Liefern lassen statt selbst schleppen: Online-Käufer schätzen vor allem den Komfort, gefolgt von oft niedrigeren Preisen.

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Insgesamt 116 Schließtage werden die Non-Food-Geschäfte in Wien und Niederösterreich hinter sich haben, wenn sie am 3. Mai öffnen. Im Burgenland sind es 104 Tage, die übrigen Bundesländer kommen auf 90 Tage harten Lockdowns. Bis kommenden Montag werden sich die Umsatzverluste der betroffenen Händler im Osten somit laut Handelsverband auf 1,95 Milliarden Euro erhöht haben.

Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Und so konnten sich Onlinehändler während der Lockdowns über ein boomendes Geschäft freuen, nachdem man schon in den Jahren vor der Pandemie dem stationären Handel zunehmend das Geschäft streitig gemacht hatte. So heißt es im Ende März veröffentlichten "E-Com Report Dach 2020" von Kantar Sifo im Auftrag des Zahlungsdienstleisters Nets Group, dass zwischen 96 und 98 Prozent der Österreicher, Deutschen und Schweizer im Vorjahr online eingekauft haben. Insgesamt sollen der Studie zufolge 38 Prozent der befragten Verbraucher seit Beginn der Pandemie häufiger online eingekauft haben als zuvor.

Umsätze schießen in die Höhe

In einer Studie des Zahlungsanbieters Paysafecard heißt es wiederum, dass 32 Prozent von insgesamt 154 befragten österreichischen Onlinehändlern während der Pandemie mehr Umsatz erwirtschaftet haben.

Und was für die Kleinen gilt, das gilt auch für die Großen: So konnte Google-Konzernmutter Alphabet den Umsatz im vergangenen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal um 34 Prozent auf 55,3 Milliarden Dollar (45,8 Milliarden Euro) steigern. Das Unternehmen verdient das Gros seines Gelds mit Onlinewerbung und profitiert somit von der erhöhten Onlineaktivität der Verbraucher.

Eine noch stärkere Steigerung konnte Facebook verzeichnen, welches sein Geld ebenfalls mit Onlinewerbung verdient und somit vom wachsenden digitalen Handel profitiert: Im ersten Quartal 2021 kletterten die Erlöse um 48 Prozent auf fast 26,2 Milliarden Dollar (21,7 Mrd. Euro), der Gewinn von Facebook verdoppelte sich im ersten Quartal nahezu auf 9,5 Milliarden Dollar.

Der Onlinehandel-Branchenprimus Amazon legt die Zahlen heute, Donnerstag, auf den Tisch.

Online bleibt der Gewinner ...

Viele Kunden dürften während der Pandemie gelernt haben, dass das Shoppen per Smartphone auf dem Sofa durchaus Vorteile der Bequemlichkeit mit sich bringt – wie auch die eingangs erwähnte Studie von Kantar Sifo besagt: Demnach geben zwar besonders ältere Menschen an, nach der Pandemie wieder zu ihrem gewohnten Einkaufsverhalten zurückkehren zu wollen, jedoch wolle jeder Vierte sein in der Krise adaptiertes Konsumverhalten beibehalten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der "Smart E-Commerce Report" des Lieferdienstes UPS, für den 10.000 Personen in acht europäischen Ländern befragt wurden. War vor der Pandemie der Onlineeinkauf für zehn Prozent die erste Wahl, so wollen nach der Pandemie 15 Prozent bevorzugt online einkaufen. Der Anteil der reinen Offline-Shopper ist hingegen gesunken, der Großteil (41 Prozent) will nach der Pandemie auf eine Mischung aus On- und Offline setzen. Am meisten schätzen die Online-Käufer den Komfort (48 Prozent), und günstigere Preise (38 Prozent). Die Offline-Käufer schätzen hingegen die Freude am Einkaufen (41 Prozent) und die persönliche Beratung (38 Prozent).

