In der griechischen Hauptstadt Athen wurde in den vergangenen Monaten immer wieder lautstark gegen das neue Uni-Gesetz mobilisiert

Foto: AFP/ Louisa Gouliamaki

Woche für Woche geht Evelina Zempou auf die Straße. Die Politikstudentin der Athener Panteioun-Uni gehört zu den tausenden Aktivisten der griechischen Studierendenbewegung, die seit Monaten protestieren, Hörsäle besetzen, Vorträge halten.

Auslöser der Proteste ist ein neues Unigesetz der konservativen Regierung, laut dem seit Mitte Februar Polizei auf den Campussen patrouillieren darf. Die Unterstützer des Gesetzes feiern einen Schlag gegen Kriminalität und linksradikale Versammlungen an den Unis. Für die Gegner ist es ein symbolischer Vorstoß auf historisches Territorium und ein Angriff auf die Autonomie der öffentlichen Unis.

Uni-Asyl abgeschafft

Diese Autonomie war lange unantastbar. Jahrzehntelang durfte die Polizei Campusse nur mit Erlaubnis des Rektorats und der Studienvertretung betreten. Das sogenannte Universitätsasyl, also ein ausgewiesenes Schutzgebiet auf dem Campus, war das Resultat studentischer Proteste während der Militärdiktatur 1973. Damals besetzten Studierende die polytechnische Uni in Athen. Nach drei Tagen wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen, mindestens 23 Menschen starben. Die Besetzung wurde zum Symbol der Revolte, der 17. November zum Staatsfeiertag. Nach dem Wahlsieg der konservativen Nea Dimokratia war die Abschaffung des Asyls 2019 eine der ersten Handlungen von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis.

Zentren von linkem Aktivismus

Dennoch sind griechische Unis heute noch Zentren des linken Aktivismus. Zwar gewinnt – ähnlich wie in Österreich – die konservative Studierendenfraktion regelmäßig Wahlen. Das Campusleben wird aber von linken Gruppen bestimmt, die auch außerhalb der Bildungspolitik aktiv sind. An vielen Unis sind Räume jahrelang besetzt, abends finden Diskussionen oder Filmvorführungen statt. Die Nea Dimokratia kritisiert hingegen, dass Drogendealer auf Campussen ihr Unwesen treiben. Studierende werden angewiesen, sich dort nicht nachts aufzuhalten, Seminare enden oft spätestens um acht Uhr abends. Vor manchen Unis sind seit längerem Polizisten stationiert. Studentin Zempou fühlt sich dennoch nicht unsicherer an der Uni als an anderen öffentlichen Orten. Die Lösung für Gewalt auf dem Campus sollte nicht Polizei sein, sondern eine lebendige Sozialstruktur, meint sie.

Ioannis Stefanidis, Geschichtsprofessor an der Aristoteles-Uni, ist für die Novelle. Die Abschaffung des Uni-Asyls und die Einführung von Campus-Polizei seien ein metaphorischer Akt gegen die "vorherrschende Respektlosigkeit gegenüber dem Gesetz". Er hofft, dass mit der Polizei auf dem Campus eine "lang fällige Universitätsreform" eingeleitet wird und Studierende nicht mehr regelmäßig unliebsame Vortragende stören. Der Rektor seiner Uni war auch einer der ersten Unterstützer des Gesetzesvorstoßes.

Mehr Geld statt Polizei

Die Professoren und das Personal der Panteion-Universität in Athen denken anders. Sie haben die Kampagne "Nein zur Uni-Polizei" ins Leben gerufen, tausende Lehrende haben offene Briefe unterzeichnet.

Die Proteste für Studierendenanliegen und gegen Polizeigewalt sind eng verknüpft
Foto: AFP/ Louisa Gouliamaki

Auch die Gewerkschaft des Uni-Personals von Oxford (UCU) hat sich mit ihnen solidarisiert. Denn Ministerpräsident Mitsotakis hatte wiederholt angekündigt, Sicherheitsvorkehrungen nach Vorbild britischer Eliteunis anzustreben. Doch Oxford habe keine Uni-Polizei, "Sicherheit wird durch das Universitätspersonal garantiert", betont die UCU. Die Reform sei zudem kaum geeignet, das größte Problem der griechischen Uni zu lösen: die chronische Unterfinanzierung.

So empfindet es auch Christos Paschalidis, Neurotechnologiestudent und Teil der Proteste auf Kreta: "Die Unis brauchen für Onlinelehre und gesundheitliche Maßnahmen mehr Geld als je zuvor, doch die Regierung bezahlt Polizei, um auf leeren Campussen zu patrouillieren." Zusätzlich hat die Regierung das Uni-Budget für 2021 um 23 Prozent gekürzt, gleichzeitig wurde eine Geldspritze von 23 Millionen Euro für die Polizei beschlossen.

Einschüchterungsversuche

Auf Kreta geht es ruhiger zu als auf dem Festland, doch auch hier gibt es wöchentlich Demos. Für Paschalidis ist der Widerstand gegen das Uni-Gesetz eng mit Kritik an Polizeigewalt verknüpft. Im Zuge der Proteste wurde seine Schwester verhaftet. Sie wird beschuldigt, Mitsotakis’ Ferienhaus mit Farbe beworfen und sich vor der Polizei nicht ausgewiesen zu haben. Ein Einschüchterungsversuch, meint Paschalidis. In Dörfern auf Kreta sei bekannt, wer stark in Protesten aktiv ist – und damit gegen die Förderung der Polizei. (Sarah Yolanda Koss, 1.5. 2021)