Die Fava ist die Bohne der alten Welt: in der Antike ein Grundnahrungsmittel, wird sie bis heute dort geliebt, wo schon vor Jahrtausenden gut gegessen wurde. In China, vor allem Sichuan, wird sie hoch geschätzt und zu Doubanjiang vergoren, einer Art chinesischem Miso, etwas weiter westlich, im Iran, ist sie seit jeher gern gesehener Gast im Tschelou. In Ägypten ist Ful medame, eine Art Favaopüree, nichts weniger als das Nationalgericht, in Äthiopien bindet Favamehl Shiro Wot, den berühmtesten Eintopf des Landes. Und Cholent, das legendäre jüdische Shabat-Essen, war einst aus Favas gemacht. Mit der jüdischen Diaspora dürfte sie sich auch im ganzen mediterranen Raum verbreitet haben (Fußnote 1).

Die einjährige krautige Pflanze kann bis zu zwei Meter hoch werden.

Wenn sie gut, jung und frisch ist, erinnert sie geschmacklich an frische Erbsen, mit einer zarten Süße, noch zarteren, mandeligen Bitternote und einem feinen, knackigen Biss, der am besten durch kurze (oder gleich weggelassene) Garzeiten geschont wird. Sie harmoniert hervorragend mit allerlei Kräutern (Dill, Petersil, Basilikum ...), Zitrusaromen, Frischkäsen und Nüssen. Sie lässt sich roh, blanchiert, gedämpft, gebraten oder getrocknet genießen – kurz, sie ist ein ausgesprochen köstliches kulinarisches Allroundtalent.

Im vergleichsweise erst unlängst zivilisierten Zentral- und Nordeuropa haben es Mensch und Favabohne, scheint mir, trotzdem nie über eine Zweckbeziehung hinaus geschafft. Zwar verbreitete sie sich schon vor gut 1.000 Jahren am ganzen Kontinent und war im Mittelalter ein wesentliches Grundnahrungsmittel. Weil sie so außerordentlich anspruchslos ist, ist sie die einzige Bohne, die auch in Nordeuropa wächst, bis hinauf in die salzigen Böden der Nord- und Ostseeküste.

Trotzdem, oder gerade deswegen, ist sie hier den Nimbus des Arme-Leute-Essens nie losgeworden. In mittelalterlichen Kochschriften wurde sie entweder ignoriert oder als Hungeressen geschmäht, und seit Hunger kein Thema mehr ist, wird sie nördlicher der Alpen überhaupt kaum mehr gegessen oder angebaut (Fußnote 2).

Was österreichische Bohnenbauern von ihr halten, wird schon an ihrem Namen klar: Saubohne wird die Fava hier genannt, was sowohl Schmähname als auch Serviervorschlag ist. Auch das englische "Horse Bean" ist kaum charmanter, vor allem, wenn man bedenkt, dass es ausgerechnet jene Fava-Variante bezeichnet, die unerlässlich ist für den Wohlgeschmack der Falaffel.

Das mag auch daran liegen, dass sie es ihrem Esser (oder Koch) nicht gerade leicht macht (Fußnote 3). Idealerweise wird sie vor dem Genuss nämlich gleich doppelt geschält. Da ist einmal die dicke, äußere Schale, aus der sie gepellt werden will (und die innen mit einem so flauschigen Pelz ausgekleidet ist, dass ich mich jedesmal am liebsten statt der Bohnen hineinlegen will). Dann kommt die blassgrüne Bohnenschale, die den giftgrünen, zarten Kern umschließt. Die ist zwar bei sehr jungen Exemplaren durchaus genießbar, bei größeren aber neigt sie zur Bitterkeit. Selbst faulen Köchen wie mir sei geraten, sie trotz des Mehraufwands loszuwerden – es zahlt sich geschmacklich aus.

Je nach Sorte sind die Bohnen 1 bis 2,5 Zentimeter lang und 4,5 bis 9 Millimeter dick.
Tobias Müller

Langsam aber mehren sich die Zeichen für eine zarte Rückkehr. Dank türkischer Standler, vor allem am Brunnenmarkt, sind die Favabohnen zurückgekehrt auf die Wiener Märkte, türkische Supermärkte verkaufen sie mitunter gefroren, und seit kurzem haben sie sogar den Sprung ins Luxussegment geschafft.

Das freut mich sehr, weil ich sie hier in Süditalien näher kennen und lieben gelernt habe. Gemeinsam mit den Artischocken ist sie das erste frische Frühlingsgemüse, das ab Ende Februar, Anfang März auf den Märkten auftaucht und sich dann hier bis Anfang Mai stapelt. In Puglia ist Fava-Brei mit Zicchorien, wilden bitteren Blättern, eine Art Nationalgericht. In Lazio wird sie jung und roh gern mit Erbsen und Pecorino Romano verspeist, und hier in Neapel ist sie ein traditionelles Osteressen und wird, wie alle Leguminosen, gern und oft mit Meeresfrüchten gepaart.

