Eines der raren Selbstporträts der Fotografin.

Foto: Semotan

Die großen Worte liegen ihr nicht. Im Katalog ist gerade einmal ein kurzer Text zum Werk von Elfie Semotan abgedruckt. Und auch in der Ausstellung im Kunsthaus Wien wird mit Beschreibungen, Einordnungen oder gar Interpretationen nicht geklotzt. Wer sich dem Werk der Fotografin Elfie Semotan nähern will, der muss sich auf seine Augen verlassen. Genau das hat Semotan im Laufe ihrer beruflichen Karriere auch getan. Und sich dabei, so gut es ging, von Kompromissen ferngehalten.

Das ist in dem Metier, in das sich Semotan mit gerade einmal 20 Jahren begab, nicht so einfach. Die Mode ist in erster Linie auf wirtschaftlichen Interessen aufgebaut. Künstlerische Ambitionen müssen sich diesen meist unterordnen. Als Model machte Semotan im Paris der beginnenden 1960er-Jahre ihre ersten Schritte. Und erlebte ein System, dem sie bald schon eine andere Form von Schönheit entgegensetzen wollte. Dafür musste sie auf die andere Seite der Kamera wechseln.

Schwerpunkt Kunst

Elfie Semotan. Haltung und Pose heißt die Ausstellung, die das Kunsthaus Wien Österreichs wohl bekanntester lebender Fotografin zu ihrem 80. Geburtstag ausrichtet. Modefotografie nimmt darin nur einen Teil ein, einige wichtige Kampagnen oder Editorials fehlen sogar ganz. Die Kuratorinnen Verena Kaspar-Eisert und Bettina Leidl legen ihren Fokus auf die Schnittstelle zur Kunst, die in Semotans Leben immer gegeben war. Zum einen, weil die 1941 in Wels geborene Fotografin eine große Vorliebe für Künstlerporträts hegt (sie war mit zwei Künstlern verheiratet, mit Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger), zum anderen, weil ihre Fotografie auch oft eine Auseinandersetzung mit konkreten Kunstwerken darstellt.

Ein Bild aus der Americana-Serie.
Foto: Semotan

Americana nennt sich etwa eine Serie, die in der Ausstellung breiten Raum einnimmt und in deren Entstehung man auch schon in Joerg Burgers vor zwei Jahren entstandenem Porträtfilm über die Fotografin Einblick erhielt. Fotografien flamboyanter Nachtgewächse von Diane Arbus oder William Eggleston werden darin ins Wien (!) von heute transportiert, frei und mit einer gehörigen Nonchalance. Da geht es nicht darum, etwas nachzuzeichnen, sondern darum, den künstlerischen Kosmos des eigenen Tuns abzustecken und sich vor seinen Vorgängern zu verbeugen. Respekt ist einer der zentralen Begriffe von Semotans Schaffen, genauso wie Zusammenarbeit.

Cordula Reyer ist eine von Semotans Lieblingsmodels.
Foto: semotan

Semotan gehört nicht zu den Großmäulern der Branche, auch wenn sie schon allein aufgrund ihrer eindrucksvollen Biografie zwischen Wien, New York und dem burgenländischen Jennersdorf und ihrer berühmten Mitstreiter wie Helmut Lang oder des Models Cordula Reyer einigen Grund dazu hätte. Sie ist jemand, der die Zwischenräume sucht, den wahren Moment, die überraschende Volte. Ein gutes Licht zu setzen, das können viele. Schönes schön ausschauen zu lassen auch. Semotan arbeitet lieber mit ungewohnten Posen oder mit einem Licht, das von seitlich hinten kommt (ein Killerlicht), und macht dann ein grandioses Porträt von Willem Dafoe. Um nur einen unter vielen Stars zu nennen, die die Fotografin für die weltweit wichtigsten Magazine abgelichtet hat.

Nicht biografisch angelegt

Es wäre ein Leichtes gewesen, die Retrospektive im Kunsthaus biografisch oder thematisch aufzuziehen. Genau das hat Semotan in ihrer vor fünf Jahren erschienenen Autobiografie selbst gemacht. Im Ausstellungshaus an der Weißgerberlände taucht man dagegen in einen künstlerischen Kosmos ein, in dem alles alles zu bedingen scheint. Die fotografierten Künstlerstudios (von Franz West oder Bruno Gironcoli) die Hochglanz-Modefotos, die Polaroids, die sogenannten Wegwerffotos, und die Stillleben die Promiporträts. Dabei lernt man auch eine Seite der Fotografin kennen, die erst in den vergangenen Jahren stärker in den Vordergrund gerückt ist, namentlich ihr Faible für Landschaftsbilder und Stillleben.

Ein Porträt von Martin Kippenberger.
Foto: Semotan

Diesem ist Semotan nach eigenen Aussagen immer schon nachgegangen, die Öffentlichkeit interessierte sich nur nicht dafür. Im Zusammenwirken mit den Mode- und Porträtbildern lassen sie das Werk der Fotografin jetzt in einem etwas anderen Licht erscheinen. Die Wiener Ausstellung erzählt nämlich nicht nur von jemandem, der herkömmlichen Ästhetiken misstraut, sondern auch von einer Fotografin, die sich immer schon mehr für Gemeinsamkeiten, und sei es von grafischen Strukturen, begeistern konnte. Eines von Semotans Lieblingsbildern hängt übrigens gut versteckt am Ende der Schau: Es ist die Aufnahme eines von Grüntönen berauschten Waldstücks. (Stephan Hilpold, 5.5.2021)