Am Donnerstagabend soll ein Mann in Wien-Brigittenau seine Ex-Partnerin erschossen haben.

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Es müsse erst etwas "sehr Schlimmes" geschehen, bis etwas für den Schutz von Gewaltopfern getan werde, kritisierte am Montag Maria Rösslhumer. Das "Schlimme", auf das sich die Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser bezog, ist der mutmaßlich neunte Mord an einer Frau in Österreich in diesem Jahr.

Am Donnerstagabend soll in Wien-Brigittenau eine 35-jährige Frau in ihrer Wohnung von ihrem Ex-Partner erschossen worden sein. Der 42-jährige Tatverdächtige, bei dem es sich um den sogenannten "Bierwirt" handelt, wurde im Hof des Gemeindebaus von der Polizei in schwerem Rauschzustand vorgefunden. Er wurde am Freitag zur polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter vorgeführt, wo er von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte. Am Montag verhängte das Landesgericht für Strafsachen über den mutmaßlichen Schützen die bei Mordverdacht bedingt obligatorische U-Haft. Der Mann wurde auf die Krankenstation der Justizanstalt Josefstadt verlegt.

Kurz nach der Tat beraumte die Regierung einen Sicherheitsgipfel für Montag an. Familienministerin Susanne Raab, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) berieten mit den neun Landespolizeidirektoren und Landeskriminalamtsleitern über ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt. ÖVP und Grüne haben sich nach dem Gipfel unter anderem auf folgende Punkte verständigt:

  • Präventionsbeamte in jeder Inspektion Diese Beamtinnen und Beamten sollen über eine entsprechende Ausbildung verfügen und mit den Opferschutzeinrichtungen vernetzt sein.
  • Motivforschung zu Frauenmorden Das Frauenministerium und das Bundeskriminalamt wollen eine qualitative Untersuchung aller Tötungsdelikte an Frauen in den vergangenen zehn Jahren in Auftrag geben.
  • Fallkonferenzen verstärken Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen sind seit Jänner 2020 wieder gesetzlich verankert. Durch Dienstanweisungen an die Landespolizeidirektionen sollen diese künftig verstärkt herangezogen werden.
  • Psychosoziale Prozessbegleitung Die Staatsanwaltschaften sollen noch gezielter auf die psychosoziale Prozessbegleitung hinweisen. Außerdem ist eine Checkliste geplant, mit der der staatsanwaltschaftliche Journaldienst Fälle von häuslicher Gewalt besser bearbeiten können soll.
  • Schonender Umgang mit Betroffenen Es soll die Möglichkeit forciert werden, dass die Einvernahme der Betroffenen per Video aufgezeichnet wird, um ein Zusammentreffen mit dem Beschuldigten vor Gericht zu vermeiden.
  • Beweissicherung Künftig soll durch bessere Beweismittelsicherung etwa erhoben werden, ob und wann der Beschuldigte bereits früher mit Vorfällen familiärer Gewalt im Zusammenhang stand oder ob bereits Anzeigen vorliegen. Dabei sollen auch Daten von Opferschutzeinrichtungen herangezogen werden. Mit alldem soll die Verurteilungswahrscheinlichkeit erhöht werden.
  • Wiedereinführung der proaktiven Datenübermittlung bei Stalkingfällen Nach einer Anzeige sollen die Opfer von Gewaltschutzeinrichtungen kontaktiert werden können. Dafür soll das Gesetz geändert werden.

Nächste Woche runder Tisch

Darüber hinaus wurde von den Ministerien für kommende Woche ein runder Tisch mit Expertinnen und Experten der Gewaltschutzeinrichtungen im Kanzleramt angesetzt. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Neben einer intensiveren Kooperation pochten die Opferschutzorganisationen am Montag vor allem auf zusätzliche Ressourcen. Mit 228 Millionen Euro jährlich bezifferte die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Klaudia Frieben, den finanziellen Bedarf für den Opferschutz. Es brauche 3.000 zusätzliche Arbeitsstellen und einen Personenschutz für Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind, betonte Rösslhumer. Polizei und Justiz sollen verpflichtende Schulungen zu dem Thema erhalten, denn noch immer komme es bei Prozessen oft zu "Victim-Blaming und Opfer-Täter-Umkehr", sagte Rösslhumer.

Die Morde an Frauen seien Hinrichtungen, so Kastner, und keine "Beziehungsdramen".
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Für Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Adelheid Kastner soll das Augenmerk auf die Fallkonferenzen gelegt werden, wie sie in der Zib2 erläutert. Nur mittels Vernetzung der einbezogenen Einrichtungen sei eine Risikoeinschätzung potenzieller Täter möglich – man müsse dabei alle Informationen zusammentragen und auch weitere Zeugen, wie etwa Nachbarn befragen.

SPÖ will fünf Millionen für Gewaltschutz

Der mutmaßliche Mord in der Brigittenau rief auch die SPÖ auf den Plan. In der Sondersitzung des Nationalrates am Montag verlangte diese fünf Millionen Euro für Gewaltschutz und Prävention sowie die sofortige Einrichtung eines ständigen Krisenstabes von Frauen-, Innen- und Justizressort. "Frauenmorde haben System", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, sie seien ein "gesellschaftliches, kein privates Problem".

In Österreich ist laut einer Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen jede fünfte Frau körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. 2020 wurden 31 Frauen ermordet. (ook, jan, 3.5.2021)