Die Malediven zum Beispiel verfolgen eine "3 V"-Strategie (visit, vaccinate, vacation), die Touristen dazu ermutigt, das Land zu besuchen, sich impfen zu lassen und Urlaub zu machen.

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Vor knapp einem Monat sorgte das Thema "Impftourismus nach Serbien" noch für Schlagzeilen. Dort konnte man sich auch als Ausländer den ersehnten Pikser zur Immunisierung gegen Covid-19 abholen. Während es dieses Angebot in Serbien mittlerweile – zumindest vorerst – nicht mehr gibt, dürften sich andere Länder beziehungsweise Reiseveranstalter überlegt haben, wie sich daraus ein lukratives Geschäftsmodell entwickeln ließe.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zum Beispiel können Ausländer unter gewissen Bedingungen eine Corona-Impfung erhalten. Ohne viel Bürokratie sollen hier alle eine Spritze bekommen, die Bürger oder Bewohner von Dubai sind – ein Status, der sich auch temporär erwerben lässt. Und zwar über die Teilnahme am einjährigen Programm "virtuelles Arbeiten".

"Reise- und Life-Style-Service"

Beantragt werden kann diese über die Website Visit Dubai zum Preis von 611 Dollar, wie auf der Website zu lesen ist. Innerhalb von drei Wochen würden die Anträge bei Vorlage aller benötigten Unterlagen bearbeitet, verspricht die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate. Für die Impfung sei allerdings ein längerer Aufenthalt vor Ort notwendig, nur kurz reinzufliegen zum Empfang der beiden Dosen sei nicht möglich.

Neben dieser Option bietet der britische Knightsbridge Circle, ein exklusiver "Reise- und Life-Style-Service", Impftrips in die Emirate an, falls die Impfwilligen über 65 Jahre alt sind und über das nötige Kleingeld verfügen. Denn das Ganze kostet mehrere tausend Pfund, heißt es beim "Handelsblatt". Luxusaufenthalt inklusive, weiß man beim "Telegraph". Pfizer-Dosen erhalte aber nur, wer eine Aufenthaltsgenehmigung in den VAE habe. Sonst müsse man sich mit dem chinesischen Impfstoff von Sinopharm begnügen. Laut "Financial Times" sei in der Folge ein offizielles Impftourismusprogramm geplant. Irgendwann.

Impfen und Urlaub

Nach einem Jahr ohne Tourismus versuchen einige Länder, die Besucherzahlen anzukurbeln, indem sie Impfungen "on arrival" anbieten. Die Malediven zum Beispiel verfolgen eine "3 V"-Strategie (visit, vaccinate, vacation), die Touristen dazu ermutigt, das Land zu besuchen, sich impfen zu lassen und Urlaub zu machen.

Möglichst "bequem" wolle es man den Urlaubern machen, sagte dazu der Tourismusminister der Malediven, Abdulla Mausoom, gegenüber CNBC. Während nur etwa 13 Prozent der Malediver vollständig geimpft sind, sind es laut Mausoom etwa 90 Prozent der Tourismusmitarbeiter an vorderster Front. Diese Statistik verdeutlicht die Bedeutung des Tourismussektors für die Wirtschaft des Landes. Wann genau allerdings der Impfurlaub unter Palmen beginnen kann, ist noch unklar. Ebenso unsicher ist, ob zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt noch eine Nachfrage für Impfreisen besteht.

Einschlägige Reiseanbieter

Auch Alaska will mit Corona-Impfungen Touristen anlocken. Vom 1. Juni an sollen sie an den Flughäfen in Anchorage, Fairbanks, Juneau und Ketchikan die Spritze erhalten können. Das Angebot sei "wahrscheinlich ein weiterer guter Grund, um im Sommer in den Staat Alaska zu kommen", sagte Gouverneur Mike Dunleavy laut ZDF. Der US-Bundesstaat ist von starken Einschränkungen für Kreuzfahrtschiffe für den Rest des laufenden Jahres stark betroffen, man prüfe deshalb eine Klage gegen die US-Regierung.

Im wöchentlichen Rhythmus will wiederum der skandinavische Reiseveranstalter World Visitor Kunden nach Moskau bringen, die sich dort impfen lassen können. Am 16. April seien die ersten Gäste erfolgreich geimpft worden, erklärt das Unternehmen per Pressemitteilung. Im Angebot sind zum Beispiel Vier-Tages-Kurzreisen sowie 22-tägige Reisen, bei denen beide nötigen Impfungen auf einer Reise erledigt werden können. "Sollte Russland seine Pläne umsetzen und auch im Transitbereich eines seiner Flughäfen ein Impfzentrum eröffnen, so sind zu einem späteren Termin dann auch Impftagesreisen ohne oder mit einem stark vereinfachten Visum möglich", kündigt der Veranstalter an.

Russische Propaganda

Auf dessen Website heißt es, die Kosten für österreichische Staatsbürger würden inklusive ministerialer Einladung, Vereinbarung des Arzttermins und der Stellung eines Dolmetschers 799 Euro für beide Impftermine betragen. Und weiter: "Der Arzttermin selbst und die Beauftragung zur Impfung (Gesamtkosten circa 200 bis 220 Euro pro Termin) obliegt Ihnen. Der Impfstoff 'Sputnik V' wird von der russischen Föderation kostenlos für Sie zur Verfügung gestellt. Sie entscheiden frei und unabhängig, ob Sie sich impfen lassen wollen."

Dies könne zum Beispiel während einer drei- bis vierwöchigen Kur- und Wellnessreise in Russland stattfinden. Ferner gebe es die Möglichkeit, sich im Rahmen von zwei Kurzreisen nach Moskau impfen zu lassen. Oder man verbindet die beiden Impftermine mit einem "langersehnten Urlaub" dazwischen: "Wie wäre es zum Beispiel mit der Türkei oder Dubai?" Wermutstropfen: Sputnik V ist in der EU noch nicht offiziell zugelassen.

Und: Die Russen nutzen dies für Propaganda. Tatsächlich berichteten Kreml-nahe Medien ausführlich von den ersten Impfreisenden aus Europa, wobei das Impfchaos in Europa und die Probleme mit dem Vakzin von Astra Zeneca dabei prominent erwähnt wurden, wie es beim "Handelsblatt" heißt.

Moralische Frage

Die großen Reisekonzerne geben sich bei diesem Thema weitgehend zurückhaltend. "Es gibt keinerlei Gedanken bei Tui, Reisen anzubieten, während derer sich Menschen impfen lassen können", wird ein Manager des Unternehmens in der "Wirtschaftswoche" zitiert. Der Markt sei schlicht zu klein: "Das sind angesichts der hohen Kosten bestenfalls ein paar tausend Kunden, besonders weil mit dem Fortschritt der Impfungen das Interesse nachlassen dürfte."

Es stellt sich für Reisende und die Reisebranche nicht zuletzt eine moralische Frage: Bei der Beschaffung und der Verteilung von Impfstoffen herrscht global Ungleichheit. Laut einer Studie des Projekts Our World in Data an der Universität Oxford sind 82 Prozent der weltweit verabreichten Impfstoffe in Ländern mit hohem und oberem mittleren Einkommen verimpft worden. Nur 0,2 Prozent der Impfstoffe kamen in Ländern mit niedrigem Einkommen an.

Reisen für Behandlungen, die entweder nur begrenzt verfügbar oder billiger sind als im Heimatland, seien laut I. Glenn Cohen, Professor an der Harvard Law School und Direktor des Petrie-Flom Center for Health Law Policy, Biotechnology and Bioethics, allerdings nicht neu. Ein florierender Markt für Medizintourismus existiere schon seit Jahren, sagt er gegenüber "National Geographic". Er meint: Im Fall des Covid-19-Impfstoffs könnten Länder mit überschüssigem Impfstoff diesen zur Ankurbelung des Reiseverkehrs nutzen, solange Risikogruppen zuvor geschützt wurden. "Wichtig ist, dass es der Bevölkerung des Landes nützt", sagt er. "Er sollte den Ärmsten in der Gemeinschaft zugutekommen und nicht nur den Reichen." (max, 3.5.2021)