"Theater, Museen, Kinos, Kabarettbühnen nie wieder aufsperren": Manuel Rubeys ironischer Kommentar für #allesdichtmachen kam nicht überall gut an.

Foto: Screenshot Youtube

Manuel Rubey hat mitgemacht. Mehr als 50 Schauspielerinnen und Schauspieler übermittelten vor einer Woche in ironischen Videoclips über Youtube und Instagram ihre Sicht zur Corona-Politik der Regierungen und der Medienberichterstattung darüber. Die Folge war ein Shitstorm gewaltigen Ausmaßes.

Vielen erschienen die Clips geschmacklos und deplatziert im Hinblick auf Covid-Kranke auf Intensivstationen und am oder mit dem Virus Verstorbene. Dass vonseiten der Corona-Leugner wie der AfD Applaus kam, machte die Debatte nur noch schlimmer. Einzelne zogen ihr Video zurück, entschuldigten sich, versprachen, wie etwa der Schauspieler Jan Josef Liefers, den Besuch auf der Intensivstation.

Manuel Rubey stellte kurz nach der Veröffentlichung ein Statement ins Netz, in dem er sich bei all jenen entschuldigt, die er "in irgendeiner Art und Weise verletzt" habe. "Nicht einmal einen Millimeter" wolle er "in die Nähe von Covid-Leugnern kommen oder von den Rechten vereinnahmt werden", sagt er in dem Video.

Zurzeit steht der Schauspieler in München für eine Miniserie vor der Kamera. Naiv sei er vielleicht gewesen, sagt er. Aber was er gesagt habe, dazu stehe er nach wie vor. "Satire darf grundsätzlich alles." Es sei nicht sein erster Shitstorm, erzählt Manuel Rubey. Als er den Falco spielte, habe er wüste Beschimpfungen und sogar Morddrohungen erhalten. Aber das sei geradezu harmlos gewesen im Gegensatz dazu, was sich gerade abspiele.

Dem STANDARD antwortete er per Mail.

STANDARD: Wie geht’s?

Rubey: Danke. Es ging mir schon besser. Aber ich entdecke gerade die Vorzüge Social-Media-freier Zeit.

STANDARD: Vor einer Woche gerieten Sie in einen Shitstorm, der sich gewaschen hat. Können Sie kurz den Ablauf der Ereignisse rund um #AllesDichtmachen schildern: Was ist da passiert?

Rubey: Ich hatte einen gemeinsamen Drehtag mit Vicky Krieps, die ich als Schauspielerin und Freundin schätze. Sie erzählte mir von einem Kunstprojekt. Sie selbst würde auch dabei sein, und es gehe um Beiträge zum Zustand der Gesellschaft, ausgelöst durch diese schreckliche Pandemie. Ein paar, für mich geschätzte, Kollegen wie Meret Becker, Nicolas Ofczarek, Ulrich Tukur etc. wurden genannt. Ich habe meinen Text zum Thema "Lasst uns die Kultur nicht aus den Augen verlieren" selbst geschrieben, das Video aufgenommen und an den Schauspieler Volker Bruch geschickt, der neben Vicky der Einzige war, mit dem ich bei dieser Sache zu tun hatte.

STANDARD: Zu den Initiatoren zählen Volker Bruch, Jan Josef Liefers und der Regisseur Dietrich Brüggemann. Dies bestätigt der Münchner Filmproduzent Bernd K. Wunder, der als Verantwortlicher im Impressum der Homepage www.allesdichtmachen.de geführt wird. Hatten Sie zu ihm Kontakt?

Rubey: Nein.

STANDARD: Sie haben sofort zugesagt?

Rubey: Die Infos, die ich hatte, schienen mir zu diesem Zeitpunkt ausreichend.

STANDARD: Den Text haben Sie selbst verfasst. War das eine Vorgabe?

Rubey: Sie hätten mir auch Texte zur Verfügung gestellt, aber ich wollte, wie gesagt, meinen eigenen machen und eben nur den Stellenwert der Kunst in der Gesellschaft thematisieren.

STANDARD: Wann ging das Video online und wie ging es weiter?

Rubey: Ich hörte dann wochenlang nichts. Am Freitag, 16. April, bekam ich eine Nachricht von Volker Bruch, dass es jetzt online gehen soll. Alle Beiträge gleichzeitig. Ich habe mein Video dann online gestellt.

STANDARD: Erzählen Sie bitte, was Ihnen im Shitstorm widerfahren ist.

