Das umstrittene Forschungsprojekt ist bereits abgeschlossen, ein Nachfolger wird aktuell erprobt.

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Verdächtige Mimik oder "Mikrogesten" in der Körpersprache – solche will ein in einem EU-Forschungsprojekt erprobtes System erkennen und so verdächtiges Verhalten an den Grenzen aussortieren. Dokumente dazu wurden bewusst von der Öffentlichkeit zurückgehalten, um zu verhindern, dass dadurch nachteilige Effekte bei einer möglichen Umsetzung entstehen, wie die Rekonstruierung eines geschwärzten Papiers des zuständigen Konsortiums offenlegt.

Wer einreisen möchte, muss, so das Konzept, zunächst mit einem virtuellen Grenzbeamten in Kontakt treten und eine Reihe an Fragen beantworten. Diese drehen sich etwa um das Zielland der Person oder Fragen, wie die Reise finanziert wurde. Die Software, die Teil eines größeren Grenzmanagementprojekts ist, genannt iBorderCtr, will Unstimmigkeiten entdecken. In fraglichen Fällen sollen menschliche Grenzbeamte eingreifen, die diese dann aufklären sollen. Dabei wird statistisch ausgewertet, wie "verdächtig" eine Person ist.

Breite Öffentlichkeit "schwierig" zu nutzen

Der Sinn dahinter ist vor allem, analoge Grenzkontrollen so sehr wie möglich zu minimieren. Der deutsche EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) hat nun geschwärzte interne Dokumente technisch rekonstruiert, die zeigen, dass das Forschungskonsortium rund um das Luxemburger IT-Unternehmen European Dynamics bewusst eine öffentliche Debatte rund um das Projekt vermeiden wollte.

Der Grund: Es könne "schwierig sein, die breite Öffentlichkeit zu nutzen, um eine Umsetzung von iBorderCtrl zu erreichen". Diese könne nämlich der Meinung sein, dass die vorgeschlagenen Technologien "aufgrund ethischer Bedenken nicht genutzt werden sollten". Daher wurden Dokumente über das umstrittene Projekt nicht veröffentlicht. Daraufhin klagte Breyer vor dem EuGH, dessen Verfahren nun läuft. 2019 konnte die Investigativplattform "The Intercept" das System erproben – die Journalistin des Portals beantwortete alle Fragen wahrheitsgemäß, wurde aber nur zu 76 Prozent als glaubwürdig eingeschätzt. Aktuell werden im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts Trespass weiterhin anhand von Algorithmen "verdächtige" Einreisende ermittelt. (muz, 28.4.2021)