Wenn Sie ganz frische, junge, zarte Bohnen bekommen, probieren Sie sie roh oder kurz in Salzwasser blanchiert und mit Erbsen gemischt auf frischer Ricotta, mit einem Schuss Olivenöl, etwas Minze und frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer. Sind die Bohnen etwas reifer, passen sie wunderbar in eine Carbonara (aber nennen Sie sie dann ja nicht so!), in einen Oktopuseintopf oder in persischen Reis.

Favabohnen mit Erbsen und Ricotta.
Tobias Müller

Das folgende Rezept habe ich mit meinen letzen Favas improvisiert und war sehr zufrieden. Es verbindet Einflüsse der mit Reis gefüllten Miesmuscheln, die auf Istanbuls Straßen verkauft werden, mit der neapolitanischen Bohnen-cum-Meeresfrucht-Liebe. Jetzt beginnt übrigens langsam die Saison für Miesmuscheln aus dem Mittelmeer, die im Sommer am besten, weil fettesten sind. Schlagen Sie zu, wenn Sie frische bekommen.

Favabohnen mit Miesmuscheln und Reis

Ein Problem bei Favas ist, dass man beim Kauf kaum abschätzen kann, wie viele man wirklich bekommen wird – eine Schote enthält zwischen drei und acht (!) Bohnen, deren Größe wiederum drastisch schwankt. Ich kaufe meist etwa 600 bis 700 Gramm Schoten für zwei Personen und bin damit bisher immer gut gefahren.

  • 600–700 g Favas in der Schote
  • 1 kg frische Cozze
  • 1 Tasse Reis (etwa 200 g)
  • 2 Knoblauchzehen, gehackt
  • 1 kleine Zwiebel, gehackt
  • 100 ml Tomatensauce
  • 2–3 TL Chilipulver, nach Geschmack
  • 1 EL türkische Paprikapaste oder ein wenig Paprikapulver
  • 1 daumengroßes Stück Zimt, gemahlen
  • Nicht zu knapp gehackter Petersil und Dill

Die Bohnen, so sie schon etwas größer sind, zweimal schälen. Sie können Sie dafür entweder nach dem ersten Schälen kurz blanchieren, bis die Schalen aufspringen und der Kern sich herausdrücken lässt. Oder, und das ist meine bevorzugte Art, Sie schneiden die rohe Bohne einfach längs durch und drücken die beiden Kernhälften aus der dicken Schale. Wenn meine Favas unterschiedlich groß sind, schäle ich oft nur die größeren doppelt und lasse die kleinen einfach geschält.

Die Cozze entbarten und in einem heißen Topf bei geschlossenem Deckel dämpfen, bis sie sich möglichst alle geöffnet haben. Von der Hitze nehmen, das Fleisch aus den Schalen lösen, und die Flüssigkeit, die sie gelassen haben, aufheben.

Reis gut waschen. In einem Topf mit schwerem Boden etwas Knoblauch und Zwiebel anschwitzen, dann Tomatensauce, Chili, Paprikapulver oder -Paste und Zimt zugeben. Aufkochen lassen und ein wenig einreduzieren. Reis, Favas und Kräuter zugeben und gut durchrühren.

Mit der Flüssigkeit der Muscheln aufgießen – sie sollte volumsmäßig in etwa dem Reis entsprechen. Messen Sie sie in der gleichen Tasse, falls Sie unsicher sind. Ein bissl mehr Flüssigkeit schadet auch nicht. Deckel schließen, zum Köcheln bringen, auf kleinste Flamme reduzieren und garen, bis der Reis bissfest ist, etwa 15 bis 20 Minuten.

Hitze abdrehen, Muschelfleisch auf den Reis legen, Deckel erneut schließen und drei Minuten ziehen lassen. Alles gut durchmischen (inklusive der guten Kruste, die sich hoffentlich am Topfboden gebildet hat) und servieren.

Fußnote 1: Wen die spannende Geschichte der Bohne im Allgemeinen und der Fava im Speziellen näher interessiert, dem sei das schöne Buch "Beans – a History" empfohlen.

Fußnote 2: Dabei braucht sie uns Menschen dringend – sie ist über die Jahrtausende nämlich eine Symbiose mit uns eingegangen. Wie auch beim Mais ist die Wildform der Favabohne nicht mehr bekannt (oder ausgestorben), sie ist züchterisch so verändert, dass sie sich allein nicht mehr vermehren kann. Wenn Menschen sie nicht anbauen, stirbt die Favabohne aus.

Fußnote 3: Ein weiteres Argument gegen die Favabohne ist, dass die geschmacklich ähnliche Erbse, wenn sie gut und frisch ist, zugegeben doch noch einmal besser schmeckt. Frische Erbsen sind aber leider in Österreich so gut wie nie gut, lassen sich sehr schlecht lagern und haben eine noch viel kürzere Saison. Insofern gilt wieder: Ran an die Favabohne!