Offene Restaurants und Shoppingmalls, spannende neue Architektur, Museen, Hotelbauten und Stadtentwicklungsprojekte – all das auf multikulturellem Untergrund. Auch die Impfspritze gegen Corona ist weit herumgekommen und entspannt nun Taxifahrer und Kellner. Kurz: Es gibt viele Gründe, um aktuell auf Dubai zu blicken. Wer die Expo im Herbst besuchen will, wird eine Stadt vorfinden, die mehr Kontraste bietet denn je. Ein Rundgang vom künstlichen Kunstviertel bis zur Gourmetmeile mit Migrationshintergrund.

1. Architektur für Angeber

Foto: Robert Haidinger

Der Jagd nach Superlativen kann man durchaus pubertäre Züge zuschreiben. In Dubai ist sie auch Marketing -Tool und integraler Bestandteil der Destinations-DNA als Übermorgenland. In stetem Zugzwang, legte Dubai zuletzt das vergleichsweise sympathische, größte per 3D-Drucker hergestellte Haus der Welt nach: Drei Arbeiter und eine Riesendruckmaschine waren für das Amtsgebäude nötig. Leichter findet man das größte Riesenrad der Welt, das dieser Tage den Betrieb aufnimmt – als Top-Attraktion der ebenfalls neuen künstlichen Insel Bluewaters Island.
aindubai.info

2. Bauarbeiter spielen

Foto: Robert Haidinger

Mit Schaufel und Plastikbagger in der Sandkiste auftauchen? Geht in diesem Emirat am Rande der Wüste fast überall. Aber aufwühlender ist der kleine Themenpark "Diggers Lab" am Strandabschnitt La Mer. Dass Kinder hier mit Minibaggern und signalgelben Raupen auch größere Sandberge verschieben, beschreibt nur eine Seite des Bauzauns. Daneben interessiert hoffentlich auch die Rolle von Bauarbeitern in dieser Umgebung. An der Dauerbaustelle Dubai stehen Kräne und Baugruben für Normalität. Zugleich wirken sie sonderbar entkoppelt vom Rest der Stadt. Die Trostlosigkeit rund um Dubai Canal samt mäandernder Tolerance Bridge oder Calatravas geplantem Dubai Creek Tower ist chronisch und spannend zugleich.
diggerslab.com

3. Alles im Rahmen

Foto: Robert Haidinger

Rahmen sind mehr als bloß Ränder. Sie schaffen Relation, können Legitimität und Autorität eines Bildinhalts unterstreichen – oder herausstreichen: Das Porträt des Herrschers Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum findet sich im Stadtbild häufig. Im sehenswerten Avantgardeviertel Dubai Design District tauchen Herrscher und Kronprinz dank 3D-Lasercut in multipler Maskierung auf: Aluschicht für Aluschicht, fertig ist das Gesicht.

Im Zabeel Park hat sich wiederum der Rahmen selbst zur Metapher sorgfältig gewählter Ausschnitte verwandelt. Wie beim Herrscherporträt soll die Umsetzung als Goldrahmen den Inhalt highlighten. Die Idee hinter dem Gebäude "The Frame" liegt klar auf der Hand: Es ist eine Variante von Starschnitt-Poster. Und der Star heißt selbstverständlich Dubai. Steht man spitzwinkelig davor, zeigt der Ausschnitt bloß tiefblauen Himmel. Spaziert man im Inneren der oberen horizontalen Bilderrahmenleiste hin und her, so erlauben Glasböden Blicke auf spannende Ausschnitte moderner Stadtgestaltung. Dieser Rahmen lässt wirklich wirken, was auf den Besucher wirken soll.
dubaidesigndistrict.com
dubaiframe.ae

4. Istagram-taugliche Hotels

Foto: Robert Haidinger

Die Wiener Möbelbauer kriegerdworski sensibilisierten mit ihrem Verwandlungsmöbel Vollkoffer bereits anlässlich der Designmesse "Blickfang" für ihren Mix aus industrieller Hardware, handwerklicher Expertise und dem emotionalen Gehalt von Analogem. Im neuen Hotel 25hours Dubai wird diese Style-Expertise mit offenen Armen empfangen. Das für Herbst angekündigte Opening des urbanen Boutiquehotels im Dubai One Central District ist vor allem exemplarisch für eine neu aufgeschlagene Seite des Tourismus: Ergänzend zu Überdrüber-Luxus versucht sich Dubai auch als Budget-Reiseziel zu positionieren und dockt dabei an Codes internationaler Designtrends an. Zabeel House Mini Al Seef oder Rove Hotels setzen auf ähnliche Konzepte und planen Hotels als Instagram-Spots. Am oberen Ende der Skala interessiert in Dubai Downtown das jüngste Opening des ME Dubai – dem einzigen komplett von Zaha Hadid geplanten Hotelbau weltweit.
25hours-hotels.com
rovehotels.com
kriegerdworsky.com
melia.com

5. Impftourismus

Foto: Robert Haidinger

Mitte März getroffen: Gegen Covid geimpfte Taxifahrer aus Pakistan und geimpfte Kellner von den Philippinen, außerdem einen Schweizer Expo-Projektleiter von Nüssli Bau (ebenfalls geimpft). Den Verleger Mucha, österreichischer Hoffnungsträger des Dubai-Impftourismus und Betreiber von Impfreisen.at, indessen nicht gesehen. Aber ein paar Vertreter der Tourismusbehörden. Auskunft: Impftourismus ist legal nicht möglich, also existiert er auch nicht. Voraussetzung wäre ein Residence Visa. Die Emirate und Dubai zählen zu den Spitzenreitern in Sachen Corona-Impfung. Sie galten zur Zeit der Recherche als Land mit den drittmeisten in Relation zur Einwohnerzahl verimpften Dosen – überwiegend chinesischer Provenienz.
visitdubai.com

