Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und der Urologe Ralf Herwig bei der Besichtigung eines der mobilen Testlabors der HG Labtruck.

Foto: Land Tirol/Berger

Innsbruck – Täglich kommen mehr Ungereimtheiten rund um den größten Auftrag für PCR-Testungen in Tirol ans Licht. Wie DER STANDARD berichtete, wurde der acht Millionen Euro schwere Auftrag im September 2020 ohne Ausschreibung an das zur selben Zeit gegründete Unternehmen HG Labtruck des Wiener Urologen Ralf Herwig vergeben. Bis dahin teilten sich Tiroler Labore die anfallende Arbeit untereinander auf. Seit September 2020 hat nun die HG Labtruck aber mehr als die Hälfte aller 430.000 PCR-Tests in Tirol durchgeführt.

Die Liste Fritz hat das im Zuge einer Landtagsanfrage thematisiert und erhebt nun schwere Vorwürfe, wie Klubobfrau Andrea Haslwanter-Schneider erklärt: "Man hat statt eines Virologen einen Urologen beauftragt, gegen den zudem in Wien Strafanklagen wegen schwerer Körperverletzung und schweren Betrugs laufen." Besonders brisant: Es ist unklar, ob die von der HG Pharma durchgeführten Tests überhaupt valide sind. Weder das Land noch das Unternehmen wollten bisher beantworten, welcher Labormediziner die Befundung durchführt. Es steht der Verdacht im Raum: keiner. Anfragen werden vom Unternehmen nicht beantwortet.

Zweifel an Seriosität

Auch die renommierte Virologin Dorothee van Laer von der Med-Uni Innsbruck bestätigte gegenüber dem STANDARD, dass sie wochenlang erfolglos versucht habe, herauszufinden, wer bei der HG Labtruck befundet. Sie zweifelt daher ebenfalls an der Qualität der Arbeit, die bei dem Unternehmen geleistet wird, und hat die Zusammenarbeit deshalb nach kurzer Zeit eingestellt.

Überhaupt, so die Expertin, gebe es in Österreich große Mängel, was die Qualitätsprüfung von Laboren angeht: "Jeder darf Diagnostik machen, egal welche Qualitätsstandards sie aufweisen." Zertifizierungen und Akkreditierungsnummern, die Rückschlüsse auf die Qualität der geleisteten Arbeit zulassen, sucht man bei Laboren wie HG Labtruck vergeblich. Auf Nachfrage haben weder Land Tirol noch das Unternehmen diese nennen können.

In Österreich sind Qualitätsstandards freiwillig. Die Situation verschlechterte sich durch eine Verordnung des Gesundheitsministeriums im Vorjahr zusätzlich. Das Epidemiegesetz wurde um den § 28c erweitert, wodurch von da an nicht nur fachärztlich geführte humanmedizinische Einrichtungen Testungen – egal ob PCR oder Antigen – durchführen dürfen, sondern auch "naturwissenschaftliche Einrichtungen". Dennoch gilt, dass ein Labormediziner die PCR-Tests befunden muss. Und genau das bleibt im Fall der HG Labtruck weiter unklar.

Rechtfertigungsversuche des Landes

Seitens des Landes versuchte man am Dienstag, die Beauftragung von Herwigs HG Labtruck damit zu rechtfertigen, dass es drei Qualitätsprüfungen gegeben habe. Einmal durch die Landessanitätsdirektion selbst vor Beauftragung, einmal durch das Department Innere Medizin der Med-Uni Innsbruck im November 2020 sowie durch die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Standardisierung (Öquasta) im Februar 2021.

Die Landessanitätsdirektion Tirol war jene Institution, die schon beim berühmten Kitzloch in Ischgl sowie den vollen Gondeln kein Corona-Ansteckungsrisiko konstatiert hatte. Die Med-Uni Innsbruck sowie Tirol Kliniken dementieren heftig, eine solche Überprüfung gemacht zu haben. In Wahrheit hat ein Mitarbeiter der Med-Uni, der die Erlaubnis zu einer freiberuflichen Nebentätigkeit hat, in seiner Freizeit den Labtruck der Firma privat "begutachtet". Und die Öquasta darf zu ihren Tätigkeiten gegenüber Medien nichts sagen.

Falsche Testergebnisse werden geprüft

Was Tirol mittlerweile einräumt, ist, dass Herwigs Labor bei der Analyse zu Mutationsproben Schwierigkeiten hatte. Bislang ist von mindestens 24 Falschanalysen zwischen 8. März und 24. April die Rede. Die Ages spricht wiederum von rund 50 falsch positiven Ergebnissen in dem Zusammenhang. Seitens des Landes wird auf weitere Prüfungen dieser Tests verwiesen.

Tirol versucht zudem, an das Gesundheitsministerium zu verweisen, das Herwigs Firma HG Pharma in Wien auf der Liste der PCR-Tests durchführenden Labore führt. Dort gelistet zu werden geht allerdings ganz einfach. Eine E-Mail und ein Fragebogen genügen. Wen Herwig darin als befundenden Mediziner angegeben hat, darf das Ministerium auf Nachfrage nicht sagen. Aber man werde seine Angaben nun genau überprüfen.

In Tirol wird in dem Zusammenhang – ohne Namensnennung – auf einen Experten verwiesen, der ein Labor in einem Ort in der Steiermark betreibe. Das trifft auf Herwigs Unternehmenspartner bei der HG Pharma, einen Chemiker, zu. Der war für eine Stellungnahme vorerst nicht erreichbar.

Gut vernetzt in Kitzbühel

Wie Herwig zum lukrativen Auftrag in Tirol kam, ist weiter unklar. Er ist allerdings in der Region Kitzbühel bestens vernetzt und dort seit 2016 im Kitzbühel Country Club von Stanglwirt-Sohn Richard Hauser als Experte für Zellenergie und Urologe aktiv. Hauser ist auch Mitglied der Tiroler Adlerrunde, ein ÖVP-naher Verbund von einflussreichen Tiroler Unternehmern.

Herwigs Schwager ist der Kitzbüheler Eventmanager Hanspeter Rass. Auf Nachfrage dementierte er zuerst, irgendetwas mit den Unternehmungen seines Schwagers zu tun zu haben. Wenig später räumte er allerdings ein, dass er die mobilen Testlabors der HG Labtruck durch Tirol kutschiert. Auf seinem Online-Businessprofil gibt er "Manager bei HG Pharma" als Berufsbezeichnung an.

Der Vertrag der HG Labtruck mit dem Land Tirol ist noch bis Juni 2021 aufrecht. Danach werde man diesen Auftrag ausschreiben, heißt es seitens des Landes. (ars, 4.5.2021)