Fast wäre Bernhard Bonelli nicht mehr drangekommen – am Ende ging sich seine Befragung zwar aus, ergiebig war sie aber nicht.

apa / helmut fohringer

Karin Kneissl erzählte vom Schock, als sie als Außenministerin das Inseratenbudget kürzte.

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Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern beteuerte, dass Thomas Schmid der beste Mann für den Posten des Öbag-Geschäftsführers gewesen sei.

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Falls jemand verhindern wollte, dass Bernhard Bonelli am Dienstagabend noch vor dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung aussagen muss, hätte er es fast geschafft. Es war schon nach 17 Uhr, als ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger die ehemalige Außenministerin Karin Kneissl nach ihren Sprachkenntnissen fragte und der Vorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) kurz vor Ende der Befragung Kneissls noch eine Pause verordnete. Doch es war vor 18 Uhr, als Kneissl ging – und damit blieb die Ladung der dritten Auskunftsperson, Bonelli, aufrecht. Und der Kabinettschef von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) musste aussagen.

Sehr ergiebig war die Befragung dann allerdings nicht. Denn die Verfahrensanwältin wies gleich am Anfang darauf hin, dass gegen Bonelli eine Anzeige vorliegt, deren Inhalt sie aber nicht kenne. Neos-Mandatarin Stephanie Krisper klärte auf: Es handle sich um eine Sachverhaltsdarstellung, die die Neos Ende März eingebracht haben – wegen angeblicher Falschaussage bei Bonellis erstem Auftritt im Ausschuss. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat orf.at während der Sitzung auch bestätigt, dass sie auf Basis von Krispers Anzeige einen Anfangsverdacht wegen des Vorwurfs der Falschaussage gegen Bonelli prüfe.

Streitfrage Aussageverweigerung

Ob das den Beamten dazu berechtigt, sich so umfangreich zu entschlagen, wie er es dann tat, darüber wurde teils heftig gestritten: Denn die Frage, ob auch bei Aussage-Delikten (wie Falschaussage) das Entschlagungsrecht vor dem Ausschuss greift, scheint nicht eindeutig geklärt. Für Bonelli schon: Er verweigerte die meisten Antworten.

Vor dem Kabinettschef war Karin Kneissl geladen, die wesentlich auskunftsfreudiger war. Zum offiziellen Thema des Ibiza-Untersuchungsausschusses ("mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung") kann die ehemalige Außenministerin der ÖVP-FPÖ-Koalition von 2017 bis 2019 wohl eine qualifizierte Auskunft geben. Kneissl hatte sich als Auskunftsperson angeboten und wurde befragt. Sie hatte nach der Implosion der türkis-blauen Regierung mit der FPÖ, die sie nominiert hatte, gebrochen.

Strache warnte Kneissl

Und erzählte also recht frei vom Alltag der ersten Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Ihr Kabinett habe sie selbst zusammengestellt, die FPÖ habe nicht mitgeredet. Am 18. Dezember 2017 habe sie gleich als einen ihrer ersten Schritte das Inseratenbudget des Außenministeriums (1,8 Millionen Euro) um 80 Prozent gekürzt, "zum Schrecken vieler". Der Zweck von Regierungsinseraten sei es, guten Willen in der Berichterstattung zu kaufen, meinte sie. Sie habe das Geld lieber in Inhaltliches gesteckt, die Reaktionen seien heftig gewesen.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (damals FPÖ) habe sie gebeten, das Inseratenbudget beizubehalten. "Das wird zur Negativberichterstattung führen", habe man sie gewarnt. Laut Kneissl habe Presse-Chefredakteur Rainer Nowak angesichts ihrer Inseratenkürzungen gemeint, sie gefährde da Arbeitsplätze von Journalisten – Nowak hat das schon in einem Bericht der Rechercheplattform Dossier ausgeschlossen. Im Ministerrat sei das Thema ab und zu aufgekommen, aber sie sei bei ihrem Weg geblieben. Die Wünsche, das Inseratenbudget beizubehalten, seien von Strache gekommen, nicht von Kanzler Kurz.

"Haben nicht nachgefragt"

Die erste Auskunftsperson am Dienstag war Helmut Kern, der Aufsichtsratsvorsitzende der staatlichen Beteiligungsholding Öbag. Der Aufsichtsrat erledigte ja die Bestellung des umstrittenen Öbag-Geschäftsführers Thomas Schmid. Dessen sichergestellte Chats legen nahe, dass er die Ausschreibung für den Posten in seiner vorherigen Position als Generalsekretär im Finanzministerium auf sich selbst zuschneiden ließ ("Ich habe aber keine internationale Erfahrung") und dass er die Aufsichtsräte, die ihn später wählen sollten, selbst aussuchte ("Du Aufsichtsratssammler").

All diese Eindrücke stellte Aufsichtsratschef Kern am Dienstag vor den Abgeordneten in Abrede. "Wir haben am 15. Februar mit einem Entwurf für die Ausschreibung begonnen, die wir als professionell empfanden. Wir haben nicht nachgefragt, wer damit befasst war", sagte Kern angesprochen auf die Mitarbeit Schmids an der Ausschreibung. Auch ein Personalberater sei eingebunden gewesen, "das ist die Professionalität der Ausschreibung". Dass Schmid daran mitgewirkt habe, dazu habe er keine Wahrnehmung – es sei aber auch nicht ungewöhnlich, war er doch Generalsekretär im Finanzministerium.

Zurechtgerücktes "Narrativ"

Auch ein weiteres "Narrativ" wollte Kern zurechtrücken: nämlich jenes, dass sich Schmid seinen Aufsichtsrat selbst ausgesucht habe. Er zählt alle Aufsichtsräte auf, die sich Schmid sicher nicht ausgesucht habe – und beruft sich da auf die Chats, aus denen er all das nicht ableiten könne. "Bitte gebt mir einen guten Aufsichtsratschef", hatte Schmid an Gernot Blümel geschrieben, zitierte Neos-Mandatar Brandstätter. Das belege doch das Gegenteil, meint die Auskunftsperson.

Für Diskussionen sorgte ein gemeinsames Abendessen von Kern und Schmid, das laut Krainer am 12. März – also kurz vor dem Hearing der drei Vorstandsbewerber für die Öbag – stattgefunden haben soll. Kern bestätigte den konkreten Termin nicht, er könne sich auch nicht erinnern, ob es ein Vieraugengespräch war. Jedenfalls hätten er und Schmid aber "Themen der Bewerbung ausgeschlossen aus unseren Gesprächen", meinte Kern. Mit den anderen Öbag-Bewerbern sei er nicht essen gegangen, sagte der Aufsichtsratschef.

Verwunderung über Timeline aus dem Ministerium

Verwundert gab sich Kern über eine mit November 2018 datierte Timeline aus dem Finanzministerium, die ihm vorgelegt wurde. In diesem Zeitplan wird Schmid bereits als Öbag-Alleinvorstand per April 2019 genannt. Er sei ehrlich überrascht, dass "diese Daten so in dieser Unterlage aus dem Finanzministerium stehen", sagte er, blieb aber bei der Darstellung, dass Schmid unabhängig als bester Bewerber bestellt worden sei.

Zur Sitzung am Mittwoch sind wieder drei Personen geladen: Wolfgang Katzian, ÖGB-Chef; ein Ex-Politiker des Liberalen Forums, dem das Ibiza-Video angeboten worden sein soll; und der Compliance-Manager der Novomatic. (Theo Anders, Sebastian Fellner, Renate Graber, 4.5.2021)