Es war eine Machtdemonstration zur Unzeit. Inmitten des nach wie vor ungeklärten Skandals um die Vergabe des größten PCR-Test-Auftrags des Landes Tirol kündigte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) an, 2023 erneut für den Chefposten im "Heiligen Land" zu kandidieren. Damit sei diese "Kernfrage" geklärt, begründete er die Ankündigung, die er bislang immer vermieden hat. Allein: Es gibt momentan in Tirol wahrlich dringlichere Fragen zu klären.

Denn Platter ist selbst eine der zentralen Figuren in dem Skandal um die Firma HG Labtruck des Wiener Urologen Ralf Herwig. Und er lässt alle solche Fragen, etwa wer den Vertrag im September 2020 abgesegnet und unterzeichnet hat, offen. Es gab weder eine Ausschreibung noch einen Landtags- oder Regierungsbeschluss. Der Auftrag im Wert von mehr als acht Millionen Euro kann somit schwerlich ohne sein Wissen zustande gekommen sein.

Vitamin B und Vitamin D

Der Auftragnehmer Ralf Herwig scheint den Job weniger wegen seiner Qualifikation, als vielmehr aufgrund seiner Beziehungen erhalten zu haben. Denn hätte man seine Person überprüft, hätte auffallen müssen, dass der Urologe nicht die beste Wahl ist. Gegen ihn laufen Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung und schweren Betrugs. Weiters wurde er wegen des Verkaufs überteuerter Vitamin-D-Präparate, die er als Heilmittel gegen Krebs und Corona angepriesen hat, angeklagt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Platter und Herwig vor einem Labtruck.
Foto: APA/LAND TIROL/G. BERGER

Das Wiener AKH hatte Herwig wegen Behandlungsfehler 2013 und 2014 entlassen. Zwei Patienten, die er falsch behandelt haben soll, haben sich aufgrund dessen das Leben genommen. Andere Opfer des Urologen werden ihr Leben lang unter den Folgen falscher Behandlungen zu leiden haben, so die Vorwürfe gegen ihn. Seit Anfang des Jahres hat ihm zudem die Ärztekammer die Berufsberechtigung vorübergehend entzogen. "Ich gebe zu, die Optik ist nicht gut", erklärte Platter am Mittwoch. Daher beende man nun die Zusammenarbeit mit Herwig und prüfe die Vergabe landesintern. Wenn die abgeschlossen ist, werde man die Ergebnisse analysieren und etwaige Konsequenzen ziehen.

Mehr Energie als in die Aufklärung des Skandals steckt die Volkspartei in den überraschenden Umbau ihres Regierungsteams. Am Dienstagabend traten Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (beide ÖVP) kurz nacheinander zurück. Überraschend deshalb, weil Platter vor zwei Wochen noch beteuerte, dass es in Pandemiezeiten keinen Wechsel in seiner Mannschaft geben werde.

Platter bei der PK am Mittwochvormittag.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Das stimmte aber gar nicht, wie er dann am Mittwoch freimütig erklärte. Schließlich lasse er die Medien nicht gleich alles wissen, was er plane. Nur um im nächsten Satz anzukündigen, dass es bis 2023 nun keinen Umbau mehr geben werde.

Obwohl sich der Eindruck aufdrängt, man wolle mit der Rochade vom HG-Labtruck-Skandal ablenken, dürfte in Wahrheit parteiinterne Taktik die Hauptrolle spielen. Denn Platter präsentierte am Mittwoch umgehend die Nachfolger der scheidenden Landesräte. Auf Tilg folgt Anette Leja, auf Zoller-Frischauf wiederum Anton Mattle. Dieser Wechsel sei gut vorbereitet worden, erklärte Platter. Gespräche dazu liefen seit Wochen. Allerdings erklärte Mattle bei seiner Vorstellung, dass er am Dienstag vom Anruf des Landeshauptmanns überrascht worden sei.

Das passt nicht zusammen, macht politisch aber Sinn. Denn eigentlich hatte man im Wirtschaftsbund längst Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser (ÖVP) als Nachfolger Zoller-Frischaufs auserkoren. Dass sie vor Ende der Legislaturperiode zurücktreten will, war ein offenes Geheimnis. Walser wiederum galt als potenzieller Platter-Nachfolger. Doch das gefiel dem zum AAB gehörenden Landeshauptmann gar nicht.

Geschickter Schachzug

Indem er nun Mattle in die Position des Wirtschaftslandesrats hievte und zugleich seine eigene Wiederkandidatur 2023 erklärte und eine weitere Regierungsumbildung ausschloss, sind Walsers Chancen quasi erloschen. Platter nutzte die Rücktritte geschickt, um sich selbst und seine Macht abzusichern. Der Skandal um die HG Labtruck geriet, als Nebeneffekt, in den Hintergrund. Das dürfte den Strategen Platter auch nicht stören.

Doch die offenen Fragen rund um die Auftragsvergabe und die zweifelhafte Qualität der PCR-Tests bleiben. Herwig kündigte am Mittwoch an, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Am Freitag muss er sich in Wien erneut vor Gericht verantworten.

