Der ehemalige Vorstandsdirektor der Casinos Austria, Peter Sidlo.

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"Stecker ziehen, das ist meine Lösung für alle Probleme", diesen persönlichen Einblick erlaubte die Richterin am Handelsgericht Wien am Donnerstag, die jenes Verfahren führt, in dem sich Peter Sidlo gegen seine Abberufung aus dem Casinos-Austria-Vorstand und seine Entlassung wehrt. Er hat rund 2,5 Millionen Euro eingeklagt. Freilich fügte die Juristin dazu, dass sie diese Methode nur "in technischer Hinsicht" anzuwenden pflege – und ein technisches Problem gab es im Gerichtssaal 708, in dem Walter Rothensteiner als Zeugen aussagte. Die Kamera für Videoübertragungen hatte sich quasi ungefragt eingeschaltet, ein Haustechniker nahm sich des Problems dann an: Er zog den Stecker.

Auch in der Befragung des einstigen Aufsichtsratschefs der teilstaatlichen Casinos Austria ging es irgendwie ums Steckerziehen: Sidlo war am 1. Mai 2019 in den Vorstand gekommen, obwohl ihn der Headhunter nicht für besonders geeignet gehalten hatte. Am 2. Dezember 2019 zog der Aufsichtsrat den Stecker aus Sidlos Casinos-Karriere und warf ihn raus.

Rauswurf mit Folgen

Davor waren die Chatprotokolle rund um Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Johann Gudenus und Novomatic-Chef Harald Neumann bekannt geworden; ein politischer Deal Novomatic-FPÖ wird hinter der Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats in Wien vermutet. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt; die Beschuldigten, darunter Strache, Sidlo, Rothensteiner, Neumann bestreiten die Vorwürfe. Vor dem Handelsgericht ist das Thema, ob Sidlo ungerechtfertigterweise rausgeworfen wurde. Die Frage ist u.a., ob er den Aufsichtsrat belogen hat, wie argumentiert wird.

Gemäß Rothensteiners Schilderung ging es schon zu Beginn der Angelegenheit um Parteien und Politik. Sidlo, der wie Rothensteiner im Generalrat der Nationalbank (OeNB) Sitz und Stimme hat, habe ihn nach einer Sitzung in der OeNB gefragt, "ob es im Casinos-Vorstand etwas für die FPÖ gibt". Was bei ihm dazu geführt habe, "dass sich meine Haare aufgestellt haben". Er brauche qualifizierte Leute und keine Parteinominierungen, habe er ihm sinngemäß geantwortet. Sidlo sagte dagegen vor dem Handelsgericht aus, er habe Rothensteiner gefragt, ob es im Vorstand etwas "für einen FPÖler" gebe; nicht "für die FPÖ". Er habe es aber anders verstanden, erklärte der Zeuge und Expräsident des Aufsichtsrats und habe Sidlo dementsprechend geantwortet.

Vorabsprache der Hauptaktionäre

Die drei damaligen Casinos-Hauptaktionäre (Republik, Novomatic und Sazka) hätten damals im Präsidium des Aufsichtsrats eine Vorabsprache für die Vorstandsbestellung getroffen: Jeder von ihnen nominiert einen Kandidaten. Personalberater Egon Zehnder, den man später engagierte, sollte die Kandidaten nur "evaluieren".

Als Neumann Sidlo brachte, habe er sich an sein Gespräch mit dem in der OeNB erinnert, sagte Rothensteiner aus: "Ich wunderte mich, genau der", habe er sich da gedacht.

Immer wieder wurde Rothensteiner vor Gericht gefragt, ob er etwas von den im Hintergrund laufenden Gesprächen über Sidlo wusste – schließlich unterhielten sich sowohl freiheitliche Politiker als auch OeNB-Vizepräsidentin Barbara Kolm (FPÖ-nahe) und viele andere intensiv über Sidlos Bestellung. "Die Zusage bezüglich Peter Sidlo hält eh?", fragte etwa Strache bei Neumann an. Oder auch: "Kann ich mich auf dein Wort verlassen bezüglich Peter Sidlo und ist alles auf Schiene?"

Zusagen für FPÖ konnte es nicht geben

Nein, von alledem habe er erst später aus den Medien erfahren, so Rothensteiner. Man habe der FPÖ Sidlo gar nicht "zusagen können", denn: Novomatic habe nur das Vorschlagsrecht gehabt, bestellen musste dann ja der Aufsichtsrat den Vorstand. Interventionen bei ihm, Rothensteiner, habe es nicht gegeben für Sidlo, und "politische Absprachen waren mir nicht bekannt – sonst hätte ich sie im Aufsichtsrat zur Sprache gebracht".

Ob Druck auf ihn ausgeübt wurde, wollte die Richterin wissen und nahm dabei auf Rothensteiners Aktennotiz nach einem Telefonat mit Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) Bezug. Wobei sie zunächst meinte, Löger habe die Notiz verfasst. Darin hielt der Aufsichtsratschef fest, Löger habe "mit Johann Graf (Novomatic-Eigentümer, Anm.) konferiert, der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss. (…)" Nein, das sei keine Druckausübung gewesen, es sei nur klar gewesen, dass die Novomatic keinen anderen Kandidaten als Sidlo vorschlagen werde.

Mit Sidlos Qualifikation für den Finanzvorstandsjob hatte dessen Abberufung nichts zu tun, sagte Rothensteiner (hier beim U-Ausschuss) aus.
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Müssen wir was wissen?

Als die ersten Berichte übers Zustandekommen von Sidlos Bestellung (die der Sazka zugeordneten Aufsichtsratsmitglieder enthielten sich der Stimme) bekannt wurden und die Neos eine parlamentarische Anfrage stellten, bat Rothensteiner Sidlo um Stellungnahme. Ob es da ein Thema gebe, das das Aufsichtsratspräsidium wissen müsse? Sidlo verneinte.

Als dann die Chats bekannt waren, warf der Aufsichtsrat Sidlo vor, er habe ihm die Unwahrheit gesagt. "Dass er nicht wusste, was (vor seiner Bestellung; Anm.) im Hintergrund lief, hat man ihm im Aufsichtsrat halt nicht abgenommen", erklärte Rothensteiner. "Hätten das alle im Aufsichtsrat gewusst, hätte ihn der vermutlich auch gar nicht bestellt". Warum nicht?, hinterfragte die Richterin. Rothensteiner erklärte es so: "Es ging darum, dass ein politischer Bereich jemanden um jeden Preis in den Vorstand bringen wollte. Das war nicht gut zu heißen, aber dem Aufsichtsrat nicht bewusst".

Ist Sidlo das Opfer?

Es sei bei der Abberufung nicht um eine mangelnde Qualifikation Sidlos gegangen, die "politischen Absprachen", die er aus den Chats ableite, seien Stein des Anstoßes gewesen. "Dass Sidlo vielleicht das Opfer ist, das ist eine andere Sache", meinte der Zeuge.

Warum ihn die ÖVP-Zugehörigkeit von Bettina Glatz-Kremsner, die 2019 zur Casinos-Chefin gekürt wurde, eigentlich nicht gestört habe, wollte Sidlos Anwalt dann von Rothensteiner wissen. Sie sei seit 26 Jahren im Unternehmen und im Vorstand, das sei "etwas ganz anderes". Glatz-Kremsner hat für Donnerstag abgesagt und wird in der nächsten Verhandlung befragt. Aber die findet erst im September statt. (Renate Graber, 29.4.2021)