Wälder dürfen frei betreten werden – auf eigenes Risiko.

Foto: proHolz Austria / Forstgut Wallersberg

Geht es nach Justizministerin Alma Zadić (Grüne), sollen Bäume künftig einen besseren gesetzlichen Schutz erhalten. Dass dieser Schutz über ein neues Haftungsrecht führen soll, mag zunächst verwundern, hat aber einen einfachen Grund: Derzeit schneiden Förster, Waldeigentümer, aber auch Gemeinden Bäume und Sträucher oftmals vorsorglich weg, um das Haftungsrisiko für herabfallende Äste zu verringern. Eine für Ende dieses Jahres geplante Gesetzesänderung soll nun Fragen klären und Rechtssicherheit schaffen.

Die aktuelle Rechtslage unterscheidet zwischen Bäumen im Wald und außerhalb davon. Im Wald gilt seit Jahrzehnten eine Haftungserleichterung: Eigentümer haften grundsätzlich nicht für die allgemeinen Gefahren des Waldes, sondern nur für Forststraßen und andere öffentliche Wege.

Dort gilt die sogenannte Wegehalterhaftung: Eigentümer von Wegen haften demnach nur für grobe Fahrlässigkeit. Zudem muss das Verschulden – wie im allgemeinen Schadenersatzrecht üblich – vom Geschädigten bewiesen werden.

Öffnung der Wälder

Die Sonderregelung hat ihren Ursprung in der Öffnung der Wälder im Jahr 1975. Jede Person hat seither das Recht, den Wald zu Erholungszwecken zu betreten und sich dort aufzuhalten. Als Ausgleich für die Waldöffnung und die damit befürchtete Haftungserweiterung für die Waldeigentümer wurde das Haftungsrisiko eingeschränkt, sagt Patrick Majcen, Leiter der Rechtspolitik in der Landwirtschaftskammer Österreich.

Probleme bereitet allerdings die Baumhaftung außerhalb des Waldes – etwa in Parks oder auf Spielplätzen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt es nicht. In Haftungsfragen wird deshalb auf die sogenannte Bauwerkehaftung zurückgegriffen. Besitzer eines Gebäudes haften, wenn Menschen durch herabstürzende Teile verletzt werden.

Die Rechtsprechung dehnte diesen Paragrafen auch auf Bäume aus. Das Problem: Das Gesetz sieht eine Beweislastumkehr vor. Der Baumbesitzer muss also beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft – er also Maßnahmen gesetzt hat, um Unfälle zu vermeiden. Eine Haftung scheidet laut Rechtsprechung aber dann aus, wenn die Gefahr, die vom Baum ausgeht, nicht vorhersehbar war.

Schutzvorkehrungen

Dass man das Risiko für Baumbesitzer außerhalb des Waldes verringern will, kann Majcen nachvollziehen: "Die Haftung ist hier relativ streng. Baumbesitzer, etwa Gemeinden, müssen beweisen, dass sie alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz gegen Gefahren, welche von Bäumen ausgehen, getroffen haben und sie daher keine Schuld trifft."

Da das Haftungsrisiko dementsprechend groß ist, vor allem an stark frequentierten Plätzen, seien die Änderungswünsche legitim, genauso wie die derzeit stattfindenden "Angstschnitte".

Mit dem neuen Gesetz will das Justizministerium nun mehr Klarheit schaffen und den Baumhaltern genau diese Angst nehmen. In Zukunft soll es für Bäume daher einen eigenen Paragrafen geben, sodass nicht mehr auf die Bauwerkehaftung zurückgegriffen werden muss. Laut Ministerium wird dafür der Paragraf 1319b ins ABGB aufgenommen, der für Baumhalter eine Haftungserleichterung vorsieht.

Ohne Furcht am Spielplatz

Laut Majcen ist man hier jedoch erst am Beginn der Gespräche, und eine dementsprechende Neuregelung müsse natürlich mit Augenmaß geschehen, damit man sich nicht fürchten müsse, wenn man mit seinen Kindern auf den Spielplatz geht. Für die Situation im Wald sieht er das Problem eher bei der Kommunikation: "Das Haftungsrisiko wird oftmals übertrieben dargestellt. Das führt dann zu übervorsichtigen Angstschnitten."

Fraglich bleibt, ob eine Novelle im Haftungsrecht die Praxis tatsächlich ändern würde. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht kann unter Umständen nämlich auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Laut Justizministerium werden mit dem geplanten Paragrafen aber neue Sorgfaltsmaßstäbe definiert, die dann auch auf die strafrechtliche Beurteilung weiterwirken. (Jakob Pflügl, 3.5.2021)