Mehrere körperliche Attacken und verbale Drohungen gegen die Ex-Partnerin sind Gegenstand einer Verhandlung im Grauen Haus.

Foto: APA / HERBERT NEUBAUER

Wien – Auf Außenstehende wirkten Angeklagter G. und Frau D. wohl wie ein adrettes, zufriedenes Paar. Die Thirty-Somethings waren vier Jahre zusammen, lebten in einer Eigentumswohnung in Wien-Liesing, gingen ihren Berufen nach, bemühten sich mit ärztlicher Hilfe um eine Erfüllung ihres Kinderwunsches. In der Realität war die Zweisamkeit viel belasteter, wie sich vor Richterin Sonja Weis im Verfahren um Körperverletzung und gefährliche Drohung gegen G. zeigt.

"Im Hinterher gesehen war es eine toxische Beziehung", verrät der Angeklagte. Im Jänner 2017 sei man zusammengekommen, eineinhalb Jahre später hätten die Probleme begonnen. "Meine Ex-Freundin verändert sich total, wenn sie was trinkt", sagt der Unbescholtene. "Sie schimpft, schreit, wird provozierend." Dennoch zog man im Sommer 2019 gemeinsam in die Wohnung, für die er einen Kredit aufgenommen hat.

"Aber sonst war es recht harmonisch"

Der für eine Blaulichtorganisation tätige G. bestreitet auch nicht, dass auch er unter Alkoholeinfluss beleidigend gewesen sein kann. "Aber sonst war es recht harmonisch. Im nüchternen Zustand wurde nicht darüber geredet. Man hat sich entschuldigt, dann war es kein Thema mehr", sagt er zu den Auseinandersetzungen. Dass er D. je am Körper verletzt habe, wie ihm die Staatsanwältin vorwirft, bestreitet er kategorisch. An die gefährliche Drohung könne er sich nicht mehr erinnern.

Der erste Anklagepunkt betrifft den 25. Dezember 2019. G. soll nach einer Familienfeier seine Partnerin im Streit am Oberarm gepackt und durch die Wohnung geschliffen haben. "Es war das erste große Familienessen in der neuen Wohnung", erinnert sich der Angeklagte. Die Eltern beider Seiten seien zu Besuch gewesen, nach deren Abgang sei es zu einem Streit gekommen. D. habe in der Küche Weingläser zerstört und einen Staubsauger nach ihm geworfen. Zweimal habe sie sich zu Boden fallen lassen, er habe sie nur beruhigen wollen und ihr aufgeholfen. Dabei könnte der Bluterguss am Oberarm theoretisch entstanden sein. Seine Ex-Freundin sei aber auch von der Arbeit oft mit blauen Flecken heimgekommen.

Zwei Kübel Kirschen, mehrere Flaschen Wein

Ein halbes Jahr später war G.s Vater in der Wohnung zu Besuch. Er hatte um 12 Uhr zwei Kübel Kirschen mitgebracht, was offenbar gefeiert wurde. Um 17.30 Uhr kam D. von der Arbeit nach Hause und war offenbar mäßig begeistert, zwei Alkoholisierte anzutreffen. "Wie betrunken waren Sie?", fragt die Richterin. "Schon", lautet die unpräzise Antwort. "Was heißt 'schon'?", lautet daher die Folgefrage. "Na ja, von 12 bis 17 Uhr sind schon ein paar Flaschen Wein zusammengekommen."

"Wir waren halt schon ein bisserl lustiger", stellt der Angeklagte seine damalige Gemütslage dar. D. sei grantig gewesen. "Da habe ich mit ihr geschimpft, dass sie undankbar ist", behauptet er. Die Richterin unterbricht ihn: "Ich habe da ein Transkript, laut dem Sie unter anderem gesagt haben: 'Ich schlag dir die Zähne ein', 'Ich hau dir in die Goschn', 'Ich schmeiß dich aus dem Fenster.'" D. hat von der Situation mit ihrem Handy nämlich zwei Aufnahmen gemacht – eine 14 und eine 29 Minuten lang.