Das Gesundheitsministerium kündigte an, die PCR-Test-Ergebnisse aus Tirol erneut zu überprüfen. Nach wie vor ist vieles rund um die Befundung und Abwicklung unklar (siehe dazu den Bericht auf Seite 3). So nennen weder Land noch Herwig den Namen des Labormediziners, der die PCR-Tests befundet hat. Ob Tirol nach dem vorläufigen Rückzug Herwigs aus dem operativen Geschäft weiter mit dessen Unternehmen zusammenarbeitet – der Vertrag läuft eigentlich noch bis Juni 2021 –, blieb vorerst offen.

Zur APA sagte der umstrittene Urologe: Die Entscheidung für seinen vorläufigen Rückzug habe er aufgrund der Turbulenzen um seine Person getroffen. Es würde für das Land Tirol jedenfalls schwer sein, eine Firma zu finden, die eine derartige Qualität liefern könne.

Als Landeshauptmann steht er im Zentrum des Skandals um die Vergabe des größten PCR-Test-Auftrags in Tirol. Dennoch kündigte Günther Platter seine erneute Kandidatur im Jahr 2023 an. (Steffen Arora, 5.5.2021)

Die "Neuen" im Kurzporträt:

Der "Pfarrer", der Tirol wirtschaftlich wieder aufrichten soll

Anton Mattle wird der neue Wirtschaftslandesrat von Tirol
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Es gibt Politiker von Regierungsparteien, die sogar von der Opposition fast einhellig gemocht und geschätzt werden. Der bisherige Vizepräsident des Tiroler Landtags und Bürgermeister der Gemeinde Galtür, Anton Mattle, ist genauso einer. Mit seinen "salbungsvollen Worten" und seiner "verbindlichen Art" habe er sich den Spitznamen als Pfarrer des Tiroler Landtags erarbeitet, heißt es.

Mattles Brotberuf hat weniger mit Erleuchtetem als mit tatsächlichen Leuchten zu tun. Der 58-Jährige ist gelernter Elektrotechniker, wechselte aber schon mit jungen 23 Jahren für die Jungbauern in die Gemeindepolitik. In seine Bürgermeisterzeit der 1000-Seelen-Gemeinde im hintersten Paznauntal fiel 1999 das tragische Lawinenunglück, das 38 Menschen das Leben kostete. 2003 zog der verheiratete Familienvater dreier Kinder dann erstmals für die ÖVP in den Landtag ein. Der Wirtschaftsbündler gilt als unumstrittener Vorzugsstimmenkaiser. Dafür ist er sich auch nicht zu schade, äußerst gestellte Wahlkampfvideos zu drehen, wie er 2008 bewies.

Für den Landtagswahlkampf 2008 begleitete eine Kamera Anton "Toni" Mattle in seinem Heimatbezirk und dieser hatte erstaunlich viele "spontane" Begegnungen, wie sein Wahlkampfvideo zeigt.
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Mattles Nominierung überraschte fast alle im Land (siehe oben) – auch ihn selbst, wie er bei der Pressekonferenz am Mittwoch zugab. Der "Profi" (so Landeshauptmann Günther Platter), der laut seinem Chef nicht auf das Amt vorbereitet werden muss, will den Sommer dazu zu nutzen, "in die Bezirke zu fahren und zuzuhören".

Die Krankenhausmanagerin, die jetzt wirklich alles richtig machen soll

Annette Leja wird Tirols neue Gesundheitslandesrätin
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Weit mehr Vorbereitungszeit als Mattle – bei ihm soll das Telefon erst am Vorabend geklingelt haben – für ihren neuen Job hatte Annette Leja. Seit Februar gab es Gespräche mit Landeshauptmann Günther Platter und der ÖVP, um die studierte Betriebswirtin und bisherige Geschäftsführerin des privaten Innsbrucker Sanatoriums Kettenbrücke für den mehrfach angezählten Bernhard Tilg ins Boot zu holen. Manch einer sagt, Leja könne als neue Gesundheitslandesrätin nur gewinnen, habe sich ihr Vorgänger speziell bei seinen öffentlichen Auftritten doch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Angesprochen darauf, ob Tilg denn wirklich alles richtig gemacht habe, wie er so gerne betont, parierte die Polit-Quereinsteigerin aber im besten Politikerjargon mit Verweisen auf ihre künftige Arbeit.

Die 51-Jährige aus Reith im Alpbachtal lebt seit 25 Jahren im Raum Innsbruck. Sie gilt als ausgewiesene Gesundheitsmanagement-Expertin, übernimmt aber auch die Wissenschaftsagenden. Da gelte es sich noch einzuarbeiten. Leja ist kein ÖVP-, aber Wirtschaftsbundmitglied. Sie hat "keine Sorge, aber Respekt" vor der Mammutaufgabe, will "neue Akzente" in Tirols Gesundheitspolitik setzen und rief alle im Land auf, sich impfen zu lassen. Die verheiratete Mutter eines Sohnes betonte, dass es sich auf künftige Überraschungen à la Corona besser vorzubereiten gilt. (Fabian Sommavilla, 5.5.2021)