Die Betreiber versicherten ihren Opfern, dass die Aufnahmen nicht im Netz landen würden.

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Mit falschen Versprechen und manipulativen Methoden brachte die Plattform "Girls Do Porn" ab dem Jahr 2009 hunderte junge Frauen dazu, an pornografischen Filmen mitzuwirken. Zugesagte Zahlungen wurden kurzfristig gekürzt, Videos entgegen anderslautenden Zusicherungen breit zugänglich gemacht und beworben – und darüber hinaus Daten der Opfer veröffentlicht.

22 von ihnen zogen vor Gericht, 2020 wurden ihnen gerichtlich mehrere Millionen Dollar als Wiedergutmachung zugesprochen. Der Fall beschäftigt die US-Behörden aber heute noch. Zwei der Betreiber, Ruben Garcia und Teddy Gyi, bekannten sich erst im Dezember verschiedener Tatbestände schuldig, die Buchhalterin Valerie Moser im April. Ein Eigentümer, Matthew Wolfe, wartet noch auf sein Verfahren. Sein Geschäftspartner, Michael Pratt, ist flüchtig, dürfte das Land verlassen haben und steht auf der Most-Wanted-Liste des FBI.

Weitreichende Folgen

Zudem erfolgten auch mehrfach Klagen gegen den kanadischen Konzern Mindgeek, der eine Reihe von Pornoplattformen im Netz – darunter Redtube, Youporn und Pornhub – betreibt, weil dort viele der widerrechtlich entstandenen Aufnahmen weiter abrufbar waren und auch auf Verlangen nicht entfernt wurden. Unter den Klägern sind auch 40 Girls "Do Porn"-Opfer, die seit April jeweils eine Million Dollar Schadenersatz einfordern und dem Unternehmen vorwerfen, aus Profitgier untätig geblieben zu sein, obwohl man über die Praktiken des Geschäftspartners im Bilde war.

Das löste auch eine Diskussion über die Existenz zahlreicher nonkonsensualer Aufnahmen und Missbrauchsvideos auf derlei Plattformen aus. Mindgeek reagierte schließlich auf die Klagen und den öffentlichen Druck, löschte zuerst Clips von "Girls Do Porn" und später zigtausende Videos, deren Entstehung in Zweifel steht. Zudem führte man neue Verifikationsmechanismen ein. Es laufen aber weiterhin Verfahren gegen die Firma.

Während die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und die Mühlen der Justiz arbeiten, kämpfen die Betroffenen noch heute. "Motherboard" schildert etwa ein Gespräch mit einer Frau, die 2015 in die Falle ging.

Angst und Schmerzen

Die Studentin ("Jane", Name geändert) im zweiten Jahr folgte der Einladung eines "Modeling-Scouts", der ihr eine schnell verdiente, hohe Geldsumme versprach. Sie wusste im Vorfeld, dass es um nicht jugendfreie Aufnahmen gehen würde, aber keine weiteren Details. Obwohl sie anfangs verunsichert war, ließ sie sich zur Teilnahme überzeugen, da sie mit dem Geld ihre Eltern unterstützen wollte. Statt in einem Filmset landete sie in einem Hotelzimmer mit einer Visagistin, die bald darauf verschwand, und zwei Männern. Sie erfuhr auch, dass sie Sex mit einem der beiden Männer haben solle. Nachdem sie sich vor der Kamera ausgezogen hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass ihr aufgrund von Narben und Zellulitis der in Aussicht gestellte Betrage um mehrere tausend Dollar gekürzt werde.

Jane entschuldigte sich kurz und ging ins Badezimmer, wo sie feststellte, dass ihre Regelblutung eingesetzt hatte. Also hoffte sie, dass dies eine Verschiebung des Drehs und ihr einen Ausweg aus der Situation bescheren könnte. Als sie wieder aus dem Bad kam, war ihr Gewand samt Geldbörse und Ausweis verschwunden. Nachdem sie auf ihre Menstruation hingewiesen hatte, führte ihr einer der Männer, ohne um Erlaubnis zu fragen, ein Schwämmchen ein.

