum bekannt. Im späten 19. Jahrhundert wurde hier Kohle abgebaut, dabei wurden die fossilführenden Schichten entdeckt. Die Geologische Reichsanstalt und das Naturhistorische Museum gruben auf der Suche nach Fossilien vor und nach der Jahrhundertwende Stollen in den Berg, tausende Objekte wurden geborgen, doch zu einem guten Teil niemals aufgearbeitet.

Fische sind zwar seltener, aber in einem großen Artenreichtum vorhanden.
Foto: NHM/Lukeneder

Isotopenanalysen

Dies soll nun erfolgen. Neue Funde werden stratigrafisch dokumentiert und liefern damit Informationen, die bei den Altfunden weitgehend fehlen. Geochemische Untersuchungen der Sedimente und Fossilien, etwa durch die Analyse der Isotopenverteilung der Elemente Sauerstoff, Kohlenstoff und Strontium, ermöglichen Rückschlüsse auf den Sauerstoffgehalt, die chemische Zusammensetzung und die Temperatur des Wassers. Proben aus Lunz wurden bereits an diverse Institute in Italien, den USA, Japan und Deutschland geschickt.

NHMWien

In den einzelnen Schichten ist die Geschichte des dramatischen Wandels des Klimas vor 233 Millionen Jahren wie auf den Seiten eines Buchs niedergeschrieben. Sie erzählen vom Sterben der Riffe, der Entstehung sauerstoffarmer Todeszonen genauso wie von der Ausbreitung dichter Sumpfwälder mit Riesenschachtelhalmen, Farnen und Koniferen. (Michael Vosatka, 28.4.2021)