Nach einer weitestgehend erfolgreichen Impfkampagne gerät Premier Boris Johnson wegen einer Wohnungsrenovierung unter Druck.

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London – In Großbritannien wächst der Druck auf Premierminister Boris Johnson wegen der umstrittenen Renovierung seiner Dienstwohnung in der Downing Street. Es gebe den begründeten Verdacht einer oder mehrerer Straftaten, teilte die für die Überprüfung von Parteien- und Wahlkampffinanzierung zuständige Wahlkommission am Mittwoch mit. Deswegen werde ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Kurz darauf ernannte Johnson den ehemaligen Privatsekretär von Königin Elizabeth, Lord Christopher Geidt, zum Berater für Verhaltensregeln von Regierungsmitgliedern.

Alles dreht sich um die Dienstwohnung von Johnson.
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Nach Medienberichten soll Johnson den traditionellen Sitz des britischen Regierungschefs für rund 200.000 Pfund (230.000 Euro) umgestaltet haben. Dem Premier stehen jedoch nur 30.000 Pfund pro Jahr aus Steuermitteln für den Erhalt seiner Residenz zu. Kabinettsmitglieder haben versichert, dass Johnson die Arbeiten selbst bezahlt habe. Bisher ist aber unklar, wann er gezahlt haben soll und ob er dafür ein Darlehen aufgenommen hat. Nach den britischen Vorschriften hätte er einen derartigen Kredit anzeigen müssen.

Wahlkommission prüft

Vergangenen Monat versicherte eine Sprecherin von Johnsons Konservativer Partei, alle Spenden, Geschenke und Vorteile seien ordnungsgemäß deklariert worden. Von den Spenden an die Partei seien keine Gelder in die Renovierung geflossen. Die Wahlkommission will nun untersuchen, ob die finanziellen Transaktionen für die Renovierung in ihre Zuständigkeit fallen – und gegebenenfalls prüfen, ob diese vorschriftsmäßig gemeldet wurden.

Nach dem Willen von Johnson soll auch der Verhaltenskodex-Berater den Vorwürfen nachgehen. "Der Premierminister und Lord Geidt haben sich darauf geeinigt, dass Lord Geidt zunächst die Fakten rund um die Renovierung der Wohnung in der Downing Street untersuchen wird", hieß es in einer Stellungnahme der Regierung. Er solle den Premierminister beraten.

Vorwürfe von Ex-Berater Cummings

Zusätzlicher Druck kommt von Dominic Cummings, Johnsons wichtigstem Berater beim Brexit, mit dem sich der Regierungschef aber überworfen hat. Cummings erklärte vergangenen Freitag, Johnson habe gewollt, dass die Renovierung im Geheimen aus Spenden bezahlt werden solle. Er habe Johnson damals erklärt, dies sei "unethisch, dumm und möglicherweise illegal".

Für Johnson kommen die Ermittlungen der Wahlkommission zu einem schlechten Zeitpunkt, denn in einer Woche sind in England lokale Wahlen angesetzt. Zudem werden dann das schottische und das walisische Regionalparlament neu gewählt.

Der Premier selbst wies bei der wöchentlichen Fragestunde im Parlament am Mittwoch jegliches Fehlverhalten von sich: "Die Antwort ist, dass ich die Kosten selbst getragen habe", so Johnson.

Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour Party warf Johnson vor, die eigentliche Frage zu umgehen. Wesentlich sei, ob es eine Zwischenfinanzierung gegeben habe, so Starmer. Sollte sich herausstellen, dass Johnson nicht die Wahrheit sage, müsse er zurücktreten, mahnte der Oppositionschef.

Kritik wegen angeblicher pietätloser Äußerung

Die Fragen zur Finanzierung seiner Dienstwohnung sind aber nicht das einzige Thema, das Johnson derzeit Ärger bereitet. Auch Berichte über eine pietätlose Äußerung des Tory-Politikers reißen nicht ab. Demzufolge soll der Premier im vergangenen Jahr gesagt haben, er nehme lieber in Kauf, dass sich "die Leichen zu Tausenden türmen", als einen zweiten Lockdown in der Corona-Pandemie einzuführen. Johnson bestreitet, sich entsprechend geäußert zu haben – die BBC und andere Medien führen aber mehrere Insiderquellen an, die es mit eigenen Ohren gehört haben wollen. (APA, 28.4.2021)