Im Moment geht es darum, möglichst viele möglichst schnell zu impfen. Im Herbst könnte es notwendig werden, die Bevölkerung ein drittes Mal durchzuimpfen.

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Es ist das große Ziel des österreichischen Impfplans: Mitte Juli soll jeder, der will, eine Covid-19-Schutzimpfung erhalten haben. Die Regierung rechnet mit rund fünf Millionen Impfwilligen, die bis dahin zumindest das erste Mal geimpft sein werden. Doch wie geht es nach dem Sommer weiter?

Das Nationale Impfgremium (NIG) geht davon aus, dass die Schutzdauer nach mRNA- oder Vektor-Impfstoffen nach der zweiten Dosis mindestens sechs Monate anhält. Ab wann eine erste Auffrischung nach der vollständigen Immunisierung notwendig wird, dazu gab das Gremium noch keine Empfehlung ab.

Aus dem österreichischen Gesundheitsministerium heißt es dazu knapp: "Wir gehen davon aus, dass auch bei Covid-19-Impfungen, wie bei den meisten anderen Tot-/inaktivierten Impfstoffen, weitere Impfungen für einen dauerhaften Schutz notwendig sind. Wann dies jedoch genau sein wird, ist noch nicht geklärt."

Schutz für sechs bis acht Monate

Wie lange der Impfschutz gegeben ist, lässt sich momentan schwer abschätzen. Daten dazu werden gerade in den laufenden Phase-III-Studien der Hersteller erhoben. Bisherigen Auswertungen zufolge ist bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna und Astra Zeneca sechs bis acht Monate lang von einer stabilen Immunität auszugehen. In Österreich müsste somit spätestens ab Oktober mit den Auffrischungen bei jenen Personen begonnen werden, die ihre zweite Teilimpfung im Februar oder März bekommen haben.

Der Chef des US-Pharmaunternehmens Pfizer, Albert Bourla, hält bei Impfungen mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer eine dritte Dosis innerhalb eines Jahres nach der Zweitimpfung aber wahrscheinlich für nötig: Nach diesem Zeitraum nahm der Antikörpertiter im Blut von geimpften Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern leicht ab.

"Es ist auch mit Unterschieden zwischen Altersgruppen zu rechnen", sagt die Virologin Christina Nicolodi, die Firmen bei der Herstellung von Arzneimitteln berät. Für Menschen ab 65 Jahren und jene, die zur Behandlung von Vorerkrankungen immunsupprimierende Medikamente nehmen, werden Auffrischungen vermutlich früher notwendig sein.

Für den deutschen Virologen Christian Drosten steht bereits fest, dass "mehr als nur sehr eng umgrenzte Risikogruppen" zum Winter hin eine einmalige Auffrischung ihres Impfschutzes bekommen werden, wie er im Podcast des NDR sagte.

Noch kein Schwellwert definiert

Die vielen Unabwägbarkeiten hängen damit zusammen, dass für alle zugelassene Covid-19-Schutzimpfungen eine entscheidende Kennzahl der Impfstoffentwicklung noch nicht identifiziert werden konnte: das "correlate of protection", also ein konkreter Schwellenwert für Antikörper, der nach einer Impfung verlässliche Aussagen über den Impfschutz und seine Dauer liefert.

"Wir wissen noch nicht, inwieweit die Wirksamkeit des Impfstoffes mit dem Antikörpertiter korreliert", sagt Nicolodi. Ein leichter Abfall des Antikörpertiters müsse nicht bedeuten, dass Geimpfte nicht mehr gegen eine Erkrankung geschützt sind.

Zudem wird unabhängig vom Vorhandensein von Antikörpern nach einer Impfung auch eine zelluläre Immunität aufgebaut. Trotzdem hält auch Nicolodi eine dritte Impfung im Herbst für wahrscheinlich – nicht zuletzt auch wegen der Virusvarianten.

Auffrischung wegen Virusvarianten

Nach derzeitigen Erkenntnissen wirken alle Impfstoffe gut vor einer Erkrankung durch die derzeit vorherrschende sogenannte britische Virusmutation B.1.1.7. Bei der südafrikanischen Mutation und Varianten mit Mutationsmerkmalen E484K gibt es aber Hinweise auf Einbußen – nicht nur beim Vektorimpfstoff von Astra Zeneca.