6. Verschobene Weltausstellung

Foto: Robert Haidinger

Die auf diesen Herbst verschobene Weltausstellung zählt zu den größten Veranstaltungen des Jahres: 25 Millionen Besucher werden ab 1. Oktober auf dem 438 Hektar großen Gebiet zwischen Dubai und Abu Dhabi erwartet, erreichbar mit selbstfahrenden Garnituren der verlängerten Metro. Österreich liegt dabei, nicht unoriginell, zwischen China und der Schweiz, außerdem gut im Rennen: Zum Leitthema der Expo – es lautet "Connecting Minds, Creating the Future"– soll das Siegerprojekt von querkraft architekten passen. Ihr Pavillon ist eigentlich ein Netzwerk aus 38 miteinander verschnittenen schneeweißen Kegelstümpfen, die ein wenig wie Gipfel aussehen. Innen setzt Lehmputz archaische Kontraste, wobei die oben offenen Konen das regionale Nachhaltigkeitskonzept arabischer Windtürme aufgreifen. Insgesamt sechzig dieser innovativen Lösungen aus Österreich werden zu sehen sein.
expo2020dubai.com
wko.at/site/expoaustria/de/start.html
querkraft.at

7. Museum der Zukunft

Foto: Robert Haidinger

In Jonathan Swifts Gullivers Reisen binden daumengroße Typen den fremden Reisenden am Boden fest. Wer vor dem neuem Dubaier Museum of the Future steht, mag angesichts der vielen an langen Kletterseilen hängenden Arbeiter an diese einschlägigen Illustrationen denken – wenngleich die Gründe hier andere sind. Hier geht es um die Fixierung kurviger Fenster, welche die Tradition arabischer Kalligrafie aufgreifen und die komplexe Gebäudehülle mit gläsernen Zitaten aus der Feder des Machthabers versehen: Vierzehn Kilometer Herrscher-Poesie in großen LED-Buchstaben gibt es hier in Summe zu lesen.

"Riesen-Donut" nennt ein Taxifahrer das Gebäude, eine Bezeichnung, die die offizielle Beschreibung "des in die Zukunft gerichteten Auges" herrlich respektlos konterkariert. Technologische Grenzen verschob bei der Konstruktion dieser Meisterleistung der Londoner Baukonsulenten BuroHappoldEnineering. Der Designprozess wurde erst auf Basis speziell dafür entwickelter Algorithmen möglich, bei der baulichen Umsetzung halfen gigantische Laserprojektionen.

Da wirkt es fast schon retro, was innen zu sehen ist: Im Museum der Zukunft geht es um schnödes Co-Working von Robotern und Menschen, auch eine Warnung vor dem Klimawandel ist Teil des musealen Angebots.
museumofthefuture.ae

8. Bodenständige Kulinarik

Foto: Robert Haidinger

Der Wirtschaftsmotor "Do-buy", der noch kaum je ins Stottern kam, zieht Arbeitsmigranten aus weitem Umkreis an. Neben Menschen aus Osteuropa, (Nord-)Afrika und West- oder Südasien auch aus Ländern, die nicht erst seit Corona schwer zu bereisen sind. In touristisch unbefleckten Vierteln wie Al Murar zwischen Al Khaleej Road und Naif Street erlaubt das ein unkompliziertes Kennenlernen irakischer Fischgerichte wie Masgouf, afghanischer Kebab-Varianten, syrischer Café-Tradition und iranischer Rosenwasserdesserts.

Dank der geografischen Nähe und Lebendigkeit dieser Communities bieten sie so Alternativen zur Künstlichkeit jener supranationalen Fantasy-Kulinarik, die etliche Dubaier Restaurants prägt. Im ähnlich traditionellen Stadtteil Al Satwah tischt der pakistanische Betreiber von Ravi’s seit 1978 Lamm Biriyani und Currys auf – zu Preisen fast wie in Islamabad. Wer sich die authentischen Aromen der Migrantenwelt lieber von lokalen Foodies näherbringen lassen möchte, kontaktiert Frying Pan Adventures.
fryingpanadventures.com

9. Indische Teekultur

Foto: Robert Haidinger

Die größte Gruppe an Arbeitsmigranten in Dubai stellen Inder. Spätestens mit dem Bollywood-Hype ist auch der indische Milchtee Chai internationales Allgemeingut. Das Project Chaiwalah im Galerie Cluster Alserkal Avenue geht mit dieser Kultur liebevoll um und serviert Marsala Chai und Kardamom Chai wie in einer Inszenierung: Luftgetrocknete Teeschälchen aus rotem Lehm türmen sich zur Deko auf. Die altmodischen Teekannen sind blitzblank poliert, und die Punktlandung des aus großer Höhe eingeschenkten Tees in der Tasse klappt perfekt. Im Viertel findet man auch das einzige Arthouse-Kino der Stadt: Das Cinema Akil hat nach etlichen Pop-up-Kino-Jahren hier seine feste Adresse gefunden und lädt täglich zu Classics und Indie-Streifen. (Robert Haidinger, RONDO, 9.5.2021)
alserkalavenue.ae
projectchaiwala.com
cinemaakil.com

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