Militärischer Empfang in Minimalbesetzung am Freitag auf der Terrasse des Bernerhofs: Ministerin Tanner mit Bundesrätin Amherd, beschirmt vom Bundesweibel, dem Zeremonienmeister.

Foto: VBS/DDPS André Scheidegger

Bern – Die Zeremonie verläuft Corona-bedingt minimalistisch, aber durchaus zackig: Die Frau Leutnant meldet die kleine Ehrenformation und das Rekrutenspiel 16-1, das ebenfalls in Minimalbesetzung die österreichische und die Schweizer Hymne spielt. Kurzer Dank – dann geht es für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihre Schweizer Amtskollegin, Bundesrätin Viola Amherd, an die Arbeit. Die beiden neutralen Nationen in der Mitte Europas wollen militärisch eng zusammenarbeiten, wobei die Schweiz zumindest auf den ersten Blick eher aus dem Vollen schöpfen kann.

Die Eidgenossenschaft verfügt über einen Wehretat von umgerechnet rund 4,8 Milliarden Euro, von denen zwei Milliarden für Beschaffung vorgesehen sind – und die sechsmal drei Wochen "Wiederholungsübungen", die jeder Wehrpflichtige nach der viereinhalbmonatigen Rekrutenschule zu leisten hat, werden zwar aus dem allgemeinen Budget gezahlt, nicht aber dem Verteidigungsdepartement zugerechnet. Das österreichische Bundesheer muss dagegen mit insgesamt 2,68 Milliarden Euro Personal, Betrieb und Investitionen stemmen.

Kleiner Trost für die österreichischen Soldaten: Tanner konnte für 2021 fünf Prozent Budgetsteigerung herausverhandeln, in der Schweiz ist der Anstieg des (wie gezeigt: wesentlich höheren) Budgets mit 1,5 Prozent gesetzlich festgeschrieben.

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Dabei sind die militärischen Aufgaben sehr ähnlich, wie der Vergleich des nur einen Tag vor Tanners Besuch am letzten Freitag vorgelegten, 43 Seiten starken Regierungsberichts "Die Sicherheitspolitik der Schweiz" mit der achtmal so dicken "Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2021" aus Österreich zeigt.

Im knappen Schweizer Dokument liest sich das so: "Heutige Konflikte folgen deshalb weniger als früher einem klassischen Eskalationsprozess. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass politische, wirtschaftliche, militärische, nachrichtendienstliche, informationelle und auch kriminelle Mittel unter Einbezug moderner Waffen und Technologien, insbesondere im Informations- und Cyberbereich, orchestriert und so lange wie möglich verdeckt unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Konflikts eingesetzt werden."

Schweizer erwägen Gegenangriffe

Damit werde klassische Verteidigung aber nicht obsolet, heißt es weiter: "Die traditionellen (militärischen) Mittel der Konfliktaustragung werden dadurch aber nicht irrelevant. Cyber- und Informationsmittel können zur Zermürbung als Vorbereitung eines Angriffs dienen und schließlich in bewaffnete Konflikte herkömmlicher Art münden."

Ganz weit oben auf den Bedrohungslisten beider Länder steht daher die Cyberverteidigung – wobei die Schweiz sich ganz offen zum Gegenangriff bekennt: "Dazu werden ihre defensiven und offensiven Fähigkeiten im Cyberbereich ausgebaut." Immerhin war gerade das Vorjahr von mehreren über das Internet getragenen Angriffen auf die neutralen Länder gekennzeichnet, in Österreich war bekanntlich das IT-System des Außenministeriums betroffen, ohne dass es irgendeinen Gegenschlag gegeben hätte.

"In der Pandemie hat die Cyber-Defence an Bedeutung gewonnen. Es hat Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und auch auf Armeesysteme gegeben. Hier geht es darum, Angriffe unmittelbar abzuwehren", erklärte Amherd dem STANDARD.

Gemeinsame Ausbildung von Cybersoldaten

Hier gibt es bereits eine Ausbildungskooperation zwischen Bundesheer und Schweizer Armee. In den vergangenen beiden Jahren haben Bundesheerangehörige Ausbildungen am Schweizer Cyber-Defence-Campus absolviert – "gerade im virtuellen Raum ist Kooperation unverzichtbar", sagt die Schweizer Ministerin.

Aber nicht nur dort: Beide Länder haben den Westbalkan als Region definiert, wo die Stabilisierung letztlich auch Mitteleuropa nutzt. Da die Schweiz weniger Soldaten in der "militärischen Friedensförderung" einsetzt, braucht sie auch kein großes Transportflugzeug – hier haben sich die C-130 Hercules des Bundesheers bewährt.

Insgesamt 150 Projekte der militärischen Zusammenarbeit, geregelt in 13 bilateralen Abkommen zwischen Österreich und der Schweiz, sind derzeit im Programm. Darunter ist seit 2017 auch ein Rekrutenaustauschprogramm, bei dem Grundwehrdiener das Ausbildungssystem des Nachbarlands kennenlernen – gemeinsame Ausbildungsvorhaben für Offiziere und Unteroffiziere gibt es schon länger. "Diese Ausbildungskooperation läuft friktionsfrei und trägt schwergewichtsmäßig durch einen Wissenstransfer zur Optimierung der eigenen Ausbildungsgrundlagen und zur gezielten Fähigkeitsentwicklung bei", heißt es aus dem Verteidigungsministerium.

Zusammenarbeit in der Luft

Kooperiert wird auch bei der Luftraumüberwachung – etwa wenn 2022 das Weltwirtschaftsforum wieder in Davos stattfindet. Bis dahin sollte in der Schweiz auch die Typenentscheidung gefallen sein, welches Kampfflugzeug die 1997 in Dienst gestellten F/A-18C/D Hornet (von Boeing geliefert, im schweizerischen Emmen zusammengebaut) ersetzen sollen. In einer Volksabstimmung hatten im September des Vorjahres 50,1 Prozent Ja zu neuen Kampfjets gesagt – die Typenwahl soll bis Juni erfolgen.

Boeing aus den USA sieht seinen Super Hornet als logischen Nachfolger. Der französische Hersteller Dassault wiederum hebt die langjährige Erfolgsbilanz seiner Rafale in Kriegseinsätzen hervor, die F-35 von Lockheed Martin wurde ebenfalls schon in der Schweiz vorgestellt, und Airbus ist überzeugt, dass sein Eurofighter optimal zur Schweiz passen würde. Der schwedische JAS 39 Gripen wurde schon vor sieben Jahren in einem Volksentscheid abgelehnt.

Der Gripen war als Ersatz für die F-5 Tiger gedacht. Von diese Typ hat sich Österreich von 2004 bis 2008 zwölf Stück ausgeborgt, um die Lücke zwischen den veralteten Draken und den damals noch nicht ausgelieferten Eurofightern zu schließen. Wie Österreich diese alternden und stets politisch umstrittenen Flieger ersetzen will, ist derweil völlig unklar. (Conrad Seidl, 3.5.2021)