Den Anfang machte Ungarn: Mit der Schaffung einer staatlichen Medienholding im Jahr 2011 stehen nicht nur der öffentliche Rundfunk und die Nachrichtenagentur (MTI) unter zentraler Aufsicht. Rund 500 Medienunternehmen wurden unter dem Dach der Holding zusammengefasst. Regierungskritische Zeitungen wurden eingestellt oder unter parteinahen Personen umgewandelt. Der EU-Bericht zur Lage des Rechtsstaats¹ kommt zum Schluss, dass die „Transparenz von Medieneigentum (…) nicht vollständig garantiert“ sei.  Er spricht von „systematischer“ Behinderung und Einschüchterung von unabhängigen Medienunternehmen.² Die ungarische Regierung weist Anschuldigungen politischer Einflussnahme vehement zurück. Auf Kritik folgen nicht selten Einschüchterungsversuche.³ Im internationalen Vergleich rangiert Ungarn aktuell auf Platz 92 in der Rangliste der Pressefreiheit.⁴

Polen erlebte infolge des Regierungseinzugs der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 2015 einen Sturzflug in Sachen Pressefreiheit. Innerhalb eines Jahres fiel das Land von seiner bisherigen Bestplatzierung von Platz 18 auf Platz 47 zurück (2021 auf Platz 64). Das PiS-Versprechen eines „guten Wandels“ hatte verheerende Folgen für die polnische Medienlandschaft. Noch im Jahr 2015 wurde im Eiltempo das sogenannte „kleine Mediengesetz“ verabschiedet. Damit sollten Vorstände des polnischen öffentlichen Fernseh- und Radiosenders künftig abberufen werden können. Ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger sollten vom Minister für Staatsvermögen ernannt werden. Seitdem zeigt sich die Berichterstattung zunehmend regierungsfreundlich.⁵ Mehr als 200 Journalistinnen und Journalisten wurden binnen eines Jahres entlassen, degradiert oder kündigten aus Protest. 2016 erklärte das Verfassungsgericht dieses Gesetz für teilweise verfassungswidrig.⁶ Ähnlich wie in Ungarn versuchte die polnische Regierung kritische Medien unter Druck zu setzen, indem sie Werbeanzeigen entzieht, Journalistinnen und Journalisten ausgrenzt und Verleumdungsklagen führt.⁷

Media Capture als Strategie

In der Tschechischen Republik (Platz 40) und der Slowakei (Platz 35) wurden in den Jahren 2013 bis 2015 die größten Medien von Unternehmern gekauft, die die Liste der reichsten Menschen in beiden Ländern dominierten.⁸ Beispiele hierfür sind die Übernahme der MAFRA-Mediengruppe durch den Agrofert-Konzern des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, oder der Kauf zentraler Tageszeitungen und Regionalmedien durch die PENTA-Finanzgruppe, die mit Korruptionsskandalen unter der SMER-Regierung in der Slowakei verbunden ist.⁹

Aktuell lassen sich zwei Kategorien von Medieninhabern unterscheiden: einerseits Unternehmer, die über enge Beziehungen zur politischen Elite verfügen. Zu dieser Kategorie zählt beispielsweise die PPF-Gruppe des kürzlich verstorbenen Petr Kellner. Der Medienbaron verfügte auch außerhalb Tschechiens über enge Kontakte zu Regierungsmitgliedern in Ost- und Südosteuropa, China und Russland.¹⁰ Andererseits besitzen zahlreiche Politiker selbst einflussreiche Medienunternehmen. Dazu zählen neben Babiš auch der Präsident des slowakischen Nationalrats Boris Kollár sowie der Glückspielmagnat Ivo Valenta, Mitglied des Rates der Region Zlín.¹¹ Im Grunde werden Tschechiens wichtigste Nachrichtenmedien derzeit von fünf zentralen Akteuren kontrolliert.¹² Sie bestimmen, worüber die Öffentlichkeit spricht beziehungsweise nicht spricht – sie sind einflussreiche Barone der öffentlichen Meinung. Und ihre Medienimperien wachsen über die nationalen Grenzen hinaus