G. will die Existenz der Dateien nicht rundherum abstreiten, vermutet aber eine Manipulation. "In den ganzen 43 Minuten soll mein Vater nur zwei Sätze geredet haben! Der redet ständig!", glaubt er, dass die Aufnahmen zusammengeschnitten sind.

Streit um Nüsse in der Küche

Auch das darauffolgende Weihnachten soll laut Anklage gewaltvoll gewesen sein. G. soll D. bei einem Streit am Genick gepackt haben, sagte die Frau. Der Angeklagte bestreitet auch diesen Vorwurf. "Ich hatte einen 24-Stunden-Dienst. Als ich am 25. heimgekommen bin, hat sie noch geschlafen. Dann haben wir die Geschenke ausgepackt, und sie hat gesagt, sie macht Pancakes zum Frühstück." Als das Paar in der Küche stand, habe er seine Lebensgefährtin darum gebeten, dass sie Nüsse weiter entfernt von den Geräten zerkleinern solle, sagt der Angeklagte. "Da ist sie völlig hysterisch geworden und hat mich beschimpft." Körperkontakt habe es keinen gegeben.

Zum Jahreswechsel soll sich dann der schwerste angeklagte Vorfall ereignet haben. Der Schwager, dessen Frau und ihre beiden Töchter seien zur Silvesterfeier gekommen. "Sie sind gegen 18 Uhr gekommen und haben Sekt, Tiramisu und Brownies mitgebracht. Ich habe gefragt, ob sie einen Aperitiv wollen, die Schwägerin hat dann gefragt, ob ich was Stärkeres als Sekt habe." Hatte er, nämlich Rum. Die Schwägerin habe den Zuckerrohrschnaps pur getrunken, G. und sein Schwager mit Cola verdünnt.

Gäste hinauskomplimentiert

Beim Abendessen hätten die vier Erwachsenen drei Flaschen Rotwein geleert, die Schwägerin habe weiter Rum verlangt, der Schwager bat darum, seiner Gattin das Getränk mit Cola zu verdünnen. D. habe im Laufe des Abends ein Rotweinglas umgeschmissen und zu weinen begonnen, warum, wisse er eigentlich nicht, sagt der Angeklagte. "Um 00.45 Uhr habe ich vom Balkon gesehen, wie der Schwager und die Schwägerin im Gästezimmer gestritten haben. Ich bin hinein und wollte die Situation beruhigen, da ist er mich angefahren." Den Plan, dass die Gäste in der Wohnung übernachten, habe er dann verworfen und ihnen die Tür gewiesen.

"Meine Ex-Freundin hat dann wieder zu schimpfen begonnen, ich habe die Tür aufgehalten und ihr gesagt: 'Geh mit Deinem Bruder gleich mit und verlass die Wohnung", schildert der Angeklagte. D. habe daraufhin nach seiner Darstellung seltsam reagiert: "Sie hat sich bei offener Wohnungstür in den Vorraum gesetzt und die Polizei angerufen." Er nahm mit seinem Handy ein 30-sekündiges Video davon auf, das sie unverletzt und relativ ruhig zeige, dann sei er in die Küche gegangen. "Plötzlich schrie sie: 'Au, Du hast mir auf die Nase gehaut, ich blute!", behauptet G., der daraufhin zurück in den Vorraum ging.

"Ich hab ein bissi einen Putzfimmel"

"Ich habe überhaupt nicht gewusst, was los ist. Sie hat geblutet, und auf dem Boden war auch überall Blut." Auch seine Reaktion darauf ist nicht alltäglich: "Ich habe Fetzen geholt, um das Blut vom Boden aufzuwischen. Ich habe ein bissi einen Putzfimmel", erklärt der Angeklagte. "Das habe ich mir schon gedacht", merkt die Richterin an. Als die Polizei kam, habe er ein Betretungsverbot bekommen. Eine von D. angestrebte einstweilige Verfügung sei vom Bezirksgericht aber abgewiesen worden, da die Richterin nicht feststellen konnte, wie es zu dem verschobenen Nasenbeinbruch bei der Frau gekommen ist.

