Für nur 70 Euro bietet die Evercade-Konsole Retrospielspaß für unterwegs.

Foto: STANDARD/Manakas

Allzu gerne verfangen sich Gamer in Diskussionen über die vermeintliche Wichtigkeit beeindruckender Grafik in Videospielen – obwohl es für den großen Erfolg primär ein unterhaltsames Gameplay braucht. Kein Wunder also, dass es einen immer größeren Markt für Retrospiele gibt. Ein besonders authentisches Erlebnis bietet dabei die Handheld-Konsole Evercade. Für knappe 70 Euro überzeugt diese mit offiziell lizensierten 8- und 16-Bit-Spielen von Publishern wie Namco und Atari. Im STANDARD-Test liefert sie trotz teils störender Schwächen ein rundes Paket zum kleinen Preis.

Wen der günstige Handheld ansprechen soll, wird spätestens bei genauerer Betrachtung der Spieleauswahl deutlich: nämlich Hardcore-Nostalgiker, die sich noch heute nicht an Klassikern aus den 1980er- und 1990er-Jahren sattgespielt haben. Unter den verfügbaren Titeln befinden sich zum Beispiel "Pac-Man", "Centipede", "Alien Brigade", aber auch prähistorische Sportspiele wie Ataris "Double Dunk". Die Titel kommen in nach Publisher sortierten Paketen, die für jeweils etwa 20 Euro gekauft werden können. Die Konsole wird allerdings stets mit Games ausgeliefert.

Kindheitserinnerungen

Nach dem Auspacken und dem Einlegen der gewünschten Cartridge kann sofort mit dem Spielen begonnen werden. Das Tastenlayout und das Feeling der Konsole erinnern dabei an Retrogrößen wie den Super Nintendo oder den Game Boy: Auf der Vorderseite findet man ein 4,3-Zoll-Display, ein Steuerkreuz und die von moderneren Controllern bekannten XYAB-Tasten. Außerdem gibt es für die Menüführung eine Select-, Start- und Menütaste und auf der Oberseite zwei Schultertasten (obwohl während des Tests nicht deutlich wurde, wofür Letztere nützlich sind).

Das klassische Design erinnert an beliebte Konsolen wie den Game Boy.
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Die Konsole liegt während des Spielens sehr gut in der Hand, die Schulter- und XYAB-Tasten haben einen guten Druckpunkt und wirken solide verarbeitet. Eher enttäuschend sticht hingegen das Steuerkreuz hervor. Insbesondere während des Spielens von Plattformern sorgte dieses wiederholt für Frust. Immer wieder passierte es in kniffligen Situationen nämlich, dass die eigene Spielfigur in den sicheren Tod stürzte, weil eine Eingabe fälschlicherweise doppelt registriert wurde. Ein Mangel, dem man nur mit besonders vorsichtigem Drücken der Tasten entgegenwirken kann.

Außerdem war anfangs nicht ganz klar herauszufinden, mit welcher Taste man in den Menüs ein Spiel starten kann oder wie man in das Hauptmenü zurückkehrt. Da man sich aufgrund des recht simplen Aufbaus nicht weit verirren kann, hat man diesbezüglich allerdings schnell den Dreh raus.

Backlight-Bleeding

Auch beim verbauten Display scheint leider etwas gespart worden zu sein. Bei Betrachtung ist nämlich das offensichtliche Backlight-Bleeding-Problem nicht zu übersehen. Stellen, die eigentlich dunkel sein sollten, leuchten dadurch relativ hell. Im Fall der Evercade scheinen dadurch die Ecken des Bildschirms stets unter maximaler Beleuchtung zu stehen. Zugegebenermaßen fielen diese während des Spielens allerdings nur selten auf. Während des Tests konnten sie den Spielspaß also glücklicherweise nicht allzu stark schmälern.

Besonders positiv stechen hingegen die hübsch gestalteten Cartridges hervor, die insbesondere bei Sammlern beliebt sein könnten. Es mag absurd klingen, doch allein der Prozess der Spieleauswahl, das Auswechseln der Kartusche und der anschließende Neustart versetzt einen gleich mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit des Gamings zurück. Eine Tatsache, die immer wieder kleine Freuden bereitet.

Auf der Rückseite der Konsole kann man die gewünschte Cartridge einschieben und sofort mit dem Spielen beginnen.
Foto: STANDARD/Manakas

Falls gewünscht, kann man außerdem auch am Fernseher spielen, die Konsole verfügt nämlich über einen Mini-HDMI-Anschluss. Ein entsprechendes Kabel wird allerdings nicht mitgeliefert und muss bei Bedarf zusätzlich erworben werden. Schade eigentlich.

Kleine Zielgruppe, großer Spaß

Verbringt man einige Zeit mit der Evercade, wird schnell sehr deutlich, dass es vermutlich eine nur sehr kleine, spezifische Zielgruppe für diese Konsole gibt. Es dürfte nämlich allerlei Videospiel-Fans geben, die von der – aus heutiger Sicht – veralteten Aufbereitung mancher Klassiker eher frustriert als unterhalten sein werden.

Unabhängig davon stellt sich die Frage: "Wieso extra eine Konsole kaufen, wenn ich diese Spiele einfach am Computer emulieren kann?" Ein berechtigter Einwand, dem die Hersteller das überzeugende Retro-Feeling, die klassische Handhabung und die Cartridges mit Nostalgiewert entgegensetzen können.

Fazit

Vor dem Kauf sollte also abgewogen werden. Denn die Schwächen der Konsole sind recht klar, technisch perfekt ist die Evercade keinesfalls. Interessierte, die über den Mangel einer besonders präzisen Steuerung nicht hinwegsehen können, sollten sich den Kauf also lieber zweimal überlegen. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass man für gerade mal 70 Euro ein wirklich rundes Retro-Gaming-Paket geliefert bekommt. Ein Preis, bei dem man über die einen oder anderen Schönheitsmängel vielleicht hinwegsehen kann.

Bei vielen Gaming-Nostalgikern dürfte der Handheld nämlich zumindest kurzfristig für Freude sorgen – und zur nostalgischen Reise in die Vergangenheit einladen. (Mickey Manakas, 1.5.2021)