Winke, winke nach München: Mediaset-Boss Pier Silvio Berlusconi nimmt neuen Anlauf zum TV-Europakonzern. ProSieben liegt auf dem Weg.

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Pier Silvio Berlusconi, Sohn des italienischen Medienmultis und Exregierungschefs, nimmt noch einmal Anlauf: "Nach fünf Jahren Stillstand wird Mediaset jetzt endlich einen gesamteuropäischen Fernsehkonzern gründen können, den wir schon seit längerer Zeit planen, und neue Ressourcen in Technologie investieren." Also sprach der CEO des italienischen Medienkonzerns Mediaset am Dienstag im hauseigenen Canale 5.

Tags zuvor haben die Berlusconis fünf Jahre Streit mit dem Mediaset-Großaktionär Vivendi, einem französischen Kommunikationskonzern, beigelegt. Der Streit blockierte auch die europäischen Fernsehpläne der Mediaset.

Vivendi verkauft nun über die nächsten fünf Jahre den Großteil seiner Mediaset-Anteile von knapp 29 Prozent, die Berlusconis stocken davon ihre Beteiligung um fünf Prozent auf. Die Unternehmen lagen seit einem geplatzten Pay-TV-Deal 2016 im Clinch.

"MediaForEurope ist ein ehrgeiziges und innovatives Projekt, das Jobs schaffen kann. Wenn wir, wie wir annehmen, mit diesem Projekt Erfolg haben, werden wir ein Stück Europa aufgebaut haben", sagte Berlusconi auf Canale 5. "Bisher hat noch niemand ein europäisches TV-Projekt lanciert. Wir starten mit einem neuen internationalen Abenteuer im Medienbereich. Dies wird große Wachstumschancen in Italien, Spanien und anderen Ländern ermöglichen."

Mediaset und RTL werben

Die Einigung mit Vivendi und der neuerliche Anlauf Richtung Europa nährte Spekulationen, Mediaset könnte seine Beteiligung an ProSiebenSat1 auf 30 Prozent aufstocken und eine Übernahme versuchen.

Mediaset hält direkt und über Derivate rund 23,5 Prozent an ProSiebenSat1 und drängt schon eine Weile auf engere Zusammenarbeit. Die Italiener wollen ihren Firmensitz in die Niederlande verlegen, europaweit wachsen und ProSieben an Bord haben. ProSieben-Chef Rainer Beaujean wirkt wenig begeistert. Bei der Bilanzpressekonferenz im März kommentierte er Annäherungsversuche von Mediaset und auch der RTL-Gruppe mit: "Wir kommen sehr gut klar."

Zu den neuen Spekulationen von Analysten nach der Einigung mit Vivendi ließ ProSiebenSat1 verlauten, man kommentiere die wiederkehrenden Spekulationen im Markt nicht. "Uns wurde bisher kein Vorschlag – auch nicht von Mediaset – unterbreitet, den wir bewerten können." Sollte es in Zukunft einen solchen Vorschlag geben, werde man diesen "ergebnisoffen im Detail analysieren und dabei die Interessen aller Stakeholder berücksichtigen". Klare Strategie sei, Wert für die Aktionäre zu schaffen. So habe man aus eigener Kraft die Diversifizierung vorangetrieben und als Digitalkonzern ein Geschäftsmodell mit Wachstumspotenzial etabliert.

Riese in Österreich

Österreich streift man auf dem Weg von Mailand nach München meist nur, und es wird bei weiteren Avancen der italienischen Mediaset-Gruppe beim Münchner TV-Riesen ProSiebenSat1 keine tragende Rolle spielen. Dabei ist Österreich ein Schmuckstück im Portfolio des deutschen TV-Riesen, auf das die Familie Berlusconi schon länger lugt.

ProSiebenSat1Puls4 ist beim sogenannten Werbepublikum unter 50 Jahren Marktführer in Österreich, noch vor dem öffentlich-rechtlichen ORF, seit die Sendergruppe 2017 auch ATV und ATV 2 übernommen hat. 28,4 Prozent des Fernsehpublikums zwischen zwölf und 49 Jahren fanden sich im Jahresschnitt 2020 bei ihren Sendern, von ProSieben und Sat1 bis ATV, Puls 4 und Puls 24. Die ORF-Kanäle kamen in der Zielgruppe auf 24 Prozent.

Im Gesamtpublikum liegt der ORF im Pandemiejahr 2020 mit 33,2 Prozent deutlich vor ProSiebenSat1Puls4 mit 16,8 Prozent 2020.

186 Millionen Euro nimmt dieser österreichische Ableger von ProSiebenSat1 pro Jahr ein, er ist eines der fünf größten Medienhäuser im Land. Und über viele Jahre war die TV-Gruppe in Österreich zumindest eines der einträglichsten, wenn nicht das einträglichste. 34,7 Millionen Euro Ergebnis vor Steuern waren bisheriger Höchstwert, 2019 waren es immerhin noch 18,7 Millionen Euro (der jüngste im Firmenbuch verfügbare Wert). Mit Gewinnvorträgen aus den Vorjahren kam man auf Bilanzgewinne von 2018 52 und 2019 fast 43 Millionen Euro. (Harald Fidler, 5.5.2021)