Am 8. Mai soll in Eisenstadt "Kurz muss weg" skandiert werden. Unterstützt von neonazistischen Telegram-Channels, mobilisiert die "Corona-Querfront" derzeit für ihre Demonstration in der burgenländischen Hauptstadt – am Jahrestag der Kapitulation Nazideutschlands. Die Gruppe ist in den vergangenen Monaten bereits mehrmals in Eisenstadt in Erscheinung getreten.

Die Unterstützung von Neonazis kommt nicht von ungefähr, ist doch Gottfried Küssel mittlerweile eines der Gesichter der "Corona-Querfront". Der 62-Jährige gilt seit Jahren als Säulenheiliger der Szene und tritt seit Monaten immer wieder bei Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie in Erscheinung. Dabei hält er sich mit einschlägigen politischen Aussagen allerdings zurück, er tritt als erfahrener Aktivist auf, der bei Demonstrationen zeitweise die Richtung vorgibt oder anderen Teilnehmern Tipps gibt.

In der "Corona-Querfront" ist auch ein langjähriger Weggefährte Küssels aktiv. Harald Schmidt ist Vorsitzender des Vereins "IUVALEX – Gesellschaft für juristische Zusammenarbeit und Rechtshilfe", der den Rahmen für die "Corona-Querfront" liefert. Der Verein findet sich auch im Impressum des Webauftritts. Die Gruppe gibt sich als überparteiliche Organisation, die Ratschläge und juristische Tipps anbietet.

"Aktion Neue Rechte" ohne neurechte Worthülsen

Schmidt und Küssel kennen einander seit den 1970er-Jahren. Beide waren damals bei der 1973 gegründeten Aktion Neue Rechte (ANR) aktiv, einer der militantesten Neonazi-Gruppierungen der Nachkriegszeit in Österreich, die sich regelmäßig in die Schlagzeilen heimischer Zeitungen prügelte. Mit der sogenannten Neuen Rechten hatte die Gruppierung nichts am Hut, sie bemühte sich nicht einmal ansatzweise darum, ihre Ideologie durch modifizierte Worthülsen moderner wirken zu lassen. Das Auftreten der ANR erinnerte an die frühen Jahre der NSDAP. Die Mitglieder traten in SS-ähnlichen Uniformen auf, ihr Emblem, ein schwarzer Runenadler, war im weißen Kreis auf rotem Grund platziert – ganz wie die von Adolf Hitler entworfene Hakenkreuzfahne. Offensichtlicher ging es eigentlich nicht.

Die ANR machte aus ihrer Ideologie keinen Hehl.
Screenshot: Youtube/ORF

Die hauptsächlich auf der Universität Wien aktiven ANR-Aktivisten lieferten sich tätliche Auseinandersetzungen mit Antifaschisten und Antifaschistinnen, provozierten publicity-trächtig rund um den 90. Geburtstag Hitlers in dessen Geburtsstadt Braunau am Inn, agitierten gegen die "Holocaust-Lüge" oder wurden im Zusammenhang mit antisemitischen Parolen am jüdischen Stadttempel in Wien verhaftet. Dazu kamen regelmäßige Überfälle auf linke Lokale und Vereine. Von einer besonders gewalttätigen Auseinandersetzung mit linken Studierenden an der Uni-Rampe in Wien im Jahr 1977, bei der es mehrere Verletzte gab, existieren Filmaufnahmen.

Die "Corona-Querfront" bei einer Corona-Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Bei Veranstaltungen der ANR traten ehemalige NSDAP-Funktionäre, SS-Männer, BDM-Frauen (Bund Deutscher Mädel) als Redner und Rednerinnen auf, und der Runenadler wurde auch in den Bundesländern auf Wände geschmiert. Die Aktivisten waren größtenteils in Burschenschaften aktiv und verstanden sich als Speerspitze und Kaderorganisation der rechtsextremen Bewegung in Österreich. Ihr Antreten bei ÖH-Wahlen hatte ein juristisches Nachspiel, 1985 kam der Verfassungsgerichtshof zum Erkenntnis, dass es rechtens war, die ANR wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus bei den Wahlen 1979 auszuschließen. In den 1980er-Jahren wurden ANR-Männer wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt und die Organisation schließlich behördlich verboten. Nach dem Verbot war die ANR Geschichte.

Von der ANR zur FPÖ

Einige Aktivisten tauchten Jahre später bei der FPÖ auf. Etwa als Ministersekretär im von Freiheitlichen geführten Verkehrsministerium oder als Lokalpolitiker. Neben Schmidt und Küssel engagiert sich auch ein weiteres ehemaliges ANR-Mitglied gegen die Corona-Maßnahmen. Gemeinsam mit anderen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen versucht der Burschenschafter aus dem FPÖ-Umfeld, gegen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung juristisch vorzugehen.

Im Jahr 2019 schwärmte Küssel in einem Interview mit der deutschen Zeitschrift "N.S. Heute" ("Nationaler Sozialismus Heute") von der ANR, in der er "von der ersten Sekunde an zu Hause war, nicht unbedingt organisatorisch, aber menschlich". Er erwähnte auch die Auseinandersetzungen mit Antifaschisten an der Universität Wien. "Wenn die Linken bei uns aufgelaufen sind, dann hat es Ärger gegeben – und zwar richtigen Ärger", zitiert das Blatt Küssel. Ein Zeitzeuge hat Küssel in Erinnerung behalten: "Der war ein Niemand zu ANR-Zeiten und der leichteste Gegner überhaupt."

Küssel gründete 1986 die "Volkstreue Außerparlamentarische Opposition" (VAPO), die sich im Gegensatz zur ANR weniger elitär gab und auch Skinheads und Personen ohne Matura rekrutierte. Mit der VAPO wurde Küssel schließlich zu einer Schlüsselfigur der Szene.

Umtriebiger Jurist

Der heutige Corona-Demonstrant und Jurist Schmidt war 1981 als Spitzenkandidat der ANR bei den ÖH-Wahlen angetreten und längere Zeit hindurch auch verantwortlicher Redakteur von ANR-Zeitschriften, sein Name findet sich auch im Impressum von Aufklebern aus dieser Zeit. Schmidt tauchte in den vergangenen Jahren immer wieder bei rechtsextremen Events im europäischen Ausland auf und war auf der mittlerweile nicht mehr bestehenden neonazistischen Website alpen-donau.info, kurz Adi, aktiv. Als einer der Hintermänner dieser Plattform musste Küssel im Jahr 2013 eine Haftstrafe antreten.

Seit einem Jahr tritt Schmidt nun bei Corona-Demonstrationen in Erscheinung. Er hält Reden, marschiert an der Seite von Küssel durch Wien oder tritt als Jurist auf, etwa bei einer Pressekonferenz im vergangenen September, bei der die Aktivistin Jenny Klauninger ausführte, warum sie bei einer Corona-Demonstration eine Regenbogenfahne zerrissen hat.

In der Neonaziszene hat Schmidt einen guten Ruf, auch weil er als sehr internetaffin sowie wortgewandt gilt und eben schon lange aktiv ist. (Markus Sulzbacher, 6.5.2021)