Grenzübergreifende Medienimperien

Illiberale Politiker lernen voneinander, wie die jeweilige Medienlandschaft nach den autoritären Wünschen umgestaltet werden kann.¹³Das findet auch in Österreich Interessenten. Mögliche Übernahmeszenarien einflussreicher Medien wie die "Kronen Zeitung" beschäftigen das Land seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos 2019.¹⁴ Die Strategie dahinter – auch Media Capture genannt – verfolgt das Ziel, Medien in Abhängigkeit von ihren Eigentümern zu führen.¹⁵ So dominieren Tschechien und die Slowakei vor allem die Unternehmen Agrofert und PENTA die Medienlandschaft.

Die Medienbarone weiten ihren Einfluss auf die Region aus: Der Finanzkonzern PPF-Group kaufte die wichtigsten Fernsehmedien vieler Länder der Region unter der Marke CME auf und verfügt über enge Beziehungen unter anderem zum serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, zum slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša sowie zu ukrainischen und russischen Oligarchen.¹⁶ Auf Initiative Fidesz-naher Akteure wurde 2019 die V4 News Agency (V4NA) mit Sitz in London gegründet. Unternehmer aus dem Regierungsumfeld kaufen darüber hinaus geschwächte Medienunternehmen in Slowenien (Platz 36)¹⁷ und Serbien (Platz 93) auf.¹⁸

Es zeigt sich ein schwer durchdringbares Geflecht politisch abhängiger Medienunternehmen, die die Macht autokratischer Regierungen mit Instrumenten der Meinungsmache verteidigen.¹⁹ Dieser folgenreiche Umbau erhöht den Druck auf die Redaktionen und führt nicht zuletzt zu Selbstzensur. Vor allem zementieren diese Medienimperien den Teufelskreis gesellschaftlicher Polarisierung und schwächen die ohnehin krisengebeutelten Demokratien Mitteleuropas.

„Repolonisierung“ und Medienstreik

In Polen kann man zwar nicht von Medienbaronen sprechen, Staatsfirmen spielen aber eine ähnliche Rolle. Seit Jahren plant die konservative Regierung eine „(Re)Polonisierung” privater Medien²⁰. Nach dem gescheiterten Versuch dies durch Gesetzte zu erreichen, versucht PiS die “ausländischen” Medien durch Staatsfirmen zu kaufen.²¹ Im Dezember 2020 erwarb PKN Orlen die einflussreiche Mediengruppe „Polska Press“ von der Verlagsgruppe Passau.²² 2021 plante die Regierung eine Werbesteuer, um Mittel für die Pandemiebekämpfung zu beschaffen. Die propagierte „Solidaritätsabgabe“ für „digitale Giganten“ hätte aber private Medien getroffen, was zu einem beispiellosen eintägigen Streik führte. Unter der Devise „Medien ohne Wahl“ erschienen schwarze Zeitungsseiten, Websites sowie Fernsehbildschirme.

Medien ohne Wahl? Hoffen auf die Crowd

Grund zur Hoffnung bieten Erfolge, die unabhängige Medien für sich verbuchen konnten. In der Slowakei führte die Sorge um die Unabhängigkeit der heimischen Medien zur Gründung der Plattform "Denník N", die auch in Tschechien aktiv ist. Ehemaligen SME-Redakteurinnen und -Redakteure hatten sie als Reaktion auf den Kauf ihrer Tageszeitung durch die PENTA-Finanzgruppe gegründet.²³ In Ungarn decken Investigativmedien wie korrupte Machenschaften auf. In Polen, aber auch in Tschechien, zeigt sich nach wie vor eine sehr lebendige Medienvielfalt. Der jüngste Medienstreik in Polen gibt Hoffnung, dass ein entschlossener Widerstand die umstrittenen Pläne der Politik aufhalten kann. So trat etwa der Menschenrechtsbeauftragte Adam Bodnar gegen die Medienreformen der PiS auf. In einem gerichtlichen Eilverfahren erwirkte er im April – zumindest vorläufig – einen Übernahmestopp der „Polska Press“ durch PKN Orlen.²⁴ Viele Journalistinnen und Journalisten suchen zudem Auswege über Förderungen von Stiftungen sowie über Finanzierungsformen wie Crowdfunding. In Polen wird etwa das Radio „Nowy Świat” von monatlich über 30.000 Sponsoren und Sponsorinen unterstützt.²⁵ (Daniel Martínek, Daniela Neubacher, Malwina Talik, 3.5.2021)

Daniel Martínek ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM).

