Sabine Hanger ist Spitzenkandidatin der Aktionsgemeinschaft bei der ÖH-Wahl. Von den Hochschulen erwartet sie eine bessere digitale Infrastruktur

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Bei der vergangenen ÖH-Wahl 2019 verteidigte die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) mit 27 Prozent der Stimmen den ersten Platz. Dennoch ging es für die AG zunächst – wie immer in den letzten zehn Jahren – in die Opposition, da mehrere linke Fraktionen (Gras, VSStÖ, Flö) gemeinsam eine Koalitionsmehrheit zustande brachten. Als sich die Koalition zur Mitte der Amtsperiode letzten Sommer allerdings zerstritt, ergriff die AG in Gestalt von Sabine Hanger die Chance, die neue ÖH-Chefin zu stellen.

(Hinweis: Heute, Dienstag, von 18.30 bis 20 Uhr findet die ÖH-Elefantenrunde im ORF-Radiokulturhaus statt – geleitet von ORF-Moderator Armin Wolf. Der STANDARD wird den Abend mit einem Liveticker begleiten.)

Mangels eigener Mandatsmehrheit in der Bundesvertretung ist die Handlungsmacht der 26-jährigen Jusstudentin allerdings begrenzt. Im Umgang mit der türkis-grünen Novelle des Universitätsgesetzes (UG) zeigten sich unterschiedliche Herangehensweisen. Während die linken Fraktionen auf Demos und in sozialen Medien lautstark gegen die Mindeststudienleistung mobilmachten, agierte Hanger zurückhaltend, auf deutliche Kritik an Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) verzichtete sie. Dass die Mindeststudienleistung von der Regierung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf herabgesetzt wurde, wertete sie dann als Erfolg "konstruktiver" Verhandlungstaktik.

In der ÖH-Bundesvertretung hält die AG 15 von 55 Mandaten.

Dieses Jahr steigen zwischen 18. und 20. Mai die ÖH-Wahlen. Schon jetzt können Studierende per Briefwahl die Stimme für ihre Interessenvertretung abgeben. In einer STANDARD-Serie stellen sich in den kommenden Wochen alle acht Fraktionen mit der schriftlichen Beantwortung eines Fragenkatalogs vor. Für die AG geht ÖH-Chefin Hanger als Spitzenkandidatin ins Rennen.

Sabine Hanger ist Spitzenkandidatin der Aktionsgemeinschaft.
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STANDARD: Was sollten die Hochschulen aus drei Semestern Pandemie lernen?

Hanger: Unsere Hochschulen hinken bei der Digitalisierung extrem hinterher. Hier muss die Pandemie als Chance gesehen werden, endlich aufzuholen. Einerseits dürfen die Schritte, die wir in den letzten drei Semestern gegangen sind, nicht wieder rückgängig gemacht werden: Vorlesungsstreams und hybride Lehre müssen auch nach der Krise angeboten werden. Gleichzeitig braucht es verpflichtende Schulungen für die Lehrenden im digitalen Bereich und einen Ausbau der Infrastruktur. Wenn wir Studierenden es innerhalb weniger Wochen geschafft haben, unsere Wohnzimmer in einen digitalen Hörsaal umzufunktionieren, darf das von unseren Hochschulen nicht zu viel verlangt sein.

STANDARD: Was sind die wichtigsten Forderungen der AG für die Unis?

Hanger: Unsere Hochschulen müssen endlich klimafit werden, daher fordern wir regionale Lebensmittel in den Mensen und Solarpaneele auf den Dächern der Hochschulen. Zudem sprechen wir uns für ein österreichweites Studierendenticket für Öffis um 365 Euro im Jahr ohne Altersbeschränkung aus, um neben dem Auto eine günstige und klimagerechte Alternative für den Weg zur Hochschule zu haben.

STANDARD: Wie steht ihr zu Aufnahmeverfahren an Unis?

Hanger: Qualität im Studium ist uns wichtig, derzeit ist das Betreuungsverhältnis in vielen Studiengängen jedoch katastrophal. Es stellt sich nicht die Frage, ob es Zugangsbeschränkungen gibt, sondern wann: Viele Prüfungen in der Anfangsphase sind Knock-out-Prüfungen, bei denen es darum geht, die Studierendenzahlen zu minimieren. Wir glauben, dass man früh mit einer guten Maturantinnen- und Maturantenberatung beginnen muss und dann mit einem fairen Zugangsmanagement die Qualität im Studium wieder steigern kann. Deshalb sprechen wir uns für ein dreistufiges Zugangsverfahren aus– bestehend aus Motivationsschreiben, Online-Self-Assessment-Center und einem fairen Aufnahmetest. Vor Beginn des Studiums, um den indirekten Zugangsbeschränkungen in den Studien entgegenzuwirken.

STANDARD: Was ist eure wichtigste Forderung speziell für Fachhochschulen?

Hanger: An den FHs hat sich während der Corona-Krise die Absolvierung von Pflichtpraktika als Problem herauskristallisiert. Viele FH-Studierende werden am Studienfortschritt gehindert, weil sie entweder kein Praktikum bekommen oder aus unverschuldeten Gründen nicht auf die volle Stundenzahl kommen und ihnen das Praktikum daher als Ganzes nicht angerechnet wird. Wir fordern für diese Fälle Ausnahmetatbestände.

STANDARD: Es droht wegen Corona eine historisch niedrige Wahlbeteiligung – ab welchem Wert wäre die Legitimationsbasis der ÖH gefährdet?

Hanger: Bei einer Wahlbeteiligung 2019 von knapp jedem vierten Studierenden müssen wir uns die Frage stellen, ob die ÖH nicht längst ein Legitimationsproblem hat. Momentan fokussieren wir uns aber darauf, die Studierenden so gut wie möglich zu mobilisieren und die Wahlbeteiligung so hoch wie möglich zu halten.

STANDARD: Mit wem würde die AG nach der Wahl (k)eine Koalition eingehen?

Hanger: Wir sind offen für Gespräche mit allen Fraktionen. Aufgrund der Inhalte wird eine Einigung mit dem linken und rechten Rand aber wohl schwierig.

STANDARD: Wie hoch ist euer Wahlkampfbudget, und wer finanziert es?

Hanger: Unser Wahlkampfbudget liegt bei rund 20.000 Euro. Als Bundes-AG finanzieren wir uns größtenteils über unseren Alumni-Verein "Freunde der Aktionsgemeinschaft".

STANDARD: Gibt es einen Punkt, in dem die AG Wissenschaftsminister Heinz Faßmann von der ÖVP widerspricht?

Hanger: Ja. Wir sind der Meinung, dass erwerbstätige Studierende nicht noch zusätzlich durch Studiengebühren belastet werden dürfen. Es braucht eine Ausnahme für die Befreiung von Studiengebühren bei Erwerbstätigkeit.

STANDARD: Die AG ist gegen verpflichtendes Gendern in Uni-Arbeiten, indes wird es demnächst gesetzlich möglich, akademische Titel gegendert in Urkunden einzutragen. Werden Sie persönlich das nutzen?

Hanger: Momentan beschäftige ich mich damit, mein Jusstudium zu beenden. Ich habe mir ehrlicherweise noch keine Gedanken gemacht, ob ich meinen Titel – wenn ich ihn denn endlich bekomme – gendern lasse oder nicht. (Theo Anders, 4.5.2021)

Sabine Hanger (26) ist Spitzenkandidatin der Aktionsgemeinschaft und Bundesvorsitzende der ÖH. Sie studiert in Wien Rechtswissenschaften. Ihr Vater ist der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger.