Auch Hubschrauber sind bei den türkischen Einsätzen im Irak in Verwendung.

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Im Nordirak – nicht nur, aber besonders in der kurdischen autonomen Region – haben es die Menschen derzeit wieder gleich an mehreren Fronten mit Sicherheitsproblemen zu tun. Zuletzt häuften sich die Lebenszeichen des "Islamischen Staats", der als Terrororganisation das Ende seines "Staatsgebiets" überlebt hat: Am Wochenende wurden in der Provinz Kirkuk drei kurdische Peshmerga bei IS-Angriffen getötet, in der Nähe von Tarmiya mehrere Soldaten der irakischen Armee.

Die Bekämpfung des IS haben sich neben der regulären Armee auch die meist schiitischen sogenannten Hashd al-Shaab, Volksverteidigungseinheiten, auf die Fahnen geschrieben. Sie jedoch werden ihrerseits für Angriffe auf US-Interessen verantwortlich gemacht, zuletzt etwa am Flughafen der kurdischen Hauptstadt Erbil.

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"Operation Krallen-Donner"

Und zu dieser Gemengelage kommt noch die Türkei, die seit Mitte April ihre Offensive gegen die Rückzugsorte der türkisch-kurdischen PKK auf irakischem Territorium erneuert. Zu Operation "Krallen-Blitz" – die sich vor allem gegen das Gebiet um Avashin und Basyan richtete – kommt nun "Krallen-Donner" in Metina. Dort wollen die Türken laut eigener Aussage auch eine neue Militärbasis eröffnen. Es geht bei den Operationen – die mit dem Code "Kralle" seit 2019 laufen – immer darum, der PKK die Route zu ihren Stellungen in den Qandil-Bergen abzuschneiden.

Dutzende Tote

Laut der "International Crisis Group" wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Türkei und PKK im Nordirak alleine seit Jahresbeginn mindestens 55 Menschen getötet, die meisten davon PKK-Kämpfer. Das türkische Verteidigungsministerium meldete Ende April Angriffe auf mehr als 1200 Ziele. Aber auch die Türkei zahlt einen hohen Blutzoll. Mitte Februar wurden in einer Höhle im Gebiet Gare 13 türkische Sicherheitskräfte, die die PKK gefangen genommen hatte, getötet aufgefunden. Bei türkischen Luftangriffen trifft es auch immer wieder Zivilisten, aber auch irakische Sicherheitskräfte.

Die Präsenz von türkischen Soldaten im Nordirak wird von Experten auf etwa 5000 geschätzt. Ähnlich wie in Syrien kümmert sich die Türkei auch im Irak wenig um Fragen der Souveränität: Im vergangenen Sommer veröffentlichte Ankara selbst eine – später aus der Öffentlichkeit zurückgezogene – Karte mit 37 Militärstützpunkten, heute wiedergegeben vom irakisch-kurdischen Medium Rudaw.

Der Offensive im Februar waren Konsultationen des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar im Irak vorangegangen. Aus Bagdad, aber auch aus Erbil ist über die neue türkische Offensive derzeit nicht viel zu hören, am Montag berief jedoch das irakische Außenministerium wegen der "anhaltenden Verletzung der irakischen Souveränität" den türkischen Botschafter ein, vor allem einen Besuch von Akar bei türkischen Truppen jenseits der türkischen Grenze. Die türkische Botschaft in Bagdad musste zuletzt vermehrt vor Demonstranten geschützt werden.

Das regelmäßige türkische Vordringen auf irakisches Territorium ruft zurzeit vor allem die Hashd-Milizen auf den Plan: So gab es etwa auf den türkischen Stützpunkt bei Bashiqa weiter im Landesinneren vor kurzem einen Luftangriff, der den Milizen zugeschrieben wurde und bei dem ein türkischer Soldat starb.

Hotspot Sinjar

Diverse Milizen bekämpfen auch die türkischen Versuche, die Jesiden-Gebiete in Sinjar unter Kontrolle zu bekommen. Dort hatten die PKK und mit ihr verbündete Gruppen 2013 den IS bekämpft und damit den versuchten IS-Genozid an den Jesiden gestoppt. Nicht alle, aber einige dieser Hashd-Milizen sind mit dem Iran verbündet.

Der türkische Innenminister, der am Freitag den Aufbau der Militärbasis in Metina bekannt gab, zog den Vergleich mit den türkischen Aktivitäten in Syrien: Dort ist ja die türkische Armee – die sich in Syrien jedoch vor allem auf von ihr abhängige Rebellen stützt – seit 2016 in mehreren Wellen vorgedrungen.

PKK-Verbündete

Das türkische Ziel in Syrien war, die mit der PKK verbündeten syrischen Kurden der Partei PYD und deren Miliz YPG von der Grenze zurückzudrängen und das von ihnen kontrollierte autonome Kurdengebiet – Rojava –, das vom Regime in Damaskus stillschweigend geduldet wurde, zu zerschlagen.

Gleichzeitig wurde die YPG von den USA für den Kampf gegen den IS aufgebaut – was zu US-türkischen Spannungen führt. Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden treibt Ankara die Sorge um, dass Washington die Kooperation mit den syrischen Kurden wieder verstärken könnte. Ein weiterer Player in dem Gebiet ist Russland, das sich einerseits mit der türkischen Präsenz arrangiert hat, andererseits die Versöhnung zwischen Kurden und Damaskus betreibt.

In den Irak dringen türkische Truppen auf der Jagd nach der PKK schon seit den 1990er-Jahren ein. Wie in Syrien beruft sich Ankara auf ein – in Abkommen mit Bagdad bzw. Damaskus – verbrieftes Recht auf "Terrorismusbekämpfung". (Gudrun Harrer, 4.5.2021)