Die Zusammenarbeit mit HG Labtruck hat das Land Tirol mittlerweile beendet.

Foto: Land Tirol/G. Berger

Knapp acht Millionen Euro soll die Tiroler Landesregierung an den Testanbieter HG Labtruck bezahlt haben. Der Auftrag wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern direkt an das Unternehmen vergeben. Das sorgte im Tiroler Landtag für massive Kritik. Aber wäre eine öffentliche Ausschreibung überhaupt notwendig gewesen?

Die Möglichkeit der Direktvergabe an ein bestimmtes Unternehmen besteht nur bis zu einem geschätzten Auftragswert von 100.000 Euro – ein Betrag, der im Fall von HG Labtruck deutlich überschritten wurde. Größere Aufträge müssen grundsätzlich öffentlich ausgeschrieben werden. Doch es gibt Ausnahmen: Wenn die Beschaffung besonders dringlich und daher ein Vergabeverfahren nicht möglich ist, kann ein sogenanntes Verhandlungsverfahren mit einem einzigen Unternehmen erfolgen. In Notsituationen sind Direktvergaben also erlaubt – unabhängig vom Auftragswert.

Für eine Ausnahme müssen zwingende Gründe vorliegen, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind. Darüber hinaus dürfen die Ereignisse nicht vorhersehbar gewesen sein und es nicht erlauben, ein gewöhnliches Vergabeverfahren durchzuführen, weil dieses zu lange dauern würde.

Berufung auf Dringlichkeit

Gerade zu Beginn der Krise stützten sich öffentliche Auftraggeber auf diese Ausnahme. Die EU-Kommission erarbeitete deshalb Leitlinien, die festlegen, wann eine besondere Dringlichkeit gegeben ist. Bei der schnellen Beschaffung von Schutzausrüstung im März 2020 lag unstrittig eine Notsituation vor.

Monate später – der Vertrag mit HG Labtruck wurde im September 2020 abgeschlossen – wäre die Situation aber wohl anders zu beurteilen gewesen, sagt Kerstin Holzinger, Anwältin für Vergaberecht der Kanzlei Nagele Haslinger. "Wir kennen Corona seit mehr als einem Jahr. Auch dass PCR-Tests notwendig sind, weiß man nicht erst seit gestern." Deshalb sei es schwierig, sich auf die Dringlichkeit zu berufen. Dazu komme, dass das Auftragsvolumen weit über das hinausgehe, was zur Abwehr einer Notsituation notwendig gewesen wäre. Die HG Labtruck hat seit Herbst mehr als 200.000. PCR-Tests in Tirol durchgeführt.

Gerichte müssen entscheiden

Ob im Fall Tirols der Bedarf an PCR-Tests im September ein dringlicher Grund war, werden letztlich Gerichte entscheiden müssen. Es liegt allerdings am öffentlichen Auftraggeber nachzuweisen, dass die Voraussetzungen dafür vorlagen.

Konkurrenzunternehmen haben bis zu sechs Monate Zeit, den Vertragsabschluss anzufechten. Dann kann der Beschaffungsvorgang für ungültig erklärt werden. Ist das nicht mehr möglich, weil der Vertrag bereits abgewickelt wurde, drohen dem Auftraggeber Bußgelder. Darüber hinaus haben übergangene Unternehmen drei Jahre Zeit, Schadenersatz geltend zu machen. In der Praxis spiele das laut Holzinger allerdings kaum eine Rolle: "Man müsste nachweisen, dass man bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens den Vertrag bekommen hätte." Gibt es keine Ausschreibungsunterlagen, sei das aber praktisch nicht möglich.

Ausschreibung in Vorarlberg aufgehoben

Erst kürzlich hat das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg eine Ausschreibung zum Betrieb von Teststraßen für nichtig erklärt. Vom Land wurde unter anderem verlangt, dass nur fixangestelltes Personal für die Durchführung von Tests herangezogen werden darf und dass eine Ansprechperson des Leistungserbringers rund um die Uhr erreichbar sein muss. Diese Anforderungen standen laut Gericht aber nicht im Einklang mit dem Bundesvergabegesetz.

Auch in Vorarlberg war der Auftrag für die Teststraßen zunächst direkt an das Rote Kreuz vergeben worden. Das Land berief sich diesbezüglich auf die Pandemiesituation. Da dieser Zustand aber nicht unbefristet hätte fortgeschrieben werden können, entschloss man sich im Februar zu einer Ausschreibung. (Jakob Pflügl, 5.5.2021)