Daniela Neubacher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und forscht als Doktorandin an der Andrássy Universität Budapest zu grenzübergreifenden Protest- und Umweltbewegungen.

Malwina Talik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM).

1 Europäische Kommission: Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, 30.09.2020, online: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020SC0316&from=EN (27.04.2021).

2 Bátorfy, Attila; Urbán, Ágnes (2020): State advertising as an instrument of transformation of the media market in Hungary, East European Politics, 36:1, 44-65, DOI: 10.1080/21599165.2019.1662398.

3 Vgl. u.a.: Brief des Botschafters von Ungarn an diverse deutsche IntendantInnen, 20.04.2020, online: https://berlin.mfa.gov.hu/asset/view/121664/200420%20Brief%20GYP-Ozsvath.pdfd (27.04.2021).

4 Rangliste der Pressefreiheit 2021, Reporter ohne Grenzen, online: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2021/Rangliste_der_Pressefreiheit_2021_-_RSF.pdf (27.04.2021).

5 Łada, Agnieszka, Der polnische Fernseh- und Medienmarkt 2020/21: Zahlen, Strukturen, Veränderungen in Polen-Analysen Nr. 270, 15.02.2021, Deutsches Polen Institut, Seiten 2-7 online: https://www.laender-analysen.de/polen-analysen/270/PolenAnalysen270.pdf (27.04.2021)

6 Łada, Agnieszka, Der Pressemarkt in Polen 2020/21: Zahlen, Strukturen, Veränderungen in Polen-Analysen Nr. 269, 01.02.2021, Deutsches Polen Institut, Seiten 2-7 online: https://www.laender-analysen.de/polen-analysen/269/PolenAnalysen269.pdf (27.04.2021)

7 Vgl. dazu u.a. die Medieninitiative gegen Strategic Lawsuits Against Public Participation (SLAPP): IMS: EU anti-SLAPP model directive, Dezember 2020, online:
https://www.mediasupport.org/publication/eu-anti-slapp-model-directive/ (27.04.2021).

8 Dvořáková, Věra: Alarming Attacks on the Freedom of the Press in the Czech Republic. In: The New Federalist, 29.05.2020, online: https://www.thenewfederalist.eu/alarming-attacks-on-the-freedom-of-the-press-in-the-czech-republic?lang=fr (27.04.2021).

9 Madleňák, Tomáš; Diko, Lukáš: Bribery, Secret Tapes, and the Arrest of a Powerful Slovak Tycoon. In: VSquare, 3.12.2020, online: https://vsquare.org/bribery-secret-tapes-and-the-arrest-of-a-powerful-slovak-tycoon/ (27.04.2021).

10 N1 Belgrade: PPF Group says it has no plans to suppress media in Serbia. In: N1, 28.01.2021, online: https://rs.n1info.com/english/news/ppf-group-says-it-has-no-plans-to-suppress-media-in-serbia/ (27.04.2021); Kraemer, Richard; Sybera, Albin: The Noxious Nexus of Money and Politics Takes Another Turn in Central and Southeastern Europe. In: Just Security, 18.03.2021, online:https://www.justsecurity.org/75393/the-noxious-nexus-of-money-and-politics-takes-another-turn-in-central-and-southeastern-europe/ (27.04.2021).

11 Horňáček, Jakub: The new media bosses, a danger to freedom? In: Progetto Repubblica Ceca, 16.03.2020, online: http://www.progetto.cz/nuovi-padroni-dei-media-un-pericolo-per-la-liberta/?lang=en (27.04.2021).

12 Sattler, Robert: Čeští miliardáři a jejich média. Komu u nás patří klíčové stanice, vydavatelství a weby? In: Forbes Česko, 20.10.2020, online: https://forbes.cz/cesti-miliardari-a-jejich-media-komu-u-nas-patri-klicove-stanice-vydavatelstvi-a-weby/ (27.04.2020).

