Ende April war es wieder so weit: Tausende Landwirte rollten vor dem Europaparlament in Straßburg mit ihren schweren Traktoren an. Was die französischen Landwirte so aufbrachte, war die künftige gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP). Sie brachten den Parlamentariern Botschaften mit: "Grüner ist teurer" oder "GAP 2023, der Tod der Landwirtschaft".

Die Landwirte fühlen sich in Bedrängnis. Die GAP-Reform, die die Landwirtschaft in den nächsten Jahren grüner, einfacher und gerechter machen soll, verstärkt bei vielen den Druck. Dabei geht es um viele wichtige Fragen: Wie wird die Landwirtschaft in Europa nachhaltiger und krisenfester? Was tun gegen das Bauernsterben und gegen den Verlust der Artenvielfalt? Von geschätzt acht Millionen Tier- und Pflanzenarten ist in den nächsten Jahrzehnten immerhin etwa eine Million vom Aussterben bedroht.

Der rot-weiß-rote Plan

Und es geht um viel Geld. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro für die Landwirtschaft vorgesehen. Über die GAP fließen jährlich rund 1,2 Milliarden Euro in die heimische Landwirtschaft. Bund und Länder legen noch drauf. An welche Maßnahmen und Ziele diese Agrarförderungen geknüpft werden, ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen.

Mitte April veröffentlichte das Landwirtschaftsministerium seine Interventionsentwürfe für den österreichischen GAP-Strategieplan. Es geht also um die Frage, wie Österreich die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele des europäischen Green Deal erreichen will.

Luft nach oben

Geht es nach Umweltschutzorganisationen, der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft, ist noch viel Luft nach oben. Sechs der acht untersuchten Ziele des Green Deals lassen sich mit den derzeit vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erreichen, monieren die Österreichische Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV), Global 2000, Birdlife, die Biene Österreich und der Bioverband Erde und Saat, die den Entwurf gemeinsam mit Arbeiterkammer und Pro-Ge unter die Lupe genommen haben.

Die Intensivierung der Landwirtschaft trage zum Artensterben bei, kritisieren Umweltschützer.
Foto: APA/dpa/Felix Kästle

Die Maßnahmen würden sich gar nicht oder kaum von jenen aus vergangenen GAP-Perioden unterscheiden, von denen schon erwiesen sei, dass sie keine nennenswerten Verbesserungen bei den betreffenden Zielen bewirkt hätten. So hat der Rechnungshof etwa 2017 der strategischen Ausrichtung der agrarischen Investitionsförderungen mangelnde Wirkung attestiert. Helmut Burtscher-Schaden, Umweltexperte bei Global 2000, ortet auch jetzt "Planung im Blindflug".

Vier der Green-Deal-Ziele – der "Schutz von Bestäubern", die "50-Prozent-Reduktion" von Nährstoffverlusten ebenso wie von Pestiziden bis 2030 sowie die "sozialen Rechte", seien gar nicht Teil des Planungsprozesses gewesen und erst in den Entwürfen vom 15. April aufgetaucht, kritisiert er. Julianna Fehlinger von der ÖBV vermisst Hebel, um die Klimakrise einzudämmen und das Artensterben zu stoppen.

Stärkung der kleinbäuerlichen Struktur

Dafür brauche es eine Stärkung der kleinbäuerlichen Struktur. Ihr Vorschlag: eine Verdoppelung der Flächenförderung für die ersten 20 Hektar. Gegenfinanzieren ließe sich das durch eine Umverteilung innerhalb der Direktzahlungen, wie dies etwa von der Kommission vorgeschlagen worden sei. Wenig Verständnis gibt es auch dafür, dass die Förderungen nicht an einen Verzicht auf das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat geknüpft sind.


Landwirte sollen künftig grüner produzieren, auch im eigenen Interesse. Noch können viele die Vorteile nicht sehen.
Foto: Imago

Christof Kuhn von Birdlife Österreich findet auch gute Ansätze. Dazu zählt er ÖPUL-Biodiversitätsflächen im Ackerland und ÖPUL-Naturschutzmaßnahmen. Die Umsetzung lasse aber zu wünschen übrig. Dafür brauche es attraktive Förderanreize.

Arbeitsbedingungen

Auf wenig Verständnis bei Arbeiterkammer und Gewerkschaft stößt, dass Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auf EU-Ebene gegen den Vorschlag Portugals eintrete, dass Betriebe, die ihre Erntearbeiter nicht fair behandeln, die Gelder aus dem EU-Topf zurückzahlen müssen. In Österreich würden sich die Stundenlöhne laut Branchen-KV zwar zwischen 6,20 bis 7,40 Euro bewegen, die Realität sehe aber düsterer aus. "Auch hier sind die Arbeitsbedingungen oft unwürdig, in anderen Ländern sind sie eben noch unwürdiger", sagt Pro-Ge-Gewerkschafterin Martina Schneller.

Stefan Mandl, Chef des Imkerdachverbands Biene Österreich, hält "die Entscheidungsträger in Brüssel für unser größtes Problem". Da werde in Ausschüssen und bei Anträgen anders gestimmt, als es in Österreich erzählt werde. Das gelte nicht nur für die geforderte Verbesserung der Lage der Erntehelfer, sondern auch für die geplante Pestizidreduktion.

Einig sind sich alle: Jetzt müsse nachgebessert werden. Erst dann dürften die Parlamentsfraktionen den gesetzlichen Grundlagen für den Strategieplan zustimmen. Und es brauche eine öffentliche Diskussion: Am 17. Mail lädt man zu einer öffentlichen Anhörung mit den Agrarsprecherinnen und Agrarsprechern aller politischen Parteien. Zeit für eine Überarbeitung des GAP-Strategieplanes gibt es noch. Der Stichtag für die Übermittlung nach Brüssel ist der 1. Jänner 2022. (rebu)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert und korrigiert: Über die GAP fließen jährlich rund 1,2 Milliarden Euro aus Brüssel in die heimische Landwirtschaft.