Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) Mitte April bei der Verkündung des burgenländischen Sonderwegs in der Ostregion. Im Hintergrund ist der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter zu sehen, der die Öffnung mittels Pilotprojekts begleitet.

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Eisenstadt/Wien – Als im Burgenland vor drei Wochen verkündet wurde, dass das Land am 19. April aus dem damals harten Lockdown der Ostregion ausscheren und den Handel sowie die Schulen wieder in Betrieb gehen lassen werde, hagelte es Kritik aus der eigenen Partei. "Diese Öffnungsentscheidung geben die Zahlen auf den Intensivstationen im Burgenland überhaupt nicht her, diese Entscheidung für Öffnung ist zu früh", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Auch Wiens roter Bürgermeister Michael Ludwig missbilligte den Schritt: "Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden, weil mir die Gesundheit der Menschen das Wichtigste ist", richtete er Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) aus.

Doch drei Wochen später ist die pannonische Bilanz weit positiver, als es die damaligen Worte der Parteifreunde hätten vermuten lassen.

Inzidenz sank

Konkret sind seither die Corona-Infektionszahlen im Burgenland, von Mattersburg abgesehen, in allen Landesbezirken zurückgegangen. Laut dem Indikatoren-Dashboard der Ampelkommission, Stand 27. April, nahmen die Fallzahlen im südöstlichsten Bundesland in den 14 Tagen davor um 22 Prozent ab. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank von 115,1 auf 97,8 – eine mit Wien (minus 19 Prozent) und Niederösterreich (minus 20 Prozent) parallele Entwicklung, obwohl die Rollbalken dort zwei Wochen länger unten waren.

Auch mit der zwar abnehmenden, aber immer noch hohen Auslastung der Intensivstationen fällt das Burgenland in der Ostregion aktuell nicht aus dem Rahmen. Im Burgenland verringerten sich die Belagszahlen in den 14 Tagen vor dem 27. April von 41,0 auf 34,4 Prozent – in Wien 42,7 auf 39,5 Prozent; in Niederösterreich ist die Auslastung geringer.

Klimek: "Im Nachhinein ein Risiko"

"Im Nachhinein betrachtet war die Öffnung im Burgenland ein Risiko, aber die Sache ist gutgegangen. Dass es auch anders hätte kommen können, zeigt das Beispiel Vorarlberg, wo die Zahlen nach der Öffnung stark gestiegen sind", kommentiert der Komplexitätsforscher Peter Klimek von der Med-Uni Wien und des Complexity Science Hub Vienna (CSH).

In Vorarlberg habe man aber auch mehr Aufsperrschritte auf einmal vollzogen, etwa Indoor in der Gastronomie: "Dass an solchen Orten ein höheres Ansteckungsrisiko besteht, dafür gibt es einige Evidenz", sagt der Experte.

Ausgewirkt habe sich im Burgenland auch, dass Mitte April die südlichen Regionen stärker von Corona-Infektionen betroffen waren. Aus diesen Bezirken – Oberwart, Jennersdorf, Güssing und Mattersburg – würden weit weniger Menschen nach Niederösterreich und Wien pendeln als aus den nördlichen Bundeslandgefilden, was das Virusweitergaberisiko verringere. Hinzu komme, "dass auch in den angrenzenden Nachbarstaaten Ungarn und der Slowakei die Inzidenzen in der zweiten Aprilhälfte zurückgegangen sind".

Contact-Tracing und Quarantäneregeln verschärft

Im Büro des burgenländischen Landeshauptmanns Doskozil reklamiert man Teile der positiven Öffnungsbilanz für sich. Schon Anfang April habe man das Contact-Tracing sowie die Quarantänekontrolle verschärft, sagt Pressesprecherin Jasmin Puchwein. So seien nun auch K2-Kontaktpersonen einer infizierten Person PCR-Test-pflichtig. Aus einer Quarantäne könne man sich nur heraustesten, wenn man zweimal hintereinander einen PCR-Wert von 30 oder mehr habe.

Wirksam seien aber auch die burgenländischen Massentestaktionen gewesen. Bei 300.000 durchgeführten Antigen-Spucktests in der Karwoche habe man 47, bei 15.852 PCR-Gurgeltests in Schulen zwischen 5. und 18. April elf, bei 28.000 Lollipop-Tests in Kindergärten und -krippen wöchentlich je drei bis vier positive Fälle gefunden. Das Burgenland hat rund 294.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Pilotprojekt mit Datenproblemen

Besonderes epidemiologisches Augenmerk legt man in dem Bundesland derzeit auf die Region Neusiedl-Parndorf. Dort begleitet der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter die Öffnungsschritte. "Wenige Tage vor dem Beschluss, den harten Lockdown zu beenden, wurde ich mit der Frage, ob ich so ein Pilotprojekt machen wolle, aus dem Landeshauptmannbüro angerufen", schildert er.

Zweimal wurden in der Testregion im Einwochenabstand seither je 7500 Personen getestet. Gleichzeitig wurden einige Zusatzdaten über sie erhoben: "Alter, Geschlecht, durchgemachte Corona-Ekrankungen, schon einmal oder zweimal geimpft oder nicht", zählt Hutter auf.

Kurze Vorlaufzeit

Nach Auswertung der Daten und der Testergebnisse würden wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen von Öffnungsschritten winken, sagt Hutter. Doch derzeit lahmt das Projekt: "Die Zusatzinformationen wurden von den Testern sehr unterschiedlich erhoben, manche haben Listen geführt, manche sie direkt in einen Laptop getippt."

Die Daten in eine einheitlich geeignete Form zu bringen sei nun "arbeitsintensiv und aufwändig". Mehr Vorlaufzeit für das Projekt wäre besser gewesen, sagt Hutter. (Irene Brickner, 4.5.2021)