... doch die Welten ergeben eine Synergie

Bei der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer (WKÖ) glaubt man auch, dass der Online-Boom nach Öffnung der Geschäfte abflachen wird, viele Konsumenten aber weiter im Netz kaufen werden. Offline werde jedoch weiterhin der Platzhirsch bleiben. Das sieht auch Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, so. "Fast 90 Prozent der Umsätze im österreichischen Handel werden nach wie vor auf der Fläche erwirtschaftet, ein Zehntel im E-Commerce", sagt er: "Den stationären Handel wird es auch in Zukunft geben, er wird nur noch viel stärker auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein, Stichwort Customer Centricity."

Damit der stationäre Handel punkten kann, müssen laut WKÖ Convenience, Beratung und Kundenservice in Kombination mit verschiedensten Dienstleistungen im Fokus stehen. Zudem werde die Kombi Stationär/Online an Bedeutung gewinnen: Nicht jedes Unternehmen brauche einen eigenen Onlineshop, doch der Kunde müsse im Internet abgeholt und serviciert werden, etwa durch Kommunikation via Social Media. Offline gelte es, das Einkaufserlebnis per se in den Vordergrund zu rücken – etwa durch Kaffee, den man im Geschäft angeboten bekommt, oder durch Events.

"Die sozialen Aspekte des Einkaufs rücken wieder stärker in den Fokus, denn das kann der Onlinehandel nicht bieten", sagt dazu auch Will: "Wir Konsumenten wollen nicht den ganzen Tag vor dem Screen sitzen, wir wollen die Abwechslung, beispielsweise die angenehme, entspannende Atmosphäre einer Boutique." Gleichzeitig schätze man die Schnelligkeit und Convenience des Onlineshoppings: "Daher braucht es künftig das Beste aus beiden Welten."

Was offline zählt ...

Welche Faktoren entscheiden generell über das Einkaufserlebnis im Geschäft? "Das beginnt schon bei den Basics, etwa der Lage", sagt Will: "Je besser das Geschäft zu Fuß, öffentlich oder mit dem Auto erreichbar ist, desto zufriedener sind die Konsumenten." Wenig überraschend fördern auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis oder generell günstige Preise die Kundenzufriedenheit.

"Ganz entscheidend ist zweifellos das Personal: Freundliche, kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Wiederkaufwahrscheinlichkeit beträchtlich steigern", führt Will weiter aus: "Das Personal bleibt im Handel das A und O, denn der Faktor Mensch entscheidet, ob aus dem Erstkäufer ein Stammkunde wird."

Und auch im stationären Handel spielt die Digitalisierung eine essenzielle Rolle. "Wir empfehlen unseren Händlern, ihre Geschäfte digital aufzuladen bzw. zu digitalen Schmuckstücken auszubauen", sagt Will: "Im Ladenbau können sinnvolle digitale Elemente integriert werden, etwa digitale Preisschilder, Smart Mirrors, eine digitale Regalverlängerung, Augmented-Reality-Anwendungen, Social-Media-Integration oder Live-Shopping."

... und wie es richtig mit online kombiniert wird

Der Trend gehe in Richtung Webshop als digitales Abbild der vertrauten Filiale, sagt Will in Bezug auf die Auftritte der Händler im Web: "Der Konsument will den Lagerbestand kennen, ohne hinfahren zu müssen. Und verlässliche Öffnungszeiten, um keinen Weg umsonst zu machen. Beratung? Telefonisch mit Click-to-Call direkt in die Filiale."

In der Realität jedoch zeigt sich laut Will eine starke Diskrepanz zwischen Kundenwunsch und Wirklichkeit: 81 Prozent der Konsumenten wünschen sich, im Webshop nach Produkten filtern zu können, die in einer bestimmten Filiale verfügbar sind. Das offerieren nur 13 Prozent der Händler. Ähnlich verhält es sich mit der Funktion, im Onlineshop Fragen zu einem Produkt stellen zu können – das bieten nur elf Prozent der Händler an.

"Im Kern geht es um ein kanalübergreifendes Zusammenspiel von Webshop und stationärem Geschäft", sagt Will: "Die Corona-Krise befeuert diesen Trend, da der Wunsch nach regionalen Produkten gleichermaßen zunimmt wie die Lust auf Onlineshopping." (Stefan Mey, 29.4.2021)