Ende Jänner wurden die Kerzen am Tatort des Wiener Terroranschlags verräumt.

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Es mag herzlos geklungen haben, was Wolfgang Peschorn, einst Innenminister und nun Leiter der Finanzprokuratur, kürzlich in der "Zeit im Bild" des ORF sagte, als er darauf angesprochen wurde, dass sich die Familien der Opfer des Terroranschlags in Wien alleingelassen fühlten: Immerhin habe der Bundespräsident den Hinterbliebenen schriftlich sein Beileid ausgedrückt, sagte Peschorn, und auch die Kerzen am Tatort seien ein "starkes Zeichen".

Denn worum es, neben der emotionalen Anteilnahme, auch geht, ist Geld. Immerhin müssen die Familien der getöteten Menschen Bestattungskosten tragen, viele Angehörige brauchen selbst eine Therapie.

Obergrenzen der Großzügigkeit

Dass man denen nicht mehr als ein paar Tausend Euro Schmerzensgeld auszahlen könne, liege aber nicht an einer Knausrigkeit des Staates, argumentiert Peschorn sinngemäß, man sei schlicht an die Grenzen des Verbrechensopferentschädigungsgesetzes gebunden. Würde man mehr auszahlen, so Peschorn, dann wäre das "gesetzwidrig und strafrechtlich relevant" – ihm seien quasi die Hände gebunden.

Dem widerspricht nun der Anwalt der Mutter eines Todesopfers, Norbert Wess, entschieden: "Die Behauptung von Dr. Peschorn ist aus strafrechtlicher Sicht schlichtweg falsch", schreibt er in einem Statement an den STANDARD. Der Staat habe, wie auch jede Privatperson, die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche von Geschädigten anzuerkennen, damit könne er "beiden Seiten eine zivilprozessuale Abhandlung des Terroranschlags ersparen".

Wer ist schuld?

Denn: Strafrechtlich relevant wäre eine außergerichtliche Einigung mit (potenziell) Geschädigten nur dann, wenn diese missbräuchlich geschähe, also außerhalb des vernünftigerweise Argumentierbaren läge und das staatliche Organ sich darüber gewiss wäre, meint Wess, und fragt: "Wäre ein Anerkenntnis von Schadenersatzansprüchen der Opfer des grausamen Terrorattentats vom 2. November 2020 bzw. ihrer Angehörigen tatsächlich außerhalb jeglicher Vernunft?"

Immerhin – und das ist der Knackpunkt in der Beurteilung dieser Rechtsfrage – kam es zu Verfehlungen des Staates bei der Risikobewertung des späteren Attentäters. Der Informationsfluss zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesämtern für Verfassungsschutz war mangelhaft, das stellte auch die eigens eingerichtete Kommission in ihrem Bericht zur Causa fest. Nur: Die Kommission hält auch fest, dass die Verfehlungen der Behörden nicht kausal für den Anschlag waren. Eine solche Kausalität wäre aber Grundvoraussetzung für einen Schadenersatzanspruch gegen die Republik. Die Finanzprokurator bestreitet also, dass die Forderungen der Kläger zu Recht bestehen. Ein Gericht könnte das naturgemäß aber auch anders sehen.

Gesetzesänderung angedacht

Ob nicht dennoch etwas Großzügigkeit angebracht wäre, wird Peschorn im Interview gefragt, ob man nicht etwa auf den Katastrophentopf zugreifen könnte? "Ich glaube, man muss mit dem Steuergeld sorgsam umgehen, und sorgsam umgehen bedeutet, dass man das aufgrund der Gesetze tut, und die Gesetzeslage ist derzeit so", sagt er. Aber man denke darüber nach, das Verbrechensopfergesetz nachzubessern.

Zu Beginn des Jahres 2020 wurde genau dieses Gesetz novelliert, die Antragsfrist für Leistungen aus dem Verbrechensopfergesetz wurde von zwei auf drei Jahre verlängert. Nun sollen, so kündigt Peschorn an, "hier größere Beträge für derartige Fälle, aber vielleicht auch für andere Fälle, in Zukunft zur Auszahlung gelangen können".

SPÖ fordert Entschädigung

Was den aktuellen Fall betrifft, die Opfer des Terroranschlags vom 2. November, so fordert nun auch die SPÖ eine höhere Entschädigung: Die Regierung müsse "ihre Verantwortung wahrnehmen und würdevoll mit den Terroropfern umgehen", kritisiert deren Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.

In einem Antrag, der dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zugewiesen wurde, fordert die SPÖ eine angemessene Entschädigungsleistung. Bisher seien die Opfer mit einem Pauschalbetrag von 2000 Euro aus dem Verbrechensopfergesetz abgespeist worden. "Für viele ist dieser Betrag ein Tropfen auf dem heißen Stein, deswegen wird nun eine Amtshaftungsklage bemüht, die den Opfern eine gerechte Entschädigung zukommen lassen soll. Die Bundesregierung hat sich bisher nicht um die berechtigten Ansprüche der Opfer, Hinterbliebenen und Angehörigen gekümmert", so die SPÖ-Vorsitzende. (Gabriele Scherndl, Jakob Pflügl, 4.5.2021)