Die Pandemie hat Lebensmittelverschwendung angeheizt.

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Stellen Sie sich vor, Sie hätten von Neujahr weg bis Anfang Mai alle Lebensmittel-Einkäufe und jedes per Lieferservice bestellte Essen geradewegs in die Mülltonne befördert. Was absurd anmutet, ist aufs Ganze gesehen Realität: Rund eine Million vermeidbare Lebensmittelabfälle produziert Österreich pro Jahr – rund ein Drittel alles produzierten Essens. Das entspricht etwa der Menge, die Salzburg und Kärnten in einem Jahr verbraucht. Rein rechnerisch ist damit der 2. Mai der symbolische Tag, bis zu dem alle Lebensmittel im Müll landen.

Die Corona-Pandemie hat die Lebensmittelverschwendung weiter angeheizt. Zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht des WWF, der anlässlich des Tags gegen Lebensmittelverschwendung präsentiert wurde. "Während der Pandemie haben fehlende Planbarkeit, verändertes Konsumverhalten und plötzlich nicht mehr vorhandene Absatzmöglichkeiten zum Stocken der Lieferketten geführt", sagte Olivia Herzog von WWF Österreich. Nahrungsmittel landeten in der Folge im Müll, denn sie konnten nicht zeitgerecht weiterverarbeitet oder den Konsumenten angeboten werden.

Weil Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung geschlossen waren, fanden manche Produkte durch geänderte Vertriebswege und dadurch neu geltenden Anforderungskriterien keine Abnahme mehr. Die Gastronomie sei etwa ein wichtiger Abnehmer von Lebensmitteln, die es aufgrund von Form, Farbe oder Größe nicht in den Einzelhandel schaffen, heißt es in dem Bericht. Der Großhandel musste in kürzester Zeit neue Absatzwege für seine Produkte finden, eine enorme Herausforderung, die wegen enormer Mengen und für den Einzelhandel untypische Großverpackungen nicht immer gelang. "Einen Zehn-Liter-Schlagoberskübel kauft niemand", sagte Herwig Gruber, Geschäftsführer des Lebensmittelhändlers Kastner bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag.

Fehlende Ernterarbeiter

Auch die Grenzschließungen führten zu Probleme: Auf den Feldern konnten Ernten nicht zeitgerecht eingebracht werden, weil Erntehelferinnen und Erntehelfer nicht nach Österreich reisen konnten. In einem Fall konnten etwa Deckel für Joghurtbecher nicht rechtzeitig aus Italien geliefert werden, woraufhin bereits produzierte Lebensmittel entsorgt werden mussten. Weiters sei es aufgrund der Pandemie vereinzelt zu Lieferschwierigkeiten bei Maschinen und Ersatzteilen aus dem Ausland gekommen, die für die Produktion von Lebensmitteln notwendig gewesen wären. Genaue Zahlen nennt der Bericht des WWF allerdings nicht.

"Die komplexen Lieferketten haben sich als Achillesferse entpuppt", sagt Olivia Herzog. Die Umweltorganisation fordert für die Industrie gesetzlich verbindliche Reduktionsziele von Lebensmittelabfällen und die verpflichtende Teilnahme bei der Erstellung einer "Datenbasis, die zeigt, wie viele Nahrungsmittel weggeworfen werden".

"Bäurinnen und Bauern brauchen eine zentrale Anlaufstelle, um Überschüsse anzumelden", sagte Cornelia Diesenreither, Mitgründerin von Unverschwendet, das aus Produktionsüberschüssen Feinkostprodukte herstellt. Mit Unverschwendet wolle sie diese Lücke schließen und habe bereits ein smartes Überschussmanagementsystem programmiert.

Am meisten Lebensmittel, nämlich 521.000 Tonnen, gehen laut WWF in den Privathaushalten verloren, gefolgt von Außer-Haus-Verpflegung (175.000 Tonnen), Produktion (122.000 Tonnen), Einzelhandel (79.000 Tonnen) und Großhandel (10.000 Tonnen). Für die Lebensmittelverluste in der Landwirtschaft gibt es keine Zahlen. (red, 2.5.2021)