Bild nicht mehr verfügbar.

Applaus ist ein ferne Erinnerung. Nun gilt es, die Hand-Hand-Koordination wieder neu einzuüben.

Foto: Getty Images

Als Pandemiebetroffener fühlt man sich dieser Tage wie nach einer halbjährigen Wanderung durch eine Wüste: ausgezehrt, ausgemergelt, ausgedörrt. So in etwa muss es Moses und seinen Followern gegangen sein, im 39. Jahr ihrer Gewalttour in Richtung Gelobtes Land.

Aufgrund der Schließung der Fitnessstudios erinnert die eigene Physis in ihrem ruinösen Zustand an eine klapprige Vogelscheuche mit Medizinballbauch. Fahle, faltige Haut umfasst eine Muskelsubstanz, die ähnlich defizitär erscheint wie das Staatsbudget.

Sollte man Mitte Mai tatsächlich wieder ein frisch gezapftes Bier in Händen halten dürfen: Wird man das Krügerl überhaupt noch derstemmen und zum dürstenden Munde führen können? Es scheint fraglich.

Körper und Geist betroffen

Durch die rudimentäre körperliche Betätigung hat auch der Geist Schaden genommen, Gedächtnislücken tun sich auf, so zahlreich wie Schlaglöcher auf italienischen Gemeindestraßen. Ein Kellner: Was war das noch mal genau? Man beschließt erschöpft, den Begriff zu googeln. Die Dauerexistenz vor dem Bildschirm hat uns zu einem Leben in der Zweidimensionalität verdammt.

Dein Mitmensch, ein unscharfer Flachmat ohne Unterkörper im Zoom-Fenster. Hat man überhaupt noch die Fertigkeiten, mit ihm so in echt zu verkehren? Kennt man überhaupt noch jemanden? Bekannte und Freunde sind größtenteils verstummt, der vorgeschriebenen Reduktion der persönlichen Kontakte zum Opfer gefallen.

Kontakte ohne Gesichter

Im Handy stehen reihenweise Kontaktnamen, denen man keine Gesichter mehr zuordnen kann. Mit wem soll man nur ins Konzert gehen, wenn man es tatsächlich wieder darf?

Beim Thema Konzert poppt gleich der nächste Stressfaktor auf: Applaus. Wie ging das nochmal? Das letzte Mal hat man vor einem Jahr für das Krankenhauspersonal aus dem Fenster gepatscht. Gleich aufschreiben: Hand-Hand-Koordination üben. Als degenerierter Höhlenmensch mit schwerer Lieferdienstabhängigkeit hilft einem das sicher auch, wenn man im Gasthaus nach langer Zeit mal wieder mit Messer und Gabel essen muss!

Auch die soziokulturellen Skills brauchen dringend ein Update. Wie begrüßt man sich eigentlich als Mitglied im 3G-Klub (geimpft, getestet, genesen)? Darf/soll/muss man jetzt wieder spitze Wangen küssen und teigig-schlaffe Hände schütteln? Wäh. Und angeblich soll man bei der Arbeit wieder richtige Hosen tragen müssen! Echt jetzt? Das kann ja heiter werden. (Stefan Ender, 30.4.2021)