Schon leichte Vorurteile gegenüber einem Geschlecht können laut den Studienautoren bei größeren Unternehmen Kosten in Millionenhöhe verursachen.

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Waren vor einigen Jahrzehnten noch vier Prozent der Neueinstellungen von Vorurteilen gegenüber einem Geschlecht beeinflusst, ist es heute nur noch ein Prozent oder weniger. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Oregon State University und der Business School Insead in einer Analyse von Gender-Bias-Studien der vergangenen 30 Jahre.

Die Zahlen mögen zunächst niedrig wirken. Doch schon leichte Vorurteile gegenüber einem Geschlecht können bei größeren Unternehmen Kosten in Millionenhöhe verursachen. Zustande kommt die Summe jedoch nicht nur wegen möglicher Diskriminierungsprozesse. Wesentlich teurer ist vor allem die Einstellung weniger qualifizierter Bewerber, fand die Forschungsgruppe in einer Reihe von Computersimulationen heraus.

Falsche Besetzung

Umgelegt auf die umsatzstärksten Fortune-500-Unternehmen in den USA, die etwa 8.000 Neueinstellungen pro Jahr bewältigen und einen Gender-Bias von einem Prozent aufweisen, werden voraussichtlich 32 Neulinge zusätzlich scheitern und sehr viele mehr sich als suboptimale Recruitingentscheidung entpuppen. Dies verursacht laut den Berechnungen der Studienautoren einen Produktivitätsverlust von rund 2,8 Millionen Dollar pro Jahr. Ein vierprozentiger Bias würde demnach sogar zu 192 gescheiterten Einstellungen und weiteren 17 Millionen Dollar Produktivitätsverlust führen.

Die Studie habe sich vor allem mit Geschlechterdiskriminierung befasst, sagt Co-Autor Jay Hardy gegenüber dem "Harvard Business Manager"-Magazin. Es sei jedoch wahrscheinlich, dass andere Arten von Diskriminierung – etwa aufgrund der ethnischen Herkunft – ähnliche oder sogar stärkere negative Effekte für Unternehmen hätten.

Anonyme Bewerbung

Eine Möglichkeit, der Diskriminierung im Bewerbungsprozess entgegenzuwirken, könnte die anonyme Bewerbung sein. Konkret bedeutet das, Bewerbungsunterlagen ohne Daten wie Geschlecht, Alter, Herkunft und Bewerbungsfoto oder gar Namen zu versenden. Doch was in den USA, Skandinavien und Großbritannien keine Seltenheit ist, probieren hierzulande weiterhin nur wenige Unternehmen aus. In Österreich halten die meisten Firmen nämlich immer noch am konventionellen tabellarischen Lebenslauf mit allen relevanten Inhalten und Informationen plus freiwilligen Angaben – wie dem Bewerbungsfoto – fest.

Dabei spielen persönliche Daten wie Familienstand, Geburtsdatum, Religionsbekenntnis oder das Alter der eigenen Kinder in den meisten Fällen für den angestrebten Beruf keine Rolle. Bewerbungsexpertinnen und -experten raten deshalb dazu, einzelne Angaben im Zweifelsfall wegzulassen, um dadurch selbst einer Diskriminierung vorbeugen zu können. (red, 5.5.2021)