Laut einer Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, reduziert die zusätzliche Mutation E484K bei B.1.1.7 im Laborversuch auch die durch den Impfstoff von Biontech/Pfizer hervorgerufene neutralisierende Wirkung der Antikörper erheblich. Die Virologin Dorothee von Laer forderte angesichts dieser "Immunescape-Varianten", Nachimpfungen mit besser wirksamen Impfstoffen rechtzeitig einzuplanen.

Auch das Gesundheitsministerium geht davon aus, dass "infolge der notwendigen Abdeckung von sich ausbreitenden Varianten weitere Impfungen nötig werden". Aus Sicht des Ministeriums scheint die von der EU-Kommission für die Jahre 2022 und 2023 verhandelte Vertragsmenge von 1,8 Milliarden Impfdosen von Biontech/Pfizer dafür als "jedenfalls ausreichend", wobei die zusätzliche Kombination des Portfolios mit anderen Impfstoffen trotzdem sinnvoll sei.

Rasche Adaption des Impfstoffes möglich

Ein wesentlicher Faktor bei den Überlegungen der EU war – neben der hohen Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe – die Möglichkeit, diese schnell gegen neu auftretende Virusvarianten nachzurüsten.

Die Entwicklung und Herstellung der mRNA-Impfstoffe dauere nur einen Monat, sagt Nicolodi. Da es sich nur um eine Anpassung handelt, ist in diesen Fällen auch kein neues Zulassungsverfahren der EMA nötig: Für die Genehmigung von Updates brauche es eine In-vitro-Studie sowie eine kleine klinische Studie, nicht aber eine Phase-III-Studie.

Ob die Impfstoffpartner Biontech und Pfizer bereits an Updates für den Herbst arbeiten, ist noch nicht bekannt. Auf Anfrage des STANDARD gab Biontech keine Auskunft. In einem Interview im März sagte Biontech-CEO Uğur Şahin, dass die Schutzwirkung des Impfstoffes auch im Fall der südafrikanischen Variante noch ausreichend sei. Sollten weitere Mutationen auftreten, könne die Immunreaktion zunächst mit einer dritten Dosis gesteigert werden.

"Es ist möglich, dass die Hersteller die Wirksamkeit ihrer Impfstoffe für Virusvarianten noch abklopfen", sagt Christina Nicolodi. Langfristig erwartet sie aber ähnlich wie bei den Influenza-Impfstoffen, dass es zu weiteren Updates der Covid-19-Impfstoffe kommen wird. Dabei seien auch multivalente Impfstoffe denkbar, also Impfstoffe, die mRNA oder Vektoren gegen mehrere Varianten enthalten und dann eine Immunantwort gegen diese unterschiedlichen Varianten hervorrufen.

Biontech/Pfizer auf Astra Zeneca impfen?

Noch offen ist, ob Personen, die ihre Erstimpfung mit dem Präparat von Astra Zeneca erhalten haben, die Grundimmunisierung mit einem mRNA-Impfstoff abschließen sollen. Mehrere Expertinnen und Experten wie der Virologe Florian Krammer hatten eine solches heterologes Impfschema zuletzt angedacht.

Das Nationale Impfgremium rät derzeit aber davon ab, da die Auswirkungen auf den Schutz als auch auf mögliche Nebenwirkungen nicht ausreichend geklärt sind. Im Mai sollen dazu erste Ergebnisse einer Studie aus Großbritannien vorliegen.

Fest steht aber: Auch Personen, die zweimal mit einem Verktorimpfstoff immunisiert wurden, könnten nach sechs Monaten erneut mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden.

"Das ist sicherheitstechnisch unbedenklich", sagt Nicolodi. "Auch bei anderen Impfungen spielt es keine Rolle, wenn Sie nach diesem Zeitraum den Impfstoff wechseln." Ob dann aber wiederum auch eine zweite Teilimpfung zur Grundimmunisierung nötig ist, wisse man noch nicht. (Eja Kapeller, 5.5.2021)