"Kunst kann keine Antworten auf einen nicht zu übersehenden Rechtsruck und Wahn geben", sagt Daniel Pongratz alias Danger Dan.

Foto: Jaro Suffner

Hit bedeutet erfolgreicher Song, oder eben Schlag, Hieb. Im Falle von Danger Dans Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt bedeutet es beides. Daniel Pongratz, den man als Teil des gesellschaftskritischen Hip-Hop-Trios Antilopen Gang kennt, holte in seinem gefeierten Stück gegen rechts aus. Vor der Veröffentlichung des Songs ließ sich Pongratz von Juristen über die Grenzen des in einem Lied Sagbaren beraten. Diese sahen bei Zeilen wie "Jürgen Elsässer ist Antisemit" und "Gauland wirkt auch eher wie ein Nationalsozialist" kein Problem, denn gesungen sei das eben "alles von der Kunstfreiheit gedeckt".

Antilopen Gang

Danger Dan, der vor einigen Tagen ein ganzes Album mit Klavierliedern herausgebracht hat, will also die "Das wird man wohl noch sagen dürfen"-Fraktion mit ihren eigenen Waffen schlagen. Dem Internet gefällt's: Fast drei Millionen Aufrufe hat der Song, der seit eineinhalb Monaten auf Youtube steht, mittlerweile. Klagen von den im Song erwähnten Herren gab es bisher keine, aber …

STANDARD: … wie hat die rechte Bubble auf Social Media auf den Song reagiert?

Pongratz: Mit einem Raunen. Man kann Nazis viel vorwerfen, aber nicht, dass man nicht wüsste, was sie mit politischen Gegnern machen wollen. Letztes Jahr haben wir mit der Antilopen Gang ein Lied gegen Kiffer herausgebracht. Da habe ich mich um einiges bedrohter gefühlt als jetzt. Es gab damals einen riesigen Shitstorm von nicht zurechnungsfähigen Kiffern, die uns abstechen wollten. Wenn sich Kiffer und Nazis dann auch noch vermischen, wird es richtig schwierig.

Antilopen Gang

STANDARD: Im Gegensatz zur Aktion #AllesDichtmachen ist Ihr Song im linken Eck fast nur geliebt worden. Hatten Sie keine Sorge, dass Militanz als letzte Möglichkeit, von der sie sprechsingen, auch Linken zu weit gehen könnte?

Pongratz: Als letzte Möglichkeit ist Militanz schon in Ordnung. Hätte ich sie "vorletzte Möglichkeit" genannt, hätte ich mir Gedanken gemacht. Was auffällt, ist, dass allein beim Wort "Militanz" die Alarmglocken bei manchen Menschen schrillen. Die sind dann gar nicht mehr in der Lage, das Wort im Kontext eines Satzes, eines Liedes zu verstehen.

STANDARD: Sie sprechen in Ihrem Text davon, "die Welt von den Faschisten zu befreien / anstatt ihnen Rosen auf den Weg zu streuen". Ist das als Kritik an den eigenen Reihen zu verstehen? Hat die Linke versagt?

Pongratz: Die Zeile ist eine Reverenz an das Kurt-Tucholsky-Gedicht Rosen auf dem Weg gestreut. Die einzelnen Strophen enden immer mit der Zeile: "Küßt die Faschisten, wenn ihr sie trefft!" Ich würde linken Strukturen kein Versagen vorwerfen, aber was auffällig falsch gelaufen ist in den letzten Jahren, war die Einstellung, man müsse besorgten Bürgern zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen. Doch gegen Leute, die sich als völlig faktenresistent erweisen, kann man nicht mehr mit Argumenten ankommen. Man hätte lieber die Sorgen anderer Leute ernst nehmen sollen, zum Beispiel Betroffenen von Rassismus.

STANDARD: Was kann Kunst oder Musik im Kampf gegen Nazis und "neue Rechte" beitragen?

Pongratz: Ich denke, dass Musik und Kunst erst mal gar keine gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen haben. Musik und Kunst können keine Antworten auf einen nicht zu übersehenden Rechtsruck und Wahn geben. Da braucht es schon politische Antworten.

STANDARD: Dann vielleicht eine politische Antwort ...

Pongratz: Es wäre gut aufzuhören, linke Strukturen zu kriminalisieren. Es gibt zum Beispiel die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN-BdA (antifaschistische Organisation mit Sitz in Berlin, Anm.), die kriminalisiert wird, anstatt die Leute zu unterstützen. Man sollte sich mal stärker mit Nazis beschäftigen, anstatt ihre Gegner ständig zu diffamieren oder in die Illegalität zu treiben.

Antilopen Gang

STANDARD: In Ihrem Song "Das schreckliche Buch" sagen Sie, dass die Realität längst die abgeschmacktesten Romanplots überholt hat. Wann war denn bei Ihnen der Punkt gekommen, an dem Sie sich erstmals dachten, dass der Wahnsinn übernommen hat?

Pongratz: Wir haben uns mit der Antilopen Gang natürlich schon lange mit Figuren wie Ken Jebsen (deutscher Verschwörungserzähler, Anm.) auseinandergesetzt. Als sich sogenannte Friedensmahnwachen voller Antisemiten getroffen haben, haben viele Linke noch drüber nachgedacht, ob man mit denen koalieren kann oder nicht. Das liegt schon so lange zurück. Und es ist immer mehr und immer verrückter geworden.

STANDARD: Sie legen nun ein Klavieralbum mit Melodien vor, die auch Leuten ins Ohr gehen, die jegliche Form von Hip-Hop meiden. Ist das eine Strategie, um Ihre Botschaften auch an diese Hörerinnen und Hörer zu bringen, oder wollten Sie nur klimpern?

Pongratz: Ich wollte wirklich nur Klavier spielen. Ich seh mich nicht als politischen Akteur, der Musik macht, um Leute zu erreichen. Sondern ich sehe mich als Musiker, den politische Themen, politisch bedingte Frustrationen beschäftigen und der diese bearbeitet. Ich habe keine politische Agenda und überlege mir dann, mit welchem Genre von Musik ich mehr Gehör bekomme.

STANDARD: Haben Sie sich trotzdem mit der Tradition des politischen Lieds oder der Liedermachertradition befasst?

Pongratz: Ich kenne mich in dieser Landschaft von Liedermachern und politischen Liedermachern aus. Georg Kreisler ist jemand, den ich total verehre.

Antilopen Gang

STANDARD: Ihr Album arbeitet viel mit Humor und Storytelling, aber ab und zu spürt man einen pädagogisch leicht erhobenen Zeigefinger, man kann also etwas lernen. Wie viel Pädagogik verträgt Popmusik?

Pongratz: Ich empfehle niemandem, von mir etwas zu lernen. Das Fundament meines Lebens ist die ungerechte Verteilung von Glück auf der Welt. Leute, die Musik einen pädagogischen Auftrag abverlangen, wollen auch, dass Pizza ein Glas Leitungswasser ist. Das funktioniert einfach nicht. (5.5.2021, Amira Ben Saoud)