Danach, so sagt sie, hatte sie Angst, abzusagen, da sie den zwei Männern weitere Gewalt zutraute. Der Vertrag wurde nur eilig durchgeblättert und sie zur Unterschrift gedrängt. Der als "kurz" angekündigte Dreh fand statt. Mehrere Bitten, aufgrund von Schmerzen abzubrechen, wurden ignoriert. Nach fünf Stunden verließ sie das Hotel.

Betreiber waren auch hinter "Doxxing"-Seite

Ihr war zugesichert worden, dass die Aufnahmen nur auf DVD an "Sammler" in einschlägigen Geschäften in Neuseeland und Australien verkauft werden würden. Stattdessen tauchte das Material im Netz auf, wo auch Freunde von ihr darauf stießen. Die Betreiber bewarben die Videos aktiv auf anderen Seiten. In ihrem Umfeld waren bald alle informiert.

Nicht nur das: Von Ende 2015 bis Mitte 2016 gehörte den Betreibern auch die Seite "PornWikileaks". Dort veröffentlichten sie Namen, Adressen, Telefonnummern, Mailadressen und Social-Media-Accounts von ihnen und ihren Familienmitgliedern – eine Praxis, die man auch als "Doxxing" kennt. Freunde und ihre Cheerleadergruppe stützten sie in dieser Zeit gegen Hassbotschaften.

Immer noch Belästigungen

Mittlerweile sei die Situation besser geworden, aber immer noch werde sie angegriffen. Nachdem Jane beruflich in der Finanzbranche erfolgreich aufgestiegen war, landete eine E-Mail bei ihrem Chef, die ihre Vergangenheit einmal mehr offenlegte. Wenngleich das Unternehmen sich hinter sie stellte, fürchtet sie sich davor, dass beruflicher Erfolg ihren Namen zu bekannt machen und eine neue Welle digitaler Belästigung und Doxxing auslösen könnte. Sie wechselte schließlich ihren Arbeitsplatz. Die traumatischen Erlebnisse beeinträchtigen auch ihr Beziehungsleben.

Sie hat zudem die Erfahrung gemacht, dass etwa Youtube und Twitter stumm bleiben, wenn sie inkriminierende Beiträge meldet. In einem Fall hatte sich jemand unter ihrem Namen auf Youtube angemeldet, Screenshots ihrer beruflichen Laufbahn von Linkedin zusammengeschnitten und dazu eine Anleitung verfasst, wie man per Suchmaschine die Aufnahme finden kann. Denn ihr Video aus dem Hotelzimmer ist nach langem Kampf zwar von den meisten Seiten entfernt worden, aber auf manchen immer noch gehostet. Es dauerte fünf Monate, ehe die Plattform erst auf Anfrage von "Motherboard" reagierte.

Kritik gibt es auch von Charles DeBarber, Privacy-Analyst bei einer Kanzlei, die sich auf die Entfernung nonkonsensualer Pornoaufnahmen spezialisiert hat. Youtube sei seiner Erfahrung nach jenes Portal, das am schwersten dazu zu bewegen sei, etwas zu tun. Auch auf ihn hatte man nicht reagiert, als er im Auftrag von Jane Kontakt aufgenommen hatte. Youtube anzuschreiben sei "wie ins Leere zu schreien". Die Plattform würde sich nicht an ihre eigenen Nutzungsbedingungen halten.

Nur vor Gericht ein Sieg

Janes Fall steht auch für viele andere Betroffenen, die bisher bei Prozessen ausgesagt haben. Auch sie berichten von vielen falschen Versprechungen und einer Situation, an der sie sich letztlich aus Angst vor Gewalt am Dreh beteiligt haben. Und längst nicht alle erfuhren nach Bekanntwerden der Aufnahmen Unterstützung durch Verwandte und Freunde.

"Niemand in dieser Situation hat jemals 'gewonnen', selbst wenn seine Gerichtsverfahren gut laufen", sagt DeBarber. "Es ist so einfach, Opfer zu beschuldigen, viel einfacher, als ihnen zu helfen. Bei vielen meiner Klienten frage ich mich, wie sie jemals wieder irgendwem vertrauen können." (gpi, 4.5.2021)