Rubey: Ich habe es hochgeladen, noch ein bisschen Kommentare gelesen, hatte das Gefühl, dass es verstanden wird, wie es gemeint war, und bin schlafen gegangen. Ich bin weder Virologe, medizinischer Experte noch Politiker und maße mir daher gar nicht an, deren Arbeit zu beurteilen, ich bin auch nicht gegen Lockdowns, und ich freue mich wahnsinnig, wenn ich eines Tages einen Impftermin bekomme. Ich bin Künstler und beobachte Dinge. Das ist alles. Ich gehe fast täglich am Stadtsaal, meiner Lieblingswirkungsstätte, vorbei, die seit Monaten geschlossen ist, während sich vor dem Discounter daneben lange Schlangen bilden. Darüber habe ich einen Beitrag gemacht. Als ich aufwachte, war der Shitstorm voll im Gange. Ein kafkaesker Albtraum. Kollegen entschuldigten sich privat, dass sie ihre positiven Kommentare nun doch gelöscht hätten. Seither war ich nicht mehr im Internet. Ich habe zwei Vertrauensmenschen, die mich über das Wesentliche unterrichten.

STANDARD: Gab es auch Fürsprecher?

Rubey: Ja.

STANDARD: Darf Satire doch nicht alles?

Rubey: Grundsätzlich darf Satire natürlich alles.

STANDARD: Haben Sie eine Erklärung für diese völlige Eskalation?

Rubey: Ungeachtet dessen, dass mir erst jetzt bewusst wird, wie intransparent diese Aktion durchgezogen wurde, stelle ich fest, dass wir alle nach diesem Jahr des Wahnsinns sehr dünne Nerven haben. Corona ist die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, Menschen sterben und leiden unter der Krankheit und deren Spätfolgen. Wir alle müssen auf so vieles verzichten, und die Gesellschaft ist gespalten. Ich sehe es, pathetisch gesprochen, auch als Aufgabe der Kunst, diese Gräben zu schließen. Oder es zumindest zu versuchen. Das scheint in diesem Fall aber gewaltig misslungen zu sein.

STANDARD: Kritiker zogen Vergleiche mit der Super League – hier seien Eliten zugange, die jeglichen Kontakt zu ihren Fans, ihrem Publikum verloren haben. Haben Sie den Kontakt zum Publikum verloren?

Rubey: In gewisser Weise natürlich. So wie alle Bühnenmenschen gerade. Was die Themen anbelangt, habe ich nicht das Gefühl, den Kontakt zu "meinem" Publikum verloren zu haben.

STANDARD: Was sagen Sie zu jenen Kolleginnen und Kollegen, die ihr Video zurückgezogen haben?

Rubey: Ich habe mein Video auch zurückgezogen, weil das Ganze eine Dynamik bekommen hat, die nichts mehr mit meiner Intention zu tun hat. Ich kann nur für mich sprechen: Ich stehe zu meinem Beitrag, aber ich wollte und werde nie Teil einer Gruppe sein, die auch nur ansatzweise Corona verleugnet oder mit Verschwörungstheorien oder Ähnlichem in Verbindung gebracht wird, ganz im Gegenteil: Natürlich muss alles getan werden, um diese Pandemie einzuschränken, daher habe ich auch Test- und Impfaufrufe, wie zuletzt "Alles gurgelt", immer unterstützt.

STANDARD: Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich aus der Angelegenheit?

Rubey: Ich werde vorsichtiger sein und genauer prüfen. Ich habe wohl unterschätzt, dass Menschen in einer solchen Situation leicht verletzbar sind, an allen Fronten. Das Risiko, missverstanden zu werden, gibt es immer, vermutlich ist es aber höher, wenn alle gerade im Ausnahmezustand sind. Ich wollte niemals die Arbeit derer schmälern, die zum Beispiel gerade im Krankenhaus Übermenschliches leisten, finde es aber hochgradig absurd, dass überhaupt jemand annimmt, ich könnte das wollen. Ich glaube einfach, dass Kunst und Kultur den Menschen schneller heilen wird als Sonderangebote im Shoppingcenter.

STANDARD: Werden Sie in Zukunft vorsichtiger Ihre Meinung sagen?

Rubey: Ich werde natürlich weiter meine Meinung sagen, aber ich werde vorsichtiger sein, in welchem Kontext sie steht. Ich wünsche mir, dass nach der grauenvollen Pandemie eine Zeit anbricht, in der es wieder Grautöne und Ambivalenz geben kann. Und man einander zuhört, ohne hysterisch zu urteilen. Ich liebe das bessere Argument. Und ich irre mich oft. (Doris Priesching, 30.4.2021)