13 Schultheis, Emily: The Budapest-Warsaw Express. In: Slate, 11.03.2021, online: https://slate.com/news-and-politics/2021/03/poland-hungary-lgbt-media-orban.html (27.04.2021).

14 Böhmer, Christian Böhmer; Metzger, Ida: "Politisch gefärbt": Wer hinter den neuen Online-Zeitungen steckt. In: Kurier, 22.03.2021, online: https://kurier.at/politik/inland/die-politmedialen-pop-ups/401278869 (27.04.2021).

15 Vgl. Mungiu-Pippidi, A. (2013). Freedom without impartiality. The vicious circle of media capture. In P. Gross & K. Jakubowicz (Eds.), Media transformations in the post-communist world, 33–47.

16 N1 Belgrade: PPF Group says it has no plans to suppress media in Serbia. In: N1, 28.01.2021, online: https://rs.n1info.com/english/news/ppf-group-says-it-has-no-plans-to-suppress-media-in-serbia/ (27.04.2021);  Kraemer, Richard; Sybera, Albin: The Noxious Nexus of Money and Politics Takes Another Turn in Central and Southeastern Europe. In: Just Security, 18.03.2021, online:https://www.justsecurity.org/75393/the-noxious-nexus-of-money-and-politics-takes-another-turn-in-central-and-southeastern-europe/ (27.04.2021).

17 Stajić, Olivera; Müller, Andreas: Pressefreiheit in Slowenien: "Es sieht schwarz aus.“ In: Der Standard, 16.04.2021, online: https://www.derstandard.at/story/2000125771856/pressefreiheit-in-slowenien-es-sieht-schwarz-aus (27.04.2021).

18 Kingley, Patrick; Novak, Benjamin:The Website That Shows How a Free Press Can Die. In: The New York Times, 24.11.20218, online: https://www.nytimes.com/2018/11/24/world/europe/hungary-viktor-orban-media.html (27.04.2021).

19 Langowski, Judith: Mit Index.hu ist „Ungarns Startseite“ dem System Orbán zum Opfer gefallen. In: Der Standard, 01.08.2020, online: https://www.tagesspiegel.de/politik/die-zerstoerung-der-freien-presse-mit-index-hu-ist-ungarns-startseite-dem-system-orbn-zum-opfer-gefallen/26056428.html (27.04.2021).

20 Rojewski, Jan, Repolonizacja mediów, czyli co zamierza PiS (polityka.pl) ("Repolonisierung der Medien, also was hat PiS vor") in Polityka 2.08.2020, online: Repolonizacja mediów, czyli co zamierza PiS (polityka.pl) (15.04.2021)

21 Ibid. Ein solches Gesetz stünde im Widerspruch zum EU-Recht, nach Warnungen der EU wurde der Gesetzesentwurf verworfen. Auch der damalige US-Vizepräsident Mike Pence lag Einspruch, da TVN, einer der größten polnischen Sender, einer amerikanischen Discovery Gruppe gehört. 

22 Hassel, Florian: ”Ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit” in Süddeutsche Zeitung 8.12.2020, online: https://www.sueddeutsche.de/medien/polska-press-verlagsgruppe-passau-pressefreiheit-1.5140738 (27.04.2021)

23 Denník N: O Denníku N. In: Denník N, 01.08.2019, online: https://dennikn.sk/o-denniku-n/ (27.04.2021).

24 Biuro RPO (Büro des Ombudsmanns für Bürgerrechte/Polen): Sąd wstrzymuje decyzję Prezesa UKOKIK ws. przejęcia przez PKN Orlen spółki Polska Press (Gericht hält die Entscheidung des UKOKIK über die Übernahme der Gruppe Polska Press durch PKN Orlen an), 12.04.2021, online: https://www.rpo.gov.pl/pl/content/rpo-sad-wstrzymal-przejecie-przez-pkn-orlen-polska-press (27.04.2021)

25 Patronite: Radio Nowy Świat, https://patronite.pl/radionowyswiat (17.04.2021)

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