Corona, sagte Mandu Reid unlängst in einem Interview, habe die Aufmerksamkeit auf Probleme gelenkt, die sonst unter den Teppich gekehrt werden. Gefangen im Lockdown hätten viele Londonerinnen und Londoner heiße Eisen wie Rassismus und Gewalt gegen Frauen nicht länger verdrängen können.

Mandu Reid will völlige Gleichstellung.
Foto: Reid/Twitter

Dass der Mord an dem Afroamerikaner George Floyd im vergangenen Jahr und jener an der Spaziergängerin Sarah Everard in einem Londoner Park im März so hohe Wellen schlugen, lässt die 40-Jährige, die heute, Donnerstag, als erste Frau Londons Bürgermeisterin werden will, auf nachhaltiges Umdenken hoffen.

Auch wenn ihr die Umfragen keine Chance versprechen, den populären Sadiq Khan in der Direktwahl zu schlagen, gelingt es Reid, die früher Labour-Mitglied war und seit 2019 als bisher einzige Schwarze an der Spitze einer britischen Partei, der Women’s Equality Party (WEP), vorsteht, in dem erhitzten Klima Akzente zu setzen. Ihr Brief an Boris Johnson ("Herr Premierminister, ich kann nicht atmen!") machte sie nach dem Tod Floyds im ganzen Land bekannt. Sogar dem deutschen Spiegel gab sie ein ausgiebiges Interview.

Als reine Frauenpartei, wie der Name nahelegt, will Reid die WEP nicht verstanden wissen, 3000 der aktuell 30.000 Mitglieder sind Männer. Seit Pandemiebeginn steigt die Zahl der Neuzugänge zudem rasant.

Ziel: Gleichstellung

Neben dem Ziel, London zur ersten Stadt zu machen, in der Frauen und Männer völlig gleichgestellt sind, schweben Reid Investitionen in Kinderbetreuung sowie ein großzügiger Umgang mit Geflüchteten vor.

Über politische Erfahrung verfügt Reid, deren Mutter aus dem südafrikanischen Malawi stammt und dort ihren Vater, einen britischen Englischlehrer, traf, zur Genüge – jedenfalls hinter den Kulissen. Nach ihrem Studium an der London School of Economics diente sie zwölf Jahre lang als Beamtin im Finanz- und im Kulturministerium sowie unter allen drei Bürgermeistern, die den erst 2000 geschaffenen Posten in der britischen Hauptstadt bisher innehatten. Nebenbei gründete Reid, kinderlos und bisexuell, die NGO "The Cup Effect", die Menstruationstassen für ostafrikanische Frauen bereitstellt.

In das Stadtparlament will Reid, die regelmäßig als Gastautorin im Guardian schreibt, aber nicht einziehen. 2016, bei der letzten Wahl, schrammte die WEP nur hauchdünn an einem Mandat vorbei. Die Bühne dort wäre für sie wohl schnell zu klein. (Florian Niederndorfer, 6.5.2021)