Das Gesetz wurde im vergangenen Jahr beschlossen.

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24 Stunden Zeit haben Online-Plattformen Zeit, um rechtswidrige Postings nach einer Meldung zu entfernen. So sieht es das in diesem Jahr in Kraft getretene Kommunikationsplattformengesetz der Regierung vor, das vor allem Hass im Netz eindämmen soll. Doch das größte soziale Netzwerk – Facebook, das auch Instagram betreibt – geht nun vor Gericht gegen die Regeln vor: Das Unternehmen hat eine Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Aus eigener Sicht falle man nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Eine Entscheidung wird in den kommenden sechs Monaten folgen.

Herkunftslandprinzip

Dabei bezieht man sich auf die gleiche Begründung, vor der die EU-Kommission die Regierung bereits im vergangenen Jahr vor der Verabschiedung warnte: In einer Bemerkung ließ sie wissen, dass das Gesetz unter Umständen nicht wirksam sein könnte, da es gegen die E-Commerce-Richtlinie verstoße. Diese sieht vor, dass sämtliche Diensteanbieter im Internet lediglich dem Recht jenes Landes, in dem sie ihren Sitz haben, unterliegen. Der Gedanke hinter dieser Regel ist, dass der digitale Binnenmarkt auf diese Weise nicht behindert werden soll. Demnach dürfte Österreich aber keine strengeren Vorgaben vorsehen als das Herkunftsland des Betreibers – in diesem Fall wäre das Irland.

Facebook erklärt auf STANDARD-Anfrage, dass man Hass im Netz grundsätzlich ernst nehme und Investitionen tätige, um dagegen vorzugehen. "Wir unterstützen die Ziele des Kommunikationsplattformen-Gesetzes", sagt ein Sprecher des Unternehmens, "möchten aber eine rechtliche Klärung herbeiführen, inwieweit nationalstaatliche Initiativen mit dem EU-Recht vereinbar sind." Laut STANDARD-Informationen erwägen aktuell weitere größere IT-Konzerne, Rechtsmittel einzulegen. Beschwerden wurden aber noch keine eingereicht, da es andere Fristen als bei Facebook gebe. Von Seiten des Verfassungsministeriums heißt es, dass jedem Unternehmen freistehe, Rechtsmittel einzulegen

Ausgefochten

Zu der Beschwerde kommt es, weil Facebook von der Regulierungsbehörde KommAustria wissen wollte, ob es in den Anwendungsbereich fällt. Ja, urteilte die Behörde. Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó von der Universität Wien kritisiert das Gesetz scharf, wie andere Experten hatte er auch schon im vergangenen Jahr vor dem möglichen Verstoß gegen das Herkunftslandprinzip gewarnt. "Wie erwartet wird diese Frage nun voraussichtlich zuerst vor nationalen Gerichten und dann weiter vor dem EuGH ausgefochten werden", sagt er zum STANDARD. "Wie erwartet wird damit in einer zentralen Frage des Gesetzes für Jahre Rechtsunsicherheit bestehen."

Facebook habe trotz der Beschwerde einen Zustellbevollmächtigten in Österreich ernannt. Dabei handle es sich um die österreichische Niederlassung einer internationalen Kanzlei. "Wie die Möglichkeit, der Wiener Niederlassung einer großen internationalen Rechtsanwaltskanzlei einen Brief zu schreiben, allerdings nun dazu beitragen soll, die 'unverzügliche Behandlung der Meldungen von Rechtsverstößen' zu fördern, wäre eine Frage, die man an den Gesetzgeber richten könnte", sagt Forgó.

Zustellbevollmächtigte genannt

"Wir sind gerade dabei unsere rechtliche Situation zu evaluieren", sagt ein Youtube-Sprecher auf Anfrage. Einen Zustellbevollmächtigten nennt die Google-Schwester aber – ebenso wie Facebook – bereits auf seiner Webseite. Ebenso ist es möglich, Beiträge gemäß des Kommunikationsplattformgesetzes zu melden. Facebook hält sich also trotz der Beschwerde an die Vorgaben, um einer möglichen Strafe zu entgehen.

Das Unternehmen will vor allem Rechtssicherheit im Umgang mit nationalstaatlichen Lösungen schaffen. Systematische Verstöße sollen hierzulande mit Strafen in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro geahndet werden. Dabei wurden zahlreiche Ausnahmen eingeräumt: für nicht gewinnorientierte Plattformen, Enzyklopädien, Handels- und Bildungsplattformen, Zeitungsforen sowie Videoanbieter.

Facebook will Digital Services Act

Auch in Frankreich wurde die Gesetzgebung gegen Hass im Netz im vergangenen Jahr verschärft, sowohl dort wie auch in Österreich war das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) das Vorbild. Verpflichtende Meldesysteme sind in Deutschland bereits seit 2017 vorgeschrieben.

"Langfristig begrüßen wir die Bemühungen, die Regeln für Online-Inhalte in der gesamten EU zu harmonisieren", sagt ein Sprecher zum STANDARD. Facebook pocht damit auf den geplanten Digital Services Act (DSA). Dieser sieht europaweit derartige Meldesysteme und weitere Verpflichtungen, vor allem für besonders große soziale Netzwerke, vor und wird aktuell auf EU-Ebene verhandelt. (Muzayen Al-Youssef, 30.4.2021)


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Zum Nachschauen: Videodiskussion zum Gesetzespaket vom 15. Dezember 2020: