Apple-Chef Tim Cook ist mit den aktuellen Verhältnissen im App Store zufrieden. Das sieht so mancher App-Anbieter hingegen anders.

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Lange war Apple für die Politik so etwas wie das Liebkind unter den großen Techfirmen. Wo Facebook und Google sich schon länger scharfe Kritik für ihr Geschäftsgebaren gefallen lassen müssen, wurde mit Apple-Vertretern bei öffentlichen Anhörungen noch vor kurzem recht ungezwungen gescherzt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Aktuell sieht sich das Unternehmen sowohl in den USA als auch in Europa einer Reihe von kartellrechtlichen Untersuchungen sowie Klagen ausgesetzt. In deren Fokus steht ausgerechnet einer der wichtigsten – und profitabelsten – Dienste des Unternehmens: der App Store.

Startschuss

Am Montag startete in den USA ein mit großer Spannung erwarteter Prozess: Der Spielehersteller Epic Games will vor Gericht nicht weniger als die alleinige Kontrolle Apples über die App-Verbreitung auf iPhones und iPads zu Fall bringen. Oberflächlich betrachtet geht es dabei zunächst vor allem um eines: Geld. Der "Fortnite"-Entwickler stört sich daran, dass Apple bei sämtlichen über den App Store abgewickelten Zahlungen zwischen 15 und 30 Prozent mitverdient. Das gilt für den Kauf einer App ebenso wie für den Abschluss eines Abos oder auch Transaktionen innerhalb eines Spiels. Die eigentliche Problematik ergibt sich dabei aber aus der Exklusivität: Apple verbietet die Nutzung alternativer Bezahldienste, sämtliche Zahlungen müssen also über Apple Pay abgeschlossen werden – und somit unter Bezahlung der erwähnten Apple-Steuer. Dies sei ein klarer Fall von unfairer Ausnutzung einer Marktmacht, beklagt Epic. Immerhin handle es sich dabei zu großen Teilen um Dinge, für die Apple selbst nichts geleistet habe.

Epic argumentiert auch mit Videos durchaus geschickt gegen Apple.
Fortnite

Das sieht man bei Apple naturgemäß anders. Das Unternehmen verweist gerne darauf, dass es erst der App Store und die eigene strikte Kontrolle darüber waren, die Firmen wie Epic überhaupt diese Einnahmequelle erschlossen hätten. So investiere man etwa massiv in den Schutz des App Stores, um diesen zu einer für alle Nutzer sicheren Umgebung zu machen. Eine Argumentation, der Epic allerdings einiges zu entgegnen hat, wie aus schon vor dem Prozess veröffentlichten Eingaben bekannt ist. Darin verweist man etwa darauf, dass Apple nach eigenen Angaben zwar hunderte Millionen in den Betrieb des App Stores stecke, die damit erzielten Gewinne aber von Experten auf einen Betrag im zweistelligen Milliarden-Dollar-Bereich geschätzt werden. Ein von Epic benannter Gutachter geht sogar davon aus, dass Apples Gewinnmarge in diesem Bereich um die 75 Prozent liegt. Apple bestreitet diese Zahlen, da man hier auch andere Faktoren einbeziehen müsse, eigene Zahlen will das Unternehmen aber nicht liefern. Lieber verweist man darauf, dass 84 Prozent aller Apps im App Store gar keine Gebühren zahlen müssen, da sie kostenlos sind.

Klare Aussagen

Wie sehr Apple vom Wert des App Stores für Drittentwickler überzeugt ist, war erst unlängst in einer Anhörung vor dem US-Kongress zu hören. Dort berichtete ein Mitarbeiter des Dating-App-Herstellers Match von einer Konversation mit Apple, in der Vertreter des Unternehmens regelrecht empört über Diskussionen zur App-Store-Beteiligung gewesen sein sollen. Match solle glücklich sein, dass sich Apple so bescheiden gebe. In Wirklichkeit schulde Match Apple nämlich jeden verdienten Groschen, da man ohne die iOS-Plattform nichts wäre. Ein Punkt, den Apple – wenn auch nicht in dieser Schärfe – gerne anführt, dem Kritiker aber entgegenhalten, dass er nicht zu Ende gedacht ist. Immerhin ließe sich diese Argumentation auch umgekehrt führen. Nämlich dass Apple nur deswegen so viele iPhones verkauft, weil es all die Apps von anderen Herstellern für die Plattform gibt.

Was das Sicherheitsargument von Apple anbelangt, hat Epic ebenfalls eine recht simple Replik parat, nämlich ob das Unternehmen damit sagen will, dass die eigene Mac-Plattform unsicher sei. Immerhin ist unter Mac OS genau das möglich, was der Spielehersteller auch für iPhones und iPads fordert. Die Nutzer können wahlweise Apples App Store benutzen oder aber sich einfach Programme aus anderen Quellen besorgen. Auch einen Zwang zu einem einzelnen Bezahldienst gebe es hier nicht.

Die Steuer bleibt unerwartet hoch

In die Bredouille könnten Apple dabei auch Aussagen der eigenen Mitarbeiter bringen. So führt Epic Games etwa eine Aussage des langjährigen App-Store-Chefs ins Treffen. Laut internen Dokumenten soll Phil Schiller bereits im Jahr 2011 betont haben, dass die 30-Prozent-Beteiligung langfristig nicht zu halten sei, da der Druck von Konkurrenten eine Reduktion notwendig machen würde. Genau deren Aufkommen hat Apple aber gezielt verhindert, da man am iPhone nicht nur alternative App Stores verbietet, sondern auch die Fähigkeiten anderer Webbrowser sowie die Integration von Web-Apps in das System beschränkt.

Ausgangspunkt des aktuellen Verfahrens war eine gezielte Provokation von Epic Games. Das Unternehmen hatte im Sommer 2020 bei "Fortnite" Transaktionen über einen eigenen Bezahldienst erlaubt und durch die auf diesem Weg niedrigeren Preise auf die "Apple-Steuer" hingewiesen. Was folgte, war der zu erwartende Rauswurf aus dem App Store durch Apple und das umgehende Einbringen der nun verhandelten Klage durch Epic.

Was ist mit Google?

Parallel dazu hat der Spielehersteller übrigens auch eine Klage gegen Google und dessen Play Store eingebracht. Immerhin sichert sich der Android-Hersteller dort eine ähnliche finanzielle Beteiligung. Dass sich die aktuelle Diskussion trotzdem vor allem an Apple entzündet, liegt an der größeren Offenheit von Android. Immerhin ist es unter Googles Betriebssystem nicht nur möglich, alternative App Stores zu installieren, auch dürfen Firmen wie Spotify einfach auf die eigene Website verweisen, um dort den App-Verkauf abzuwickeln – womit dann auch keine Gebühren anfallen.

Untersuchung der EU

Das Epic-Verfahren ist nicht das einzige Ungemach, das derzeit auf Apple rund um den App Store zukommt. So erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erst vor wenigen Tagen, dass Apple gegen Wettbewerbsrecht verstoße, indem die Anbieter anderer Musik-Streaming-Apps benachteiligt würden. Dies sei das vorläufige Ergebnis einer bereits 2019 von Spotify eingebrachten Beschwerde. Auch hier geht es um die finanzielle Beteiligung von Apple an den App-Store-Einnahmen. Immerhin werde so Spotify teurer, wodurch indirekt Apples eigener Streaming-Dienst, Apple Music, bevorzugt werde.

Viele Fragen offen

Genau dieser Punkt zeigt gut, wie relevant die aktuellen Diskussionen für die Zukunft der gesamten Branche sind. Immerhin werden dadurch grundlegende Fragen aufgeworfen. Neben der Diskussion, wie offen oder geschlossen eine Plattform eigentlich sein darf, geht es dabei auch darum, ob ein Plattformbetreiber überhaupt selbst mit seinen eigenen Kunden in Konkurrenz treten darf. Immerhin hat er dabei implizit immer einen Vorteil. Und dann ist man schnell bei Firmen wie Amazon, die auf der eigenen Plattform auch eigene Produkte verkaufen. Dass dies ein problematisches Verhältnis darstellt, davon scheint man jedenfalls auch in der EU überzeugt zu sein. So spricht Wettbewerbskommissarin Vestager etwa explizit davon, dass es nicht gehe, dass Apple zugleich "Torwächter" als auch Konkurrent sei.

Für den Epic-Prozess wird aber noch eine ganz andere Frage wichtig sein, nämlich wie die Begriffe "Markt" und "Monopol" heutzutage zu definieren sind. Immerhin verweist Apple routinemäßig darauf, dass man im Wettbewerb mit anderen Herstellern stehe. Wer mit der aktuellen Situation nicht zufrieden sei, könne einfach auf Android wechseln. Epic hingegen definiert iOS als eigenen Markt, über den Apple die Alleinherrschaft habe. Genau dieser Punkt ist es denn auch, der so manche Experten prognostizieren lässt, dass Epic den Prozess verlieren könnte, immerhin widerspricht dies der bisher in den USA gepflegten Marktdefinition. Doch selbst wenn das der Fall sein sollte, die aktuellen Entwicklungen machen eines klar: So einfach wie bisher wird Apple den Wettbewerbsbehörden nicht mehr davonkommen. Die nächsten Verfahren stehen schon in den Startlöchern. (Andreas Proschofsky, 3.5.2021)