Rund ein Viertel der Geimpften dürfte das Virus weiterhin übertragen, davon gehen Expertinnen und Experten derzeit aus. Abschließend ist diese Frage aber noch nicht geklärt.

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Es könnte der Beginn einer Debatte sein, die uns in den kommenden Monaten begleiten wird. In einem Interview mit der "Krone" sprach sich die Klubobfrau der Neos Beate Meinl-Reisinger gegen eine FFP2-Masken-Pflicht für Geimpfte aus. Sie sagte: "Ich sehe keinen Grund, warum Geimpfte FFP2-Masken tragen müssen. Vielleicht ist das sogar ein Anreiz, denn niemand von uns findet es angenehm, stundenlang FFP2-Masken zu tragen."

Es stimmt: Die Wahrscheinlichkeit, andere mit Sars-CoV-2 zu infizieren, dürfte nach einer Impfung stark abnehmen. Da alle zugelassenen Covid-19-Schutzimpfungen verlässlich gegen mittlere und schwere Krankheitsverläufe schützen, gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass sie auch das Risiko einer Übertragung vermindern. Erste Studienergebnisse aus Israel, den USA und Großbritannien untermauern diese Einschätzung. Aber: In welchem Ausmaß die Impfung auch das Übertragungsrisiko vermindert, ist noch nicht abschließend geklärt.

Keine sterile Immunität

Alle zugelassenen Covid-19-Schutzimpfungen bieten in erster Linie einen Individualschutz. Das heißt: Sie schützen die Geimpften vor einer symptomatischen Erkrankung. Verhindern Impfungen nicht nur, dass Geimpfte erkranken, sondern auch, dass sie sich selbst und in Folge andere nicht mehr infizieren können, spricht man von einer sogenannten sterilen Immunität. In diesem Fall ist die Abwehrkraft des Körpers so stark, dass sie das Virus sofort eliminiert und es sich gar nicht erst im Körper vermehren kann.

Daten aus Tierversuchen lassen aber vermuten, dass eine sterile Immunität zumindest bei einzelnen Impfstoffkandidaten nur zum Teil erreicht werden kann. So konnte das Vektorvakzin von Astra-Zeneca zwar Schäden in der Lunge von geimpften Affen vollständig verhindern, nicht aber die Freisetzung des Virus aus der Nase.

"Wir gehen derzeit bei allen Impfstoffen davon aus, dass rund ein Viertel aller Geimpften das Virus auch weiterhin übertragen kann", sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch, der auch im Nationalen Impfgremium sitzt. "Ich bin deshalb absolut dafür, dass auch Geimpfte noch FFP2-Masken tragen sollen."

Mutationen setzen Schutz herab

Dazu kommen neue Virusmutationen. Bestimmte "Fluchtmutationen" wie E484K dürften den Immunschutz herabsetzen. Das vermuten Wissenschafter wie der Virologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM). In Tirol, wo die Virusmutation B.1.1.7 mit dem Mutationsmerkmal E484K aufgetreten ist, haben sich bereits einmalig Geimpfte mit der Mutationsvariante infiziert.

In welchem Ausmaß sie auch zur Weiterverbreitung des Virus beigetragen haben, ist nicht geklärt. Fest steht aber: Mit jeder Infektion gibt man dem Virus eine Chance zu mutieren und dabei Mutationsmerkmale zu bilden, die es ansteckender oder fitter machen. Für Bergthaler sind hohe Infektionszahlen gerade bei einer steigenden Impfrate ein Problem: Es bestehe die Möglichkeit, dass das Virus so eher Mutationen ausbilde, die die Immunisierung unterlaufen könnten.

Noch zu geringe Durchimpfungsrate

Aber auch unabhängig davon scheint die Diskussion über den Fall der Maskenpflicht für Geimpfte verfrüht. In Österreich wurden bisher gerade einmal rund 30 Prozent der impfbaren Bevölkerung mindestens einmal immunisiert. Für Junge ist die Impfung derzeit noch nicht zugänglich. Sie sind dem Risiko einer Ansteckung weiterhin ausgesetzt.

Auch wenn sie mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 erkranken, könnte die Gefahr eines Krankenhausaufenthalts steigen: Die längst dominante britische Variante dürfte für schwerere Krankheitsverläufe sorgen. Darüber hinaus leiden auch junge Patientinnen und Patienten mit milden Verläufen auch noch Monate nach der Erkrankung an Folgeschäden.

Aber auch vulnerable Menschen, die im Falle einer Ansteckung ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben, sind noch nicht ausreichend geschützt. Mit Stand 21. April warteten noch mehr als 40 Prozent der über 65-Jährigen auf den ersten Stich. Auch wenn viele von ihnen inzwischen geimpft wurden: Eine schützende Wirkung setzt erst zwei bis drei Wochen nach der ersten Teilimpfung ein.

Zu hohe Infektionszahlen

Ob Geimpfte in Zukunft auf die FFP2-Maske verzichten werden können, hängt für Kollaritsch neben der Durchimpfungsrate auch von den Infektionszahlen ab. Bei einem konstant niedrigen Infektionsniveau könne man beginnen, darüber nachzudenken. Derzeit stelle sich die Frage aber gar nicht erst.

"Solange wir noch relativ hohe Infektionszahlen haben und damit einen hohen Transmissionsdruck, würde ich die Maskenpflicht unter keinen Umständen auflockern", sagt Kollaritsch. "Wir werden in den kommenden Wochen genug damit zu tun haben, die Öffnungsschritte epidemiologisch zu verkraften." (Eja Kapeller, 30.4.2021)