Privatbeteiligtenvertreter Arthur Machac fragt G., wie er sich die Verletzung erklären kann. Der Angeklagte kann nur mutmaßen, da er ja in der Küche gewesen sei. Seine Theorie: D. habe sich die Nase selbst gebrochen, indem sie sich die Wohnungstür ins Gesicht donnerte. Richterin Weis wiederum ist unklar, welches Motiv D. für eine Verleumdung haben sollte. "Sie hat schon früher falsche Aussagen gemacht", behauptet der Angeklagte. Und im vergangenen November habe er ihr eröffnet, doch kein Kind mit ihr zu wollen, möglicherweise räche sie sich jetzt dafür.

"Ich habe noch nie wen geschlagen, erst recht keine Frau", beteuert G. auf Nachfrage seines Verteidigers Sascha Flatz noch. Eine Vorstrafe würde wohl den Verlust seines gutdotierten Arbeitsplatzes bedeuten, das würde er nie riskieren.

"Er hat sich jedes Mal danach entschuldigt"

D. bestätigt als Zeugin, dass die Beziehung zunächst gut gewesen sei. "Außer wenn Alkohol im Spiel war?", wirft die Richterin ein. "Ja. Ich habe später dann nichts mehr getrunken, wenn er was getrunken hat", sagt die Frau. Die angeklagten Vorfälle bestätigt sie. Warum sie sich nicht einfach von G. getrennt habe? "Er hat sich jedes Mal danach entschuldigt und gesagt, dass er mich liebt", begründet D. ihre Entscheidung, zu bleiben.

Den Ablauf des Neujahrsabends schildert sie völlig konträr zum Angeklagten. Der sei schon ab Ankunft ihrer Familienmitglieder eher aggressiv gewesen und habe viel getrunken. Als sie das Rotweinglas umgestoßen habe, habe sie aus Angst geweint, da sie einen Streit befürchtet habe. Der sei dann zwischen ihrem Bruder und G. entstanden – der Angeklagte habe die Gäste hinausgeworfen und dem Schwager zwei Schläge gegen den Kopf verpasst.

Faustschlag beim Schuhe-Anziehen

Auch sie habe er wieder bedroht, daher habe sie im Vorraum die Polizei gerufen. "Er hat mich gefilmt, ich habe befürchtet, dass es eskaliert, und die Aufnahmefunktion auf dem Handy eingeschaltet", verrät sie, dass es auch von dieser Szene ein Beweismittel gibt. "Ich habe mir die Schuhe angezogen, um zu meinem Bruder hinunterzugehen und auf die Polizei zu warten, als er plötzlich herkam und mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat", beschreibt D. den Ursprung ihres Nasenbeinbruchs. "Depperte Sau, du Scheißhure hast dir das verdient!", habe G. danach gesagt und ihr neuerlich gedroht. Sie sei schließlich in Socken geflüchtet und habe auf Polizei und Rettung gewartet.

Auch sie vermutet Manipulationen an den Beweisen – allerdings am von G. aufgenommenen Video. D. stellt in den Raum, dass diese Aufnahme nicht nur geschnitten, sondern auch bearbeitet worden sei.

Da die Richterin bisher weder das Video noch die diversen Audiodateien kennt und darüber hinaus noch weitere Familienmitglieder von G. und D. als Zeugen hören will, vertagt Weis auf den 17. Juni. Die Polizei soll die Tonaufnahmen bis dahin verschriftlichen. Über den Antrag von Verteidiger Flatz, D.s Audiodatei vom 1. Jänner 2021 von einem Sachverständigen auf Manipulationen überprüfen zu lassen, will die Richterin erst später entscheiden. Ebenso über die Forderung des Privatbeteiligtenvertreters nach einem medizinischen Gutachten, dass sich seine Mandantin nicht selbst die Nase mit einer Tür gebrochen haben könne. (Michael Möseneder, 6.5.2021)