Seit Montag im Verein: Gerhard Krisch. Er soll die Finanzen der Austria in Ordnung bringen.

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Seit 1997 im Verein: Markus Kraetschmer. Ob er über den Juni hinaus bei der Austria bleibt, ist noch unklar.

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Noch bevor die Austria in zweiter Instanz die Lizenz für 2021/22 erhielt, trugen Fans den Klub symbolisch zu Grabe.

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Ende gut, alles gut? Lizenz erhalten, Aufbruchstimmung? Mitnichten. Von Euphorie kann bei der Austria keine Rede sein. Noch weiß man nicht, wer kommende Saison die sportlichen Agenden des Vereins führen soll. Eine Personalfrage im wirtschaftlichen Bereich wurde immerhin geklärt. Gerhard Krisch nahm am Montag seine Arbeit als Vorstand auf. Ob der bisherige Alleinherrscher Markus Kraetschmer über die Saison hinaus im Verein bleiben wird, ist noch unklar. Krisch freut sich auf "eine spannende Zeit" und bedankte sich per Aussendung für das Vertrauen der Gremien.

Ja, so ein Verein wie die Austria hat viele Gremien. Es gibt das Präsidium, den Vorstand, den Verwaltungsrat, den Aufsichtsrat und das Kuratorium. Die Mitglieder des Aufsichtsrates haben eine tatsächliche Kontrollfunktion. Sie überwachen die Geschäftsführung aus nächster Nähe und sind über alle wesentlichen Geschäftsvorgänge informiert. Die Mitglieder des Kuratoriums sehen sich eher in der Rolle der kritischen Beobachter. Sie sind nicht über alle Details informiert – merken aber sehr wohl, wenn es am Verteilerkreis nicht rundläuft.

Stille Kontrolle

Und bei der Austria läuft es weder sportlich noch wirtschaftlich rund. In der Meisterschaft spielt man eine Nebenrolle, das wirtschaftliche Überleben hängt an einem seidenen Faden. Kein Wunder also, dass es im Kuratorium rumort. Man stellt sich Fragen. Allen voran die Frage, wie es so weit kommen konnte. Zur Erinnerung: Der Geschäftsbericht für das Jahr 2019/20 wies Verbindlichkeiten von 78 Millionen Euro und ein Jahresminus von 18,8 Millionen Euro aus. Da fragen sich so manche Kuratoriumsmitglieder, wo das vereinsinterne Controlling geblieben ist.

Im Aufsichtsrat der Austria sitzen keine Anfänger, sondern erfahrene Manager. Sie sind Vorstände der T-Mobile Austria, der Rewe International, der Flughafen Wien AG, der Generali Versicherung – riesige Unternehmen im Vergleich zum FK Austria Wien. In vier Sitzungen pro Jahr wird mit dem Vorstand die laufende Geschäftsentwicklung erläutert. Zudem werden einzelne Vorgänge, die der Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegen, beraten und entschieden. Nun fragen sich viele Beobachter: Wurde alles durchgewinkt?

Besonders sauer stößt folgender Vermerk im Firmenbuch auf: "In der Bilanz zum 30. Juni 2019 wird ein negatives Eigenkapital in der Höhe von EUR -19.069.912 ausgewiesen. Die Verringerung gegenüber dem Vorjahr ist überwiegend durch Bildung einer Wertberichtigung einer Forderung gegenüber einem Großsponsor zur Gänze im Ausmaß von TEUR 10.000 bedingt." Mit anderen Worten: Die Austria fiel um eine Zusage über zehn Millionen Euro um. Nicht gerade ein kleiner Posten. Wer war der ominöse Sponsor? Darüber wollen die Verantwortlichen nicht reden. Das Geld einklagen wollen sie auch nicht.

Das Ausmaß der finanziellen Probleme wurde, wie erwähnt, erst im Geschäftsbericht 2019/20 deutlich. Dort schlug sich in der Gewinn- und Verlustrechnung ein Jahresminus von 18,8 Millionen Euro nieder. Ein Jahr zuvor wurde noch ein Plus von 2,3 Millionen Euro ausgewiesen – aber nur, wenn man das Kleingedruckte nicht liest. Fußnote zum vermeintlichen Gewinn: "Der Bestätigungsvermerk wurde auf einen Geschäftsfall hinsichtlich eines Großsponsors eingeschränkt." Heißt: Der sprunghafte Anstieg der Sponsoringgelder von elf auf 21 Millionen Euro hielt der Wirtschaftsprüfung nicht ganz stand. Der Ausfall des geheimnisvollen Sponsors wurde offensichtlich längst befürchtet.

Kein Wunder also, dass das Vertrauen der Basis in die Geschäftsführung angeschlagen ist. Die Stakeholder vom Kuratorium über den Lieferanten bis hin zu den Fans wünschen sich in der größten Krise der 110-jährigen Historie Aufklärung in allen Belangen. Zumal die Austria ihre Zielsetzungen nicht eingehalten hat. Im Geschäftsbericht 2019/20 wurde der Verkauf "von bis zu 49,9 Prozent" an einen strategischen Partner als dezidiertes Ziel ausgegeben. Präsentiert hat man mit der "Insignia Group" letztlich einen Partner, der keine Anteile erwerben, sondern Sponsoren aufstellen sollte. Keine Rede von Soforthilfe.

Stille Reserven

Soforthilfe hätte die Austria aber bereits bei der Präsentation des Partners Anfang März nötig gehabt. So musste man nach Verweigerung der Lizenz in erster Instanz innerhalb einer Woche alle Hebel in Bewegung setzen, um doch noch zur Spielgenehmigung für 2021/22 zu kommen. Selbst Präsident Frank Hensel schoss eine halbe Million Euro zu, um das Schlimmste zu verhindern. In der Not wurden AG-Anteile zu einem guten Preis angeboten. Ein Prozent wurde mit 250.000 Euro bewertet. Kritiker sehen einen Ausverkauf.

Dass es um den Verein finanziell nicht gut bestellt ist, ist keine Neuigkeit. Im Firmenbuch ist in der Bilanz zum 30. Juni 2019 vermerkt: "Trotz buchmäßiger Überschuldung liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, da im Anlagevermögen, insbesondere bei den Spielerwerten, stille Reserven enthalten sind." Die Fußnote hat Tradition. Sie war bereits in der Bilanz 2013 zu lesen. Da war die Austria Meister, die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten betrugen 6,1 Millionen Euro – heute sind es 47,6 Millionen. Dazwischen liegt freilich ein Stadionbau.

Ist Vorstand Kraetschmer alles über den Kopf gewachsen? Ja, wenn man Raimund Harreither zuhört. "Die Rahmenbedingungen haben sich mit dem Stadionbau geändert", sagte der Vizepräsident zu Sky. "Wahrscheinlich ist ihm das eine oder andere durch die vielen Aufgaben nicht so gelungen, wie es sein sollte." Auch im Kuratorium fragt man sich, ob der Tatendrang von Kraetschmer als Vorstand der FK Austria Wien AG, Geschäftsführer des Viola Park Immobilienprojekts und Geschäftsführer der FK Austria Wien Marketing GmbH nicht zu groß war.

Kritik an Kraetschmer kommt von allen Ebenen. Unter anderem heißt es, er habe sich in sportliche Belange eingemischt. Und eben im Kerngeschäft Fußball ist die Austria gescheitert. Dadurch geriet das Geschäftsmodell – eingerechnet waren Europacupteilnahmen und Transfers – ins Wanken. Dass man sich in der Meisterschaft mit Wolfsberg, Hartberg und Co herumschlagen muss, war nicht eingeplant. Vier Jahre im sportlichen Tief haben den Verein in Existenznöte gebracht.

Gerhard Krisch (55), seit Montag also neben Kraetschmer als zweiter Vorstand im Amt, hat im Fußball bei der Vienna und dem FC Mauerwerk Erfahrung gesammelt. Was ihn überdies für den Job qualifiziert: eine langjährige Tätigkeit bei der Bank Austria, die der wichtigste Kreditgeber des Vereins ist und allmählich um ihr Geld fürchtet. Eine Eingewöhnungsphase wird es nicht geben. Die Austria muss über den Sport ihre Einnahmen ankurbeln, die Geschäftsführung muss sich wieder Vertrauen erarbeiten. Keine leichten Aufgaben. (Philip Bauer, 6.5.2021)