Der Gesetzesentwurf des Wirtschaftsministeriums liegt noch bis 18. Mai zur Begutachtung auf.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Österreich will im Bereich des Wettbewerbsrechts eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen: Der Entwurf für das neue Kartellgesetz setzt unionsrechtliche Vorgaben um, geht aber auch darüber hinaus. Unternehmerische Kooperationen zum Zweck einer "ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft" sollen vom Kartellverbot ausgenommen werden. Fraglich ist allerdings, ob ein nationaler Alleingang in einem internationalen Rechtsbereich tatsächlich zu einer Änderung der Praxis führen würde.

Nachhaltige Kooperationen

Das Kartellrecht verbietet Unternehmen bestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken. Dieses Verbot ist grundsätzlich immer dann anwendbar, wenn Absprachen den Wettbewerb beeinträchtigen. Die wenigen Ausnahmen, die das Kartellgesetz vorsieht, sollen jetzt um einen Punkt erweitert werden. Damit wären unternehmerische Kooperationen im Bereich Nachhaltigkeit leichter möglich.

Die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen ist derzeit oftmals im Graubereich anzusiedeln. Laut der Studienvereinigung Kartellrecht, die in die Beratungen zum neuen Entwurf eingebunden war, seien Marktteilnehmer mit politischen Wünschen nach Branchenlösungen für eine nachhaltige Wirtschaft konfrontiert. Gleichzeitig werden sie allerdings dem Risiko ausgesetzt, dass die Befolgung dieser Wünsche im Nachhinein als Kartellverstoß gewertet werden könnte. Oftmals entspräche es daher der Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung, auf derartige Initiativen zu verzichten.

Die geplante Erweiterung der Ausnahme vom Kartellverbot soll laut Gesetzesentwurf nun auch der Rechtssicherheit dienen. Daran, dass Unternehmer allfällige Absprachen in diesem Bereich weiterhin selbst auf ihre Verträglichkeit mit den kartell- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen prüfen müssen, wird die Novelle aber nichts ändern.

Vorteile für Verbraucher

Auch bisher gab es Ausnahmen vom Kartellverbot, wenn Vereinbarung die Warenerzeugung verbessern und Verbraucher an dem "entstehenden Gewinn angemessen beteiligt" werden. Diese "Gewinnbeteiligung" darf allerdings nicht wörtlich genommen werden. Sie liegt dann vor, wenn die Vorteile für die Verbraucher die Nachteile dauerhaft überwiegen. Es muss sich dabei nicht um finanzielle Gewinne wie Preissenkungen handeln, auch sonstige Vorteile wie erhöhte Qualität oder ein verbesserter Kundendienst kommen infrage.

In diese Kerbe schlägt nun die geplante neue Ausnahme: Der Gesetzesentwurf nimmt eine "angemessene Beteiligung der Verbraucher" dann an, wenn es aufgrund von unternehmerischen Absprachen zugunsten einer "ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft" Effizienzgewinne gibt, die auf den Markt durchschlagen.

Vorrang des EU-Rechts

Die geplante Neuregelung wäre nur für Fälle anwendbar, in denen es ausschließlich um den nationalen Handel geht. In grenzüberschreitenden Sachverhalten hat das EU-Recht nämlich Vorrang. Die Studienvereinigung Kartellrecht befürchtet deshalb, dass der neue Ausnahmetatbestand für sich allein in der Praxis "verpuffen" würde. Generell formulierte, nationale Bereichsausnahmen hätten so gut wie keinen praktischen Effekt. Zielführender wäre es laut Studienvereinigung, spezifische Typen von Nachhaltigkeitsvereinbarungen von der Anwendung des Kartellverbots auszunehmen.

Angesichts des weitgehenden Gleichklangs nationaler und unionsrechtlicher Vorschriften im Bereich des Wettbewerbsrecht scheine es daher zweckmäßig, "die Ergebnisse des innerstaatlichen Diskurses auch in die Debatte auf Unionsebene einfließen zu lassen". (Jakob Pflügl, 6.5.2021)