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Das Serum Institute of India ist bereits ein großer Produzent von Covid-Impfstoffen.

Foto: AP / Ben Curtis

Seit Abschluss des internationalen Handelsvertrags über den Schutz des geistigen Eigentums (Trips) im Jahr 1994 sind die Patentrechte für Arzneimittel ein Reizthema. Der Ruf nach Freigabe ist durch die Corona-Pandemie und die rasche Entwicklung von Impfstoffen wieder laut geworden, die katastrophale Covid-Entwicklung in Indien hat dieser Forderung neuen Schwung gegeben. Von Bernie Sanders über den US-Ökonomen Jeffrey Sachs bis zur SPÖ-Sprecherin für globale Entwicklung, Petra Bayr: Immer öfter fordern Globalisierungskritiker, dass Pfizer/Biontech, Moderna, Astra Zeneca oder Johnston & Johnston ihre Rechte für die Impfstoffpatente freigeben.

Doch all diese Kritiker können nicht darlegen, wem damit derzeit geholfen werden würde. Der Mangel an Impfstoff in den Entwicklungsländern liegt nicht daran, dass Fabriken dort Vakzine herstellen können, aber nicht dürfen. In Indien, dem weltgrößten Hersteller von Generika, wird seit Monaten massenhaft Astra-Zeneca-Impfstoff vom Serum Institute of India und anderen Pharmaunternehmen produziert.

Dieser wurde anfangs zum Großteil exportiert; dass die Produktion derzeit klemmt, liegt vor allem an verspäteten Lieferungen von Bestandteilen. In Südafrika läuft eine viel kleinere Produktion mit Johnson-&-Johnson-Lizenzen gerade erst an. Und den meisten armen Staaten fehlt es an Infrastruktur und Technologie für die Covid-Impfstoffherstellung.

Würde Weiterentwicklung behindern

Die Patente der noch komplexeren mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna wären für solche Länder überhaupt wertlos, weil sie diese weder produzieren noch lagern oder verteilen könnten. Das funktioniert nur in hochentwickelten Staaten. Eine Freigabe der Patente würde die Weiterentwicklung dieser Impfstoffe wahrscheinlich behindern. Denn warum sollen private Unternehmen Geld und Ressourcen in diese Forschung stecken, wenn die Ergebnisse sofort kopiert werden können?

Nach dem ersten Aufschrei über die Patente für Anti-HIV-Arzneien in den 1990er-Jahren ist es um Pharmapatente still geworden. Das hat seinen guten Grund: Diese Schutzrechte laufen nach einiger Zeit aus, der Großteil der Medikamente auf der Welt sind Generika, und diese erfüllen die Bedürfnisse der meisten Patienten. Die patentierten Neuentwicklungen bringen in vielen Fällen keinen großen Zusatznutzen.

Mehr Impfstoff teilen

Um den armen Ländern in der Covid-Pandemie zu helfen, sollten die reichen Statten viel mehr von dem von ihnen produzierten Impfstoff spenden als bisher. Die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, 60 Millionen Dosen des Impfstoffs von Astra Zeneca, der in den USA gar nicht zugelassen ist, anderen Staaten zu überlassen, ist ein wichtiger erster Schritt. Aber das ist politisch viel heikler, weil natürlich jede Regierung schauen möchte, dass ihre Bevölkerung durchgeimpft ist. Da ist es einfacher, die Pharmaindustrie zum Teilen aufzurufen.

In einem Punkt haben die Kritiker recht: Es muss verhindert werden, dass die Milliardenförderungen, die die Pharmakonzerne im globalen Norden von den Regierungen erhalten haben, in den Taschen der Aktionäre landen. Das hängt von den abgeschlossenen Verträgen und den weiteren Verhandlungen mit den Unternehmen in Europa und den USA ab. Aber auch hier ist die Freigabe der Patente nicht die richtige Lösung. (Eric Frey